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MELDUNG/2245: Schwergewicht - um große Worte nie verlegen ... (SB)



Tyson Fury kehrt in den Ring zurück

Der ehemalige Weltmeister Tyson Fury kehrt nach langer Abwesenheit am 9. Juni in der Manchester Arena in den Ring zurück. Wie sein neuer Promoter Frank Warren mitteilte, werde der in 25 Auftritten ungeschlagene Schwergewichtler drei oder vier Aufbaukämpfe bestreiten, bevor er sich mit den besten Akteuren der Königsklasse messen wolle. Noch steht der nächste Gegner nicht fest, doch dürfte es auf jeden Fall keine allzu anspruchsvolle Aufgabe sein. Fury, der in Kürze 30 Jahre alt wird, hat seit dem Sieg über Wladimir Klitschko im November 2015 keinen Kampf mehr bestritten und nicht gerade eine spartanische Lebensweise gepflegt.

Dem Vernehmen nach ist es ihm jedoch gelungen, seit Wiederaufnahme des Trainings rund 45 kg leichter zu werden, so daß er bei einer imposanten Größe von 2,06 m derzeit ungefähr 115 kg auf die Waage bringt. Ob er körperlich in einer Verfassung ist, die es ihm erlaubt, in einer so strapaziösen Disziplin wie dem professionellen Boxsport mitzumischen, wird sich erweisen. Dem Munde nach hat Fury die höchsten Ränge nie verlassen und sich schon vor Monaten für einen Titelkampf gegen seinen britischen Landsmann Anthony Joshua ins Gespräch gebracht. Inzwischen hat jedoch allseits eine realistischere Sicht Einzug gehalten, und so dürfte die Ankündigung Frank Warrens nirgendwo Überraschung auslösen, daß man sich erst wieder an die Spitze herantasten müsse.

Der 47 Jahre Shannon Briggs ist kein Thema für das Comeback in Manchester, soll aber zu einem späteren Zeitpunkt an die Reihe kommen. Der US-Amerikaner hat sich seit längerem darauf verlegt, britischen Schwergewichtlern nachzustellen und sie medienwirksam herauszufordern. Zuletzt bot er sich Tyson Fury an, der jedoch ungeachtet des Altersunterschieds Vorsicht walten läßt. Briggs hat sich seit geraumer Zeit auf Körpertreffer spezialisiert und damit nicht allzu anspruchsvolle Gegner in Serie binnen zwei Runden auf die Bretter geschickt. Mit ihm ist also nach wie vor nicht zu spaßen, wenngleich auch er seit längerem keinen Kampf mehr bestritten hat.

Wie Tyson Fury nun verkündet, müsse sich jeder, der zum führenden Schwergewichtler seiner Zeit aufsteigen wolle, erst einmal mit ihm messen und ihn besiegen. Er habe seine Titel nicht im Ring, sondern aufgrund persönlicher Probleme verloren, worauf sich andere ihrer bemächtigt hätten. Diese Version der Ereignisse ist zwar nicht falsch, verkürzt aber den Verlauf auf fast schon unzulässige Weise. Jedenfalls gibt es derzeit die drei Weltmeister Anthony Joshua (WBA, WBO, IBF), Deontay Wilder (WBC) und im zweiten Rang Manuel Charr (regulärer Weltmeister der WBA), wobei Fury der Sinn einzig und allein nach Joshua steht. Das ist verständlich, da er im Falle einer Herausforderung Wilders sehr viel weniger Geld verdienen, aber heftige Prügel beziehen würde. Charr hat einen geringeren Bekanntheitsgrad und trägt einen Gürtel von minderer Bedeutung.

Jedenfalls sollte man sich von der Erwartung verabschieden, Fury bei seinem Comeback in einer ähnlich guten Form wie bei seinem sensationellen Sieg über Klitschko zu sehen. Er war damals nicht nur jünger, sondern bestritt auch regelmäßig zwei Kämpfe pro Jahr, ohne zwischendurch überlange Pausen einzulegen. Nach zweieinhalb Jahren ohne Auftritt hätte wohl jeder Boxer Probleme, sofort wieder Tritt zu fassen und konditionell mitzuhalten. Zudem dürften die psychischen Probleme, mit denen sich der frühere Champion auseinanderzusetzen hatte, ihre Spuren hinterlassen haben. Wie Fury dazu anmerkte, sei sein vorübergehender Rückzug notwendig gewesen. Jetzt fühle er sich jedoch wieder frisch und zu einem Neubeginn bereit. [1] Der König kehre zurück, um sich wiederzuholen, was ihm rechtmäßig zusteht. Ihn erwarte eine interessante Reise mit faszinierenden Herausforderungen, auf der er all seinen Fans etwas bieten wolle.

