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MELDUNG/2232: Weltergewicht - Die Wahl des Gegners läßt tief blicken ... (SB)



Danny Garcia hat sich Brandon Rios ausgesucht

Im Weltergewicht kommt es in wenigen Tagen zu einem Kampf zwischen dem ehemaligen WBC-Champion Danny Garcia und Brandon Rios, der vor Jahren WBA-Weltmeister im Leichtgewicht war. Ihr Auftritt im Mandalay Bay Hotel & Casino in Las Vegas wird vom Sender Showtime übertragen. Garcia, der 33 Kämpfe gewonnen und nur einen verloren hat, steigt als klarer Favorit gegen Rios in den Ring, für den 34 Siege, drei Niederlagen sowie ein Unentschieden zu Buche stehen. Danny Garcias Entscheidung, sich nicht mit Errol Spence oder Shawn Porter zu messen, sondern Brandon Rios als nächsten Gegner zu wählen, läßt tief blicken. Offenbar gehen Garcia und sein Management davon aus, daß er in einem Kampf gegen die führenden Akteure im Weltergewicht den kürzeren ziehen würde. Der 29jährige wäre kaum auf einen Ladenhüter wie den zwei Jahre älteren Kontrahenten verfallen, traute er sich tatsächlich zu, Spence oder Porter Paroli bieten zu können. Auch wenn er das sicher vehement von sich weisen würde, läßt doch das bevorzugte Niveau Rückschlüsse auf den aktuellen Stand seines Könnens zu.

Das alles wäre kaum der Rede wert, hätte Garcia nicht den Anspruch erhoben, der herausragende Boxer dieser Gewichtsklasse zu sein. Wer einmal Champion geworden sei, bleibe für immer ein Champion, stellt er eine gewagte Behauptung in den Raum. Am 17. Februar werde er den Beweis antreten, daß er einer der weltbesten Boxer sei. Inzwischen sind jedoch elf Monate ins Land gezogen, seit er sich am 4. März 2017 im Barclays Center in Brooklyn Keith Thurman knapp nach Punkten geschlagen geben und ihm den WBC-Titel überlassen mußte. Warum er nach diesem schweren Kampf fast ein Jahr Pause eingelegt hat, bleibt offen, zumal er sich nicht wie Thurman eine Verletzung zugezogen hat, deren operative Behandlung eine längere Unterbrechung der Karriere erforderlich machte. Nach dem chirurgischen Eingriff am Ellbogen meldet sich der Weltmeister der Verbände WBA und WBC am 19. Mai im Ring zurück, wobei er offen eingeräumt hat, daß es zu früh für ein Duell mit dem IBF-Champion Errol Spence wäre und er einen Aufbaukampf gegen einen schwächeren Herausforderer bestreiten möchte.

Hingegen hat Danny Garcia etliche Monate der kostbaren Zeit seiner Karriere ohne erkenntlichen Grund preisgegeben, was nicht gerade wie eine kluge Entscheidung anmutet. Einem Boxer sind in der Regel nur wenige Jahre vergönnt, in denen er auf dem höchstmöglichen Niveau zu Werke gehen kann. Wenn er nun erklärt, er fühle sich frisch und geradezu verjüngt, mutet das eher wie ein Versuch an, sich der vordergründig plausibelsten Rechtfertigung seiner ausgedehnten Abwesenheit zu bedienen. Je längere Pausen ein Boxer zwischen seinen Auftritten einlegt, um so aufwendiger gestaltet sich zumeist die Vorbereitung, da er unterdessen Gewicht zugelegt und Kondition eingebüßt hat. Und nicht nur die körperliche Verfassung fällt mehr oder minder weit unter das erforderliche Maß, auch unabdingbare Fertigkeiten im Kampf, die mit Übersicht, Timing und Rhythmus eher unzulänglich als präzise beschrieben werden, unterliegen dem Verfall. Sie müssen natürlich nicht von Grund auf neu gelernt, aber doch in erheblichem Umfang wieder geschärft und rekombiniert werden.

