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MELDUNG/2234: Mittelgewicht - Rückkehr an den Tatort ... (SB)



Gennadi Golowkin muß abermals in Las Vegas antreten

Tom Loeffler hat so seine Zweifel, ob Saul "Canelo" Alvarez die T-Mobile Arena in Las Vegas auch nach der Revanche mit Gennadi Golowkin noch immer für seine bevorzugte Auftrittsstätte erachten wird. Der Promoter des Kasachen steht mit der Auffassung nicht allein, daß dieser bei seiner 20. Titelverteidigung am 5. Mai in der Spielerstadt seinen mexikanischen Rivalen endgültig auf die lange Liste seiner Opfer setzen kann. Für den ungeschlagenen Weltmeister der Verbände WBA, WBC, IBF und IBO im Mittelgewicht stehen 37 Siege sowie jenes unsägliche Unentschieden zu Buche, das die Kampfrichter "Canelo" bei ihrem ersten Aufeinandertreffen am 16. September 2017 in Las Vegas geschenkt hatten. Saul Alvarez, wegen seines rötlichen Haarschopfs "Canelo" (Zimt) genannt, hat 49 Kämpfe gewonnen, einmal gegen Floyd Mayweather verloren und unentschieden gegen Golowkin geboxt.

So erfolgreich das Ergebnis ihres ersten Duells mit 1,3 Millionen Kunden bei HBO im Pay-TV in finanzieller Hinsicht war, so enttäuschend mutete die Fehlleistung zweier Punktrichter an, sofern man nicht gerade die riesige Fangemeinde "Canelos" fragte. War das Unentschieden als solches schon ärgerlich, galt das um so mehr angesichts der klaren Überlegenheit Golowkins, die von der Mehrzahl der Fans und Experten ohne Wenn und Aber bestätigt wurde. Sollte der Mexikaner diesmal auch offiziell das Nachsehen haben, wäre es sein zweiter fehlgeschlagener Gipfelsturm im Mittelgewicht in der T-Mobile Arena.

"Canelos" entscheidendes Manko war bislang, daß er in Kämpfen mit hochklassigen Gegnern Konditionsprobleme bekam und in jeder Runde nicht länger als eine Minute mit vollem Tempo boxen konnte. Das zeigte sich auch gegen Golowkin, da Alvarez von der dritten bis zur elften Runde zumeist weglief und lediglich sporadische Treffer landen konnte. Wenngleich er später im Chor mit seinem Promoter Oscar de la Hoya stets betont hat, daß er der wahre Sieger des Septemberkampfs gewesen sei, scheint man sich in seinem Team doch der notorischen Konditionsschwäche voll und ganz bewußt zu sein. Für eine diesbezügliche Einsicht spricht jedenfalls, daß ein Trainingslager in den Colorado Mountains gewählt wurde, womit man Waffengleichheit mit dem Kasachen herzustellen hofft, der sich wie üblich in der Höhenlage von Big Bear in Kalifornien vorbereitet.

Der große und vermutlich entscheidende Unterschied in den körperlichen Voraussetzungen der beiden Boxer besteht jedoch darin, daß dem Mexikaner seit Beginn seiner Profilaufbahn immer wieder die Luft auszugehen pflegte, während der Kasache für seine erstklassige Kondition schon vor Beginn des Trainingslagers bekannt ist. Daß "Canelo" seinen Nachteil mit einem einzigen Höhentrainingslager kompensieren kann, ist eher nicht zu erwarten. Immer in Bestform anzutreten ist bekanntlich nicht die einzige Stärke Golowkins. Er hat von 2008 bis Anfang 2017 alle Gegner vorzeitig besiegt und ist für seine Trefferwirkung gefürchtet. Das war der entscheidende Grund, warum Saul Alvarez den Schlagabtausch tunlichst vermieden und sich statt dessen durch unablässige Ausweichmanöver aus der Affäre gezogen hat.

Nach den Worten des Präsidenten der Golden Boy Promotions, Eric Gomez, war es außerordentlich schwierig, sich auf einen Austragungsort zu einigen. Tom Loeffler forderte einen neutralen Ort wie New York oder notfalls Dallas, um nicht schon wieder in Las Vegas vor dem Heimpublikum "Canelos" antreten zu müssen. Dessen Promoter setzte jedoch wie erwartet die Revanche in der T-Mobile Arena durch, da er in den Verhandlungen definitiv am längeren Hebel saß. Saul Alvarez ist aufgrund seiner enormen Popularität unter den Landsleuten beiderseits der Grenze bislang die größte Zugnummer der Branche, sieht man einmal von Floyd Mayweather ab, der seine Karriere eigentlich längst beendet hat. Mayweather wird keine regulären Boxkämpfe mehr bestreiten, scheint aber mit einer Revanche gegen Connor McGregor zu liebäugeln, nachdem sich ihr erstes Duell als höchst einträglich erwiesen hat.

