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MELDUNG/2250: Weltergewicht - Kurzarbeit in Liverpool ... (SB)



Amir Khan braucht nur 39 Sekunden für Phil Lo Greco

Amir Khan hat mit Phil Lo Greco kurzen Prozeß gemacht. In der Liverpooler Echo Arena brauchte der britische Weltergewichtler nur 39 Sekunden, um seinen überforderten kanadischen Gegner außer Gefecht zu setzen. Der Kampf hatte kaum begonnen, als der Außenseiter nach einem linken Haken, gefolgt von einer Rechten, zu Boden gehen mußte. Als sich der Kanadier wieder aufraffte, schüttelte er den Kopf, augenscheinlich verwirrt angesichts der Schnelligkeit des Lokalmatadors. Khan setzte sofort mit weiteren Schlägen nach, bis ein rechter Uppercut den Kontrahenten in die Seile stürzen ließ, worauf Ringrichter Victor Loughlin abwinkte. Während der Brite seine Bilanz auf 32 Siege und vier Niederlagen ausbaute, stehen für seinen Gegner nunmehr 28 gewonnene und vier verlorene Auftritte zu Buche. [1]

Der 31jährige Khan, ehemals Weltmeister im Halbweltergewicht, hatte bei seinem letzten Auftritt eine herbe Niederlage bezogen. Im Mai 2016 trat er in Las Vegas gegen den Mittelgewichtler Saul "Canelo" Alvarez an, der ihn mit einem Volltreffer auf die Bretter schickte. Danach unterzog sich der Brite einer Operation an der rechten Hand, reiste viel und trat bei der britischen Reality Show "I'm a Celebrity ... Get Me Out of Here!" an, die zwei Wochen lang von bis zu 10 Millionen Zuschauern täglich im Fernsehen verfolgt wurde. Vor seiner Rückkehr in den Ring nach fast zwei Jahren und dem ersten Auftritt vor britischem Publikum seit fünf Jahren hatte Khan erklärt, er sei wieder im Geschäft und werde die Zuschauer beeindrucken. Das ist ihm auf spektakuläre Weise gelungen, wenngleich die Qualität des Gegners und damit die Bedeutung dieses Erfolgs auf einem anderen Blatt steht. [2]

Offensichtlich schlägt Khan immer noch so schnell und mit beträchtlicher Wucht wie in der Vergangenheit. Shawn Porter hatte vor fünf Jahren zehn Runden und Errol Spence im Juni 2015 drei Durchgänge gebraucht, um Phil Lo Greco zu besiegen. Daß dem Briten dieses Kunststück noch schneller gelungen ist, will jedoch nicht besagen, daß er stärker als der amtierende IBF-Weltmeister Spence einzuschätzen sei. Als der US-Amerikaner gegen Lo Greco antrat, war der Kanadier 33 Jahre alt und in guter körperlicher Verfassung. In Liverpool trat der Außenseiter jedoch nach einer langen Pause vom aktivem Boxsport an und erweckte dabei den Eindruck, er habe es im Trainingslager gerade noch geschafft, wenigstens die vereinbarte Gewichtsgrenze nicht zu überschreiten.

Für einen prominenten Kandidaten, der wie Amir Khan einen Titelkampf anstrebt, war der Kanadier kein ernstzunehmender Prüfstein, auch wenn ihn Promoter Eddie Hearn im Vorfeld zu einer gefährlichen Aufgabe hochstilisiert hatte. "Khan ist zurückgekehrt", sprach der Brite hinterher von sich in der dritten Person, als sei er ein Markenzeichen. Er habe den Trainer gewechselt und sich auf einen Kampf über zwölf Runden vorbereitet, aber den Gegner dank seiner Schnelligkeit und der ausgezeichneten Koordination der Hände augenblicklich in die Schranken gewiesen. Auf diese Weise habe er den Erwartungen des Publikums, das ihn wiedersehen wollte, entsprochen und mit einem gefährlichen Kontrahenten wie Lo Greco kurzen Prozeß gemacht.

