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MELDUNG/2194: Wenn der Promoter härter als sein Boxer schlägt (SB)



Eddie Hearn will Wilder den Kampf gegen Whyte aufzwingen

Wie Anthony Joshua versichert, werde er sich nächstes Jahr mit Deontay Wilder messen und damit die Vorherrschaft im Schwergewicht klären. Der in 19 Kämpfen erfolgreiche Weltmeister der Verbände WBA und IBF aus England hat bislang ebensowenig verloren wie der WBC-Champion aus den USA, der bereits 38 Gegnern das Nachsehen gegeben hat. Überdies hat der Brite sämtliche Auftritte vorzeitig gewonnen, sein Rivale nur ein einziges Mal über volle zwölf Runden boxen müssen. Indessen beharrt Joshuas Promoter Eddie Hearn nach wie vor darauf, daß Wilder zuerst gegen Dillian Whyte antreten müsse, bevor es zum Gipfeltreffen kommen könnte.

Sollte sich Joshua gegen seinen Promoter durchsetzen, stünde dem seit langem geforderten und erwarteten Ringen der beiden Riesen nichts mehr im Wege. Hearn hat sich jedoch in den Kopf gesetzt, zweifach von der Rivalität zu profitieren. Zudem scheint er nicht auszuschließen, daß Whyte wider Erwarten gegen Wilder die Oberhand behalten könnte. In diesem Fall hätte er zwei Weltmeister unter Vertrag und damit nahezu die volle Kontrolle über die Königsklasse. Ein dritter Grund, der natürlich seitens des britischen Lagers keinesfalls zur Sprache gebracht wird, könnten Hearns klammheimliche Bedenken sein, daß sein Goldesel dem Kontrahenten aus Tuscaloosa in Alabama noch nicht gewachsen ist.

Seit Anthony Joshua mit einer gehörigen Portion Glück die Oberhand gegen Wladimir Klitschko behalten hat, nimmt er für sich in Anspruch, keinem Gegner aus dem Weg zu gehen. Wenn er sich mit den Worten an Wilder wendet, dieser habe noch keine bedeutenden Kämpfe absolviert und brauche einen großen Auftritt, um dem Schwergewicht seinen Stempel aufzudrücken, sollte er sich besser an die eigene Nase fassen. Dasselbe konnte man ihm in der Vergangenheit gleichermaßen vorhalten, zumal ihm natürlich auch bekannt sein muß, welche prominenten Gegner Wilders aufgrund positiver Dopingproben kurzfristig ausgefallen sind.

Im nächsten Schritt haben Joshua und Wilder harte Nüsse zu knacken. Der Brite bekommt es am 28. Oktober in Cardiff mit Carlos Takam zu tun, da sich der ursprünglich vorgesehene Herausforderer Kubrat Pulew aus dem Team Sauerland im Training an der Schulter verletzt hat. Auch Wilder muß sich mit einem Pflichtherausforderer auseinandersetzen, da er am 4. November erneut auf seinen Vorgänger im Rang des WBC-Weltmeisters trifft. Der Kanadier Bermane Stiverne hat zwar seit dieser Niederlage im Januar 2015 nicht mehr im Ring gestanden, gilt aber noch immer als ausgesprochen robuster Kandidat, der jedem Gegner Probleme bereiten kann.

Zumindest was den Austragungsort des Duells mit Wilder betrifft, scheinen Joshua und sein Promoter einer Meinung zu sein. Der Champion kann sich eigenen Angaben zufolge gut vorstellen, in den USA anzutreten, was auch Hearn vorschwebt, der den US-amerikanischen Markt aufrollen möchte. Zudem hat er einen möglichen Auftritt in Afrika oder dem Nahen Osten ins Gespräch gebracht, wobei unklar blieb, was genau er damit verbindet. Ausschlaggebend wird letzten Endes sein, wo sich am meisten Geld verdienen läßt.

