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MELDUNG/2258: Mittelgewicht - alle Hände voll zu tun ... (SB)



Daniel Jacobs hat mit Maciej Sulecki mehr Mühe als erwartet

Es bereitete Daniel Jacobs weit größere Mühe als erwartet, Maciej Sulecki in die Schranken zu weisen. Vor heimischem Publikum im Barclays Center in Brooklyn gewann der Favorit den Ausscheidungskampf der WBA im Mittelgewicht nach Punkten (116:111, 117:110, 115:112), blieb dabei aber den Beweis schuldig, der führende Akteur seiner Gewichtsklasse zu sein. Diesen Anspruch hatte er zumindest samt seinem britischen Promoter Eddie Hearn seit Monaten geltend gemacht, was in einschlägigen Kreisen geharnischten Protest auf den Plan rief. Jacobs, für den nun 34 Siege und zwei Niederlagen zu Buche stehen, konnte sich nach seinem Erfolg gegen den zuvor in 26 Auftritten ungeschlagenen Polen bei den Punktrichtern bedanken, die ihm einen in der Höhe nicht gerechtfertigten Vorsprung gutgeschrieben hatten.

Der 28jährige Sulecki schien sich in seiner taktischen Marschroute an Dmitry Pirog zu orientieren, der vorgemacht hatte, wie Jacobs durch unablässigen Druck und harte Schläge zu besiegen ist. Jedenfalls erweckte der Lokalmatador zehn Runden lang den Eindruck, als fühle er sich überhaupt nicht wohl im Ring und fürchte den Kontrahenten. Jacobs ging erst in den beiden letzten Runden souverän zu Werke und erzielte kurz vor Ende sogar einen Niederschlag. Man hätte dem Polen ohne weiteres sechs Runden zusprechen können, zumal er lange der bessere Boxer war. Der New Yorker profitierte letzten Endes von seiner körperlichen Überlegenheit und der Gunst der Punktrichter, die ihm im Zweifelsfall den Zuschlag gaben. [1]

Nach seinem durchwachsenen, aber letztlich erfolgreichen Auftritt räumte Jacobs ein, daß er noch eine Menge mehr zu bieten habe, als ihm an diesem Abend möglich gewesen sei. Er zollte seinem Gegner Respekt, der eben ein zäher Bursche sei und gezeigt habe, daß er in diesen Ring gehört. Da dies nun geschafft sei, gehe es darum, den Weltmeistern die Gürtel abzujagen. [2]

Daniel Jacobs gehört von Größe und Gewicht her im Grunde ins Supermittelgewicht, schafft es aber doch, die Grenze des Mittelgewichts einzuhalten. Er stand in Brooklyn einem Gegner gegenüber, der normalerweise im Halbmittelgewicht antritt. Damit ist eigentlich auch schon alles darüber gesagt, wie die physischen Vor- und Nachteile in diesem Kampf verteilt waren. Wäre Jacobs tatsächlich der beste Mittelgewichtler, müßte er Kaliber wie Sergej Derevjantschenko oder Jermall Charlo besiegen. Jeder der beiden hätte ihn an diesem Abend klar in die Schranken gewiesen. Ohne die Qualitäten des New Yorkers in Abrede zu stellen, rangiert er doch eher hinter Gennadi Golowkin, Charlo und Derevjantschenko, Saul "Canelo" Alvarez und wohl auch Billy Joe Saunders auf dem fünften oder sechsten Platz im aktuellen Mittelgewicht.

Dank des Erfolgs im Ausscheidungskampf ist Daniel Jacobs beim Verband WBA neuer Pflichtherausforderer Golowkins, gegen den er bei ihrem ersten Aufeinandertreffen im März 2017 nach Punkten verloren hat. Insofern wäre es kein Verlust, wenn die Revanche noch einige Zeit auf sich warten ließe, zumal auch andere Kandidaten zum Zuge kommen sollten, die dem Kasachen die Titel abnehmen wollen. Wie Jacobs verkündete, wolle er sich nun auch mit Jermall Charlo messen, was man wohl unter der Rubrik Propaganda verbuchen kann. Promoter Eddie Hearn wird einen Teufel tun und seinen Boxer an Charlo verheizen, wo nun ein erneuter Titelkampf mit dem Kasachen in Aussicht steht. Viel eher ist daher damit zu rechnen, daß er Jacobs bis dahin vergleichsweise leichte Gegner besorgt, die dieser komfortabel besiegen kann.

Allerdings steht Daniel Jacobs beim Sender HBO unter Vertrag, der sicher auf relativ anspruchsvolle Auftritte bestehen wird und bloßes Kanonenfutter kaum akzeptieren dürfte. Zumindest sollten es keine weiteren Halbmittelgewichtler sein, sondern gestandene Akteure seiner eigenen Gewichtsklasse. Sulecki hätte im Hinterhof des Favoriten wohl nur mit einem Niederschlag gewinnen können, wofür ihm schlichtweg die Schlagwirkung fehlte. Auffällig war, daß Jacobs in diesem Kampf einen wesentlich schlechteren Eindruck als gegen Gennadi Golowkin machte, was vor allem darauf zurückzuführen sein dürfte, daß er sich diesmal nicht in erster Linie auf die Defensive beschränken konnte. Gegen den Kasachen ging es vor allem darum, als erster Gegner Golowkins seit 2008 nicht vorzeitig zu verlieren, was Jacobs bekanntlich gelang. Im Kampf mit dem als Außenseiter gehandelten Sulecki ließ sich nicht vermeiden, auch in die Offensive zu gehen, wobei er mehr Treffer einstecken mußte, als ihm lieb sein konnte.

Gennadi Golowkin begnügte sich damit, Jacobs auszuboxen, ohne ihn in die Enge zu treiben und niederzuschlagen. Das rechneten ihm viele Kritiker als taktischen Fehler oder gar Schwäche an, wobei sie nicht berücksichtigten, daß der Kasache ein relativ leichter