Davon abgesehen konnte "Canelo" als finanzieller Platzhirsch die Konditionen diktieren, was unter anderem dazu führte, daß er Golowkin gut zwei Jahre unter offenkundigen Ausflüchten aus dem Weg ging. Als die Stimmung im zahlungskräftigen Publikum schließlich zu kippen drohte und das Wort immer häufiger die Runde machte, der Mexikaner habe Angst vor dem Kasachen, sah sich Oscar de la Hoya zu einer Kehrtwende gezwungen. Den Ausschlag dürfte wohl Golowkins Punktsieg gegen Daniel Jacobs im Januar 2017 gegeben haben, bei dem der Weltmeister erstmals seit fast neun Jahren wieder über die volle Distanz boxen mußte. Nun mehrten sich Stimmen, die dem Kasachen schwindende Fähigkeiten nachsagten und ihn für besiegbar hielten. Das dürfte auch De la Hoya und Saul Alvarez bewogen haben, ihre Flucht in der Hoffnung zu beenden, Golowkin entzaubern zu können.

Das ging zwar schief, da der Champion die Mehrzahl der Runden für sich entscheiden konnte, doch rettete das Punktgericht "Canelo" Kopf und Kragen. Der Mexikaner ist für Las Vegas ein durchaus relevanter Wirtschaftsfaktor, da seine Auftritte sehr viele Menschen in die Stadt bringen, die ihr Geld nicht nur beim Boxen ausgeben, sondern auch in die Hotels und Casinos tragen. Daß er aus Sicht vieler Geschäftsleute in der Spielerstadt nicht verlieren durfte, lag auf der Hand. Alle weiteren Erwägungen bleiben mangels konkreter Anhaltspunkte Spekulation. Wenngleich eine gezielte Manipulation nicht restlos auszuschließen ist, fehlt es dafür an Beweisen, zumal auch andere Erklärungen des an sich unerklärlichen Fehlurteils denkbar sind.

Wenn einzelne Punktrichter einen völlig anderen Kampf gesehen zu haben scheinen als die Mehrzahl der Zuschauer insbesondere vor dem heimischen Bildschirm, muß das nicht zwangsläufig auf einen gezielt plazierten Heimbonus für den Lokalmatador zurückzuführen sein. Selbst erfahrene Ringrichter neigen des öfteren zu bestürzenden Fehlern, wenn sie Aktionen übersehen oder falsch werten, die aus der Sofaperspektive oder gar in Zeitlupe sonnenklar wirken. Wie dem Referee entgehen kann, was er aus nächster Nähe verfolgt, läßt sich auch das Gefühl des Punktrichters nicht selten von der Stimmung im Publikum täuschen. Wenn die Menschenmenge in Begeisterung ausbricht, vermeint man Treffer zu sehen, wo die Schläge auf der Deckung landen, oder verbucht eine Überlegenheit, obgleich die verzweifelte Zuschauerschaft ihren schwächelnden Favoriten lediglich lautstark in die Pause retten wollte. [1]

Jedenfalls ist Tom Loeffler gut beraten, nach der kaum zu vermeidenden Schlappe bei der Bestimmung des Austragungsorts zumindest die Auswahl der Kampfrichter gründlich unter die Lupe zu nehmen und im Zweifelsfall zu monieren. Hätte Golowkin den ersten Kampf auch offiziell gewonnen, wäre sein Team in einer ungleich besseren Verhandlungsposition. Statt dessen muß sein Promoter abermals aus der Defensive agieren. Wie Loeffler versichert, werde er diesmal sehr viel genauer prüfen, wer am Ende die Punktzettel ausfüllt. Ob es ihm tatsächlich gelingt, die von der zuständigen Sportkommission von Nevada bestimmten Offiziellen im Zweifelsfall austauschen zu lassen, steht freilich auf einem anderen Blatt. Wie Gennadi Golowkin dazu anmerkt, sei es schon passend, daß die Revanche an den Tatort des Verbrechens zurückkehre. Diesmal werde es kein Drama um eine Punktwertung geben. Er habe den ersten Kampf gewonnen und den Ring mit all seinen Gürteln als Weltmeister verlassen. Er werde auch den zweiten Kampf gewinnen und diesmal keinen Platz für absurde Wertungen lassen. [2]


Fußnoten:

[1] www.boxingnews24.com/2018/02/loeffler-lets-see-runner-canelo-continues-favor-t-mobile-ggg-beats/#more-257664

[2] www.boxingnews24.com/2018/02/loeffer-scrutinize-canelo-golovkin-2-officials-closely/#more-257643

23. Februar 2018


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