Wenngleich sich Tyson Fury seit dem Sieg über Wladimir Klitschko selbst auf die Schulter klopft und zum besten Schwergewichtsboxer der Welt erklärt, war er zeit seiner Karriere weit davon entfernt, ein überragender oder auch nur attraktiver Akteur zu sein. Er bewegte sich im Ring viel umher, lehnte sich über die Seile weit nach hinten und nutzte seine Größe, um dem Gegner auszuweichen. Seine Schläge waren für einen Boxer seiner Statur ausgesprochen schwach, und so walzte er die stets körperlich unterlegenen Kontrahenten eher nieder, als daß er sie dank der Wucht seiner Treffer von den Beinen geholt hätte. Kontrahenten wie Dereck Chisora, Steven Cunningham, Joey Abell, Kevin Johnson oder Christian Hammer kamen einfach nicht an ihn heran. Suchte Fury jedoch wie im Falle Cunninghams nicht rechtzeitig das Weite, wäre er fast auf den Brettern gelandet, worauf man ihm auch noch ein Glaskinn attestierte. Im Grunde war der Riese ein langweiliger Boxer, dessen Kampfesweise man wohlwollend als unkonventionell bezeichnen konnte.

Sein einzig gefährlicher Gegner war Wladimir Klitschko, der jedoch im November 2015 weit unter seinen Möglichkeiten kämpfte. Der Ukrainer war damals bereits 40 Jahre alt und hatte schon zuvor sichtlich nachgelassen. Dennoch wäre Fury gescheitert, hätte Klitschko nur einfach geschlagen und ihn dabei dann und wann getroffen. Statt dessen lief ihm der Ukrainer nur nach oder stand wie paralysiert herum, als habe er vergessen, wie man die Fäuste benutzt. Wladimir Klitschko schien in erstklassiger körperlicher Verfassung, aber mental völlig von der Rolle zu sein, zumal er auch die drängenden Anweisungen seiner Ecke, er müsse unbedingt häufiger schlagen, auf ganzer Linie ignorierte. Erklärungsversuche für dieses absonderliche Verhalten gibt es viele, wobei der Ukrainer später mit einem ausgezeichneten Auftritt gegen Anthony Joshua gezeigt hat, wie viel noch in ihm steckt.

Fury wedelte mit dem Jab vor Klitschkos Gesicht herum, schlug Löcher in die Luft und wenn er das statische Ziel ab und zu traf, blieben seine Schläge weitgehend wirkungslos. In einem Kampf zweier enttäuschender Kandidaten war er an diesem Abend in Düsseldorf der etwas weniger schlechte und wurde deshalb zur allgemeinen Überraschung neuer Weltmeister diverser Verbände. Hätte Klitschkos langjähriger Trainer Emanuel Steward noch gelebt, wäre das nicht passiert. Im Grunde hat der Ukrainer sich selbst geschlagen, worauf Fury der Erfolg zu Kopf stieg und er sich göttergleich auf dem höchsten Gipfel wähnte. [2]

Wie er nun verkündet, sei er fitter denn je, verfüge über noch bessere Reflexe als früher und nähere sich dem Höhepunkt seiner Karriere. Alle aktuellen Weltmeister hätten gravierende Schwächen und seien zu besiegen, erweckt er den Eindruck, als sei er gekommen, um dies unter Beweis zu stellen. Daß er auf diese Weise Werbung in eigener Sache macht, ist ihm nicht zu verdenken, zumal er in gewisser Weise als tragische Figur durchaus Sympathien weckt. Auch dürfte der Überschwang seiner Äußerungen nach wie vor in gewissem Maße den Schwankungen seiner Gemütsverfassung unterworfen sein, mit denen zu kämpfen sich als langwierige Aufgabe erweisen könnte.

Realistisch gesehen wird Tyson Fury einige mehr oder minder schwache Gegner aus dem Weg zu schaffen, um womöglich irgendwann einen Kampf gegen Anthony Joshua zu bekommen. Dabei könnte er mehr als genug verdienen, um die Boxhandschuhe endgültig an den Nagel zu hängen und das Leben in vollen Zügen zu genießen. Bis dahin wird er noch für manche Unterhaltung sorgen und insbesondere den Part übernehmen, das Duell mit Joshua herbeizureden und aufzuwerten. Daß sich an seiner Kampfesweise etwas verändern oder gar verbessern wird, ist eher nicht zu erwarten.


Fußnoten:

[1] www.boxingnews24.com/2018/04/tyson-fury-to-take-tune-up-level-opponent-on-june-9/#more-260904

[2] www.boxingnews24.com/2018/04/tyson-fury-ready-for-comeback-signs-with-warren/#more-260892

14. April 2018


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