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MELDUNG/2214: Handgemenge in Down Under (SB)



Jeff Horn setzt sich gegen Gary Corcoran durch

Jeff Horn hat den WBO-Titel im Weltergewicht erstmals erfolgreich verteidigt. Der 29jährige Australier behielt in Brisbane durch technischen K.o. in der elften Runde gegen den zwei Jahre jüngeren Briten Gary Corcoran die Oberhand. Ringrichter Benjy Esteves machte der Auseinandersetzung ein Ende, da sich der Herausforderer eine Rißwunde über dem linken Auge zugezogen hatte, die ihn erheblich einschränkte. Auch der Titelverteidiger war schwer gezeichnet, aber zu diesem Zeitpunkt in der Offensive. Bei den drei Punktrichtern lag der Lokalmatador beim Abbruch deutlich in Führung (100:90, 99:91, 99:91). Während für den ungeschlagenen Champion aus Queensland nun 18 Siege sowie ein Unentschieden zu Buche stehen, sind für den Londoner, der bislang an Nummer 10 der WBO-Rangliste geführt wurde, 17 gewonnene und zwei verlorene Auftritte notiert. [1]

Im Juli war Jeff Horn wie aus dem Nichts aufgetaucht und hatte sich ebenfalls in Brisbane mit einem sensationell anmutenden Sieg über den legendären Manny Pacquiao auf den Thron des Weltmeisters katapultiert. Der Sieg des Australiers war insofern umstritten, als er sich überaus brachialer Mittel bedient hatte. Er schob den Kontrahenten durch den Ring, nahm ihn in den Schwitzkasten oder ging mit dem Kopf voran wie ein Stier auf ihn los, so daß der kleinere Titelverteidiger kaum zum Boxen kam. Der Ringrichter ließ Horn jedoch gewähren, der unter dem euphorischen Jubel des Publikums den prominenten Gast regelrecht niederrammte. Wenngleich Pacquiao längst nicht mehr so gefährlich wie zu seinen besten Zeiten agierte, war seine Niederlage doch im wesentlichen einer grenzwertigen bis regelwidrigen Kampfesweise des Australiers geschuldet.

Obwohl Horn gegen Corcoran etwas sauberer zu Werke ging und den Briten nur ab und zu wie ein Ringer umklammerte, zeichnete sich doch recht schnell ab, daß die Kontrahenten kampfeslustig, aber beide keine hochklassigen Boxer sind. Da sie einander jedoch nichts schenkten, entwickelte sich ein unterhaltsames und bisweilen turbulentes Gefecht, das den Zuschauern hörbar Freude bereitete, zumal ihr Favorit fast in jeder Runde die etwas bessere Figur machte. Jeff Horn war nicht so überlegen, wie es der Zwischenstand der Punktwertung nahelegen könnte, aber durchaus ein entscheidendes Quentchen besser als der aus einer Familie von Travellern stammende Herausforderer.

Der Weltmeister kam vor allem aus der Distanz mit seiner Rechten zum Zuge, zumal er deutlich wirksamer als sein Gegner schlug. Andererseits wurde er häufig von Corcoran getroffen, der ständig Druck machte und sich an ihn heranzuarbeiten versuchte. Beide trugen durch Kopfstöße und Schläge in der achten Runde Rißwunden an der Augenpartie davon, was sie jedoch nicht daran hinderte, einander weiter zuzusetzen. Allerdings wirkten sie in dieser Phase schon sehr erschöpft, klammerten viel und waren kaum noch zu klaren Schlägen in der Lage. Offensichtlich hatte sich der Brite noch stärker verausgabt als der Lokalmatador, der ihn in der zehnten Runde an den Seilen stellte und beinahe aus dem Ring schlug. Corcoran erreichte mit letzter Kraft die Pause, in der ihn der Ringarzt sorgsam untersuchte. Der Kampf wurde zur elften Runde freigegeben, doch als nur noch Jeff Horn schlug, schritt der Referee ein und entschied auf Abbruch. [2]