Was seinen Status im Weltergewicht betrifft, hat Danny Garcia nie den Beweis angetreten, daß er auch in diesem Limit zur absoluten Spitze gehört. Im Januar 2016 eröffnete sich ihm die Gelegenheit, in einem vergleichsweise leichten Kampf gegen den in die Jahre gekommenen Robert Guerrero den vakanten WBC-Titel zu gewinnen. Dann traf er in einem hochklassigen Gefecht zweier Weltmeister auf Keith Thurman und war den Gürtel auch schon wieder los. Aus dieser Niederlage habe er die Lehre gezogen, daß er die Entscheidung nicht den Punktrichtern überlassen dürfe. Es sei ein Kampf auf gleicher Augenhöhe gewesen, der ebensogut zu seinen Gunsten hätte ausgehen können. Daher werde er künftig nicht lockerlassen, bis eine vorzeitige Entscheidung gefallen sei, so Garcia.

Das ist in seinem Falle freilich leichter gesagt als getan, da er nicht zu den Boxern gehört, deren Schlagwirkung auch hochklassige Kontrahenten Tribut zollen müssen. Er hat zwar weniger robuste Gegner wie Amir Khan oder Rod Salka vorzeitig besiegt, mußte aber mit Keith Thurman, Lamont Peterson, Mauricio Herrera und Lucas Matthysse über die Runden gehen. Zudem bleibt anzumerken, daß er gegen Peterson und Herrero nur mit einer Riesenportion Glück gewonnen hat, da ihm die Punktrichter gewogen waren. Mit Brandon Rios steht ihm eine Aufgabe ins Haus, die durchaus ihre Tücken haben könnte. Wenngleich Rios den Zenit seines Könnens definitiv überschritten hat, kann er noch immer gehörigen Druck entfalten. Das zeigte sich bei seinem Comeback im Juni 2017, als er Aaron Herrera so lange nachsetzte, bis dieser in der siebten Runde die Segel streichen mußte. Brandon Rios war nie ein technisch brillanter Boxer, jedoch ein unermüdlicher Arbeiter, der zwar seit Jahren keine hochklassigen Gegner mehr besiegt hat, aber durchaus eine Gefahr für recht anspruchsvolle Widersacher ist. [1]

Garcia bezichtigt Brandon Rios, sich schmutziger Tricks zu bedienen, was er jedoch nicht zulassen werde, da er in jeder Hinsicht gewappnet sei und den Gegner auf die Bretter schicken werde. Der Vorwurf hat weder Hand noch Fuß, da Rios im Infight zum Körper und gerne Uppercuts schlägt, was absolut regelkonform ist, auch wenn es Garcia nicht gefällt. Er sollte sich besser an die eigene Nase fassen, wenn man beispielsweise an seinen Kampf gegen den druckvoll angreifenden Argentinier Lucas Matthysse denkt, den er ständig mit Tiefschlägen traktierte. Hätte ihm der Ringrichter nicht erst in der zwölften Runde einen Punkt dafür abgezogen, wäre Garcia kaum als Sieger aus diesem Duell hervorgegangen. [2]

Wie sein Vater und Trainer Angel Garcia zum besten gibt, sei Keith Thurman bekanntlich erledigt. Da eine Revanche für die knappe Niederlage vorerst unerreichbar bleibe, gebe man statt dessen eben Brandon Rios den Rest. Der ältere Garcia hat sich offenbar in die Auffassung verrannt, sein Sohn habe Thurman derart zugesetzt, daß sich dieser auf dem absteigenden Ast seiner Karriere befinde und nie wieder an seine früheren Leistungen anknüpfen werde. Obgleich Thurman längst dargelegt hat, daß seine Ellbogenverletzung älteren Datums war, beharren die Garcias auf der These, daß sie die wahren Sieger des Kampfs vor Jahresfrist gewesen seien. Selbstkritik scheint nicht gerade ihre Stärke zu sein. Ob Garcia gut beraten war, nach der Niederlage gegen Thurman und seiner langen Pause einen Kontrahenten auszuwählen, der ständig auf ihn losgeht und den Infight sucht, wird sich in Kürze erweisen.


Fußnoten:

[1] www.boxingnews24.com/2018/02/danny-garcia-says-hell-show-off-talent-feb-17/#more-256331

[2] www.boxingnews24.com/2018/02/danny-garcia-says-hell-try-end-brandon-rios-career/#more-256752

14. Februar 2018


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