Unterdessen weist Wilders Promoter Lou DiBella die Vorstellung eines Kampfs gegen Dillian Whyte als Voraussetzung eines Duells mit Anthony Joshua als schlechten Witz zurück. Die Vorstellung, ein Weltmeister wie Deontay Wilder müsse sich den Kampf mit einem anderen Champion erst verdienen, sei reichlich absurd. Abgesehen davon habe man dem Briten Hughie Fury mehrfach angeboten, gegen den WBC-Weltmeister anzutreten, was jedoch ausgeschlagen worden sei. Wenngleich Fury nicht bei Hearn, sondern bei Frank Warren unter Vertrag steht, ist die Argumentation DiBellas durchaus nachvollbar. Wilder hat doppelt so viele Kämpfe wie Joshua gewonnen und dürfte von der Mehrzahl renommierter Experten als der bessere Boxer eingeschätzt werden. Dennoch behandelt Eddie Hearn die Konkurrenz aus den USA, als sei Wilder ein Herausforderer und nicht seinerseits Weltmeister. [1]

Daß der britische Promoter auf diese Weise agieren kann, liegt nicht zuletzt an dem boomenden britischen Boxgeschäft. Die Revanche der Supermittelgewichtler Carl Froch und George Groves vor zwei Jahren ging vor 80.000 Zuschauern im Londoner Wembley-Stadion über die Bühne, 90.000 wohnten dort Ende April dem Kampf zwischen Anthony Joshua und Wladimir Klitschko bei. Weit über 70.000 Fans werden Joshua in Cardiff anfeuern, wenn er mit Carlos Takam in den Ring steigt. Joshua gegen Wilder würde die weiten Ränge der Riesenarena in Wembley ebenfalls füllen. Hinzu kommen die ausgezeichneten Quoten von Sky Box Office im britischen Pay-TV, wozu sich dann noch die Gebühren ausländischer Sender wie HBO oder Showtime gesellen. Von einer derart günstigen Situation kann Wilder in den USA nur träumen, so daß er de facto tatsächlich am kürzeren Ende des Hebels sitzt.

Eddie Hearn ist sich seiner Sache so sicher, daß er bereits für den 3. Februar 2018 die Londoner O2 Arena vorgebucht hat, um dort den Kampf zwischen Wilder und Whyte zu veranstalten. Sollten Wilder und sein Promoter dem nicht zustimmen, werde man Dillian Whyte zum Pflichtherausforderer aufbauen und den WBC-Weltmeister darüber zwingen, seinen Titel gegen den Briten zu verteidigen. Whyte, der an Nummer drei der aktuellen WBC-Rangliste geführt wird, trifft am 28. Oktober in Cardiff im Vorprogramm Joshuas auf den Finnen Robert Helenius, für den 25 Siege und eine Niederlage zu Buche stehen. Offenbar rechnet Hearn damit, daß Whyte diesen Kampf gewinnt und dadurch an die Spitze des Kandidatenfelds vorrückt. [2]

Der Kubaner Luis Ortiz ist in die Jahre gekommen und zuletzt über eine Dopingkontrolle gestolpert. Alexander Powetkin wurde zweimal von der VADA an den Pranger gestellt. Jarrell Miller muß sich erst noch an der Konkurrenz abarbeiten. WBO-Champion Joseph Parker ist aus Sicht der beiden anderen Weltmeister eine lösbare Aufgabe. Der bei David Haye unter Vertrag stehende Olympiazweite Joe Joyce wird als künftiger Schrecken des Schwergewichts gehandelt, hat aber gerade erst sein Debüt im Profilager gewonnen. Eddie Hearns Perspektive liegt insofern klar auf der Hand, als nach dem Abschied Wladimir Klitschkos nur noch Deontay Wilder als Gegner übriggeblieben ist, der Anthony Joshuas Regentschaft gefährden kann. Wäre der US-Amerikaner aus dem Weg geräumt, könnte der Brite die nächsten zwei Jahre in aller Ruhe seine Titel verteidigen und das Bankkonto füllen, wobei auch für den Promoter jede Menge Geld und Einfluß abfiele. Unter diesen Umständen ist es kein Wunder, daß Eddie Hearn mit aller Gewalt Dillian Whyte als Torwächter installieren will, um Deontay Wilder vorerst zu bremsen, möglicherweise zu schwächen oder sogar als WBC-Weltmeister zu entthronen. [3]


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2017/10/joshua-will-fight-wilder-next-year/#more-245451

[2] http://www.boxingnews24.com/2017/10/whyte-vs-wilder-feb-3/#more-245398

[3] http://www.boxingnews24.com/2017/10/wilder-not-obligated-fight-whyte-says-dibella/#more-245385

22. Oktober 2017


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