So hatte der Champion verdient gewonnen, doch kann man dem britischen Herausforderer zugute halten, daß er dem Australier größere Probleme als erwartet bereiten konnte. Insgesamt bleibt festzuhalten, daß die WBO nicht gerade die allerstärksten Weltmeister und Herausforderer zu bieten hat. Jeff Horn, Tim Bradley oder Jessie Vargas haben gemeinsam, daß sie wie Manny Pacquiao bei Bob Arum unter Vertrag stehen. Der greise, aber nach wie vor agile Promoter läßt seine Boxer fast ausschließlich gegeneinander antreten, um stets die volle Kontrolle zu behalten. Das führt unter anderem dazu, daß der WBO-Gürtel seit Jahren in diesem Kreis herumgereicht wird und qualitativ nicht an die Trophäen der anderen Verbände heranreicht.

Ginge es nach Jeff Horn, würde er vermutlich einen Kampf gegen Keith Thurman (WBA/WBC) oder Errol Spence (IBF) bevorzugen, obgleich die beiden Weltmeister definitiv eine Nummer zu groß für ihn sind. Da Arum kaum jemals Geschäfte mit Al Haymon, dem einflußreichen Berater der beiden macht, wird es ohnehin nicht dazu kommen, daß der Australier auf diese Weise erfährt, wo er im Weltergewicht tatsächlich steht. Der Sieg über Pacquiao hat ihm offenbar insofern den Kopf verdreht, als er tatsächlich überzeugt zu sein scheint, er stehe an der Spitze seiner Gewichtsklasse und verfüge über die Mittel, auch die allerbesten Konkurrenten in die Schranken zu weisen.

Die erste erfolgreiche Titelverteidigung dürfte Jeff Horn einen Kampf gegen Terence Crawford in Las Vegas beschert haben. Das jedenfalls kündigt ihr gemeinsamer Promoter Bob Arum an, nach dessen Worten der sensationell anmutende Aufstieg des Australiers im Jahr 2017 die Aufmerksamkeit des in 32 Auftritten ungeschlagenen US-Stars erregt habe. Der 30jährige Crawford sei ohnehin Pflichtherausforderer und bereit, sich voraussichtlich im April 2018 mit Horn zu messen. Genaueres werde man in wenigen Tagen bekanntgeben. Terrence Crawford war Weltmeister im Leichtgewicht und Halbweltergewicht. Er gilt als einer der besten Akteure aller Gewichtsklassen und hat zuletzt Julius Indongo aus Namibia binnen drei Runden besiegt.

Wenngleich Horn natürlich bewußt ist, daß er bei diesem Duell als krasser Außenseiter in der Ring steigen würde, erklärt er betont selbstbewußt, das sei ein Gegner, den er definitiv schlagen könne. Er habe schon immer davon geträumt, eines Tages in den USA aufzutreten und dort sein Können unter Beweis zu stellen. Es gebe kein geeigneteres Mittel, um die ewigen Zweifler eines Besseren zu belehren, als weiter zu gewinnen. Bob Arum stößt kräftig ins gleiche Horn und erklärt, nur ein Narr könne den Australier vor dessen erstem Auftritt in den USA abschreiben. Was die technischen Fertigkeiten betreffe, schätze er Crawford höher ein, doch sprächen die körperlichen Voraussetzungen und die Stärke für Jeff Horn. Daher stehe ein Kampf auf gleicher Augenhöhe zu erwarten, der womöglich sogar als ein Klassiker im Boxring Geschichte schreiben könne. [3] Daß Arum wider besseren Wissens maßlos übertreibt, liegt auf der Hand.


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2017/12/jeff-horn-vs-gary-corcoran-results/#more-250289

[2] http://www.espn.com/boxing/story/_/id/21752052/jeff-horn-retains-title-stopping-gary-corcoran

[3] http://www.espn.com/boxing/story/_/id/21756104/jeff-horn-expected-fight-terence-crawford-las-vegas

14. Dezember 2017


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