Phil Lo Greco als gefährlich zu bezeichnen, strapaziert das Urteilsvermögen des Boxpublikums über Gebühr, wenngleich der Freudentaumel eingefleischter Fans natürlich nicht gerade für eine nüchterne Einschätzung bekannt ist. Der Kanadier ist langsam und wenig robust, kurzum ein ideales Opfer für Amir Khan, der insbesondere von der Schnelligkeit seiner Schläge profitiert. Wollte der Brite tatsächlich beweisen, daß er nach wie vor in den höchsten Rängen des Weltergewichts mitmischen kann, müßte er sich schon mit Kalibern wie Shawn Porter oder Danny Garcia messen, von den Weltmeistern Keith Thurman (WBA/WBC), Errol Spence (IBF) oder Jeff Horn (WBO) ganz zu schweigen, wobei Horn seinen Titel vermutlich am 9. Juni im Kampf gegen Terence Crawford verliert.

Da der Auftritt in Liverpool Khans erste Bewährungsprobe seit langem war, sollte man die Latte der Ansprüche aber nicht zu hoch hängen, auch wenn er das selber unablässig so handhabt. Hatte er kürzlich noch erklärt, er könne es mit Errol Spence aufnehmen, so kündigte er nach seinem Sieg abermals ein Duell mit seinem britischen Landsmann Kell Brook an, das ihrer beider Promoter Eddie Hearn noch vor Ende des Jahres über die Bühne bringen möchte. Brook habe schon viel zu lange von seinem Namen gezehrt, so Amir Khan. Er selbst habe bei Matchroom unterschreiben, um sich auf die Jagd zu machen, Brook zu stellen und ihn zu besiegen.

Hearn sparte nicht mit Komplimenten, habe Khan doch die Frage eindrucksvoll beantwortet, ob er immer noch so schnell wie früher sei. Er werde bedeutende Kämpfe im Vereinigten Königreich bekommen, vor allem aber ein Duell mit Kell Brook. Der Promoter wollte diesen Kampf bereits 2016 und 2017 auf die Beine stellen, was jedoch aus verschiedenen Gründen scheiterte. Brook, der früher IBF-Champion im Weltergewicht war, tritt inzwischen im Halbmittelgewicht an, weshalb beim geplanten Aufeinandertreffen mit Amir Khan eine spezielle Gewichtsgrenze vereinbart werden dürfte.

In sportlicher Hinsicht ist ein Kampf zwischen Khan und Brook durchaus anspruchsvoll, aber keineswegs das alles überragende Duell in dieser Gewichtsregion. Errol Spence hat Kell Brook im Mai 2017 vor dessen Heimpublikum auf die Knie gezwungen und damit für klare Verhältnisse gesorgt. Wollte sich Brook im Halbmittelgewicht beweisen, müßte er sich dort mit Jarrett Hurd oder Jermell Charlo messen. Demgegenüber wirkt Amir Khan wie eine wesentlich leichtere Aufgabe, was auch umgekehrt gilt.

Khan, der einen Vertrag über drei Kämpfe mit Eddie Hearn abgeschlossen hat, spricht von riesigen Arenen, die er mit seinen Auftritten in England füllen will. Er wolle gegen die Besten antreten und wiederum Weltmeister werden, weswegen man sich mit Kell Brooks Team zusammensetzen und Nägel mit Köpfen machen werde. Brook ist zwar weder der bestmögliche Gegner noch Weltmeister, doch verspricht ihr Duell Einkünfte zu generieren, wie sie nur von Anthony Joshuas Auftritten im Schwergewicht übertroffen werden. Es handelt sich um einen der attraktivsten Kämpfe, die Hearn derzeit für das britische Publikum inszenieren kann. Khan könne in den Dschungel gehen und Stars nachjagen, spielte der Promoter auf den Ausflug seines Boxers in flache Fernsehunterhaltung an. "Aber wenn er zu mir kommt, wird er nach den Sternen greifen", stellte Eddie Hearn wie so oft sein Talent unter Beweis, die Verhältnisse nach seinen Maßgaben zu definieren und die einheimische Fangemeinde zu euphorisieren.


Fußnoten:

[1] www.boxingnews24.com/2018/04/amir-khan-vs-phil-lo-greco-results/#more-261457

[2] www.espn.com/boxing/story/_/id/23279563/amir-khan-defeats-phil-lo-greco-39-second-welterweight-bout

22. April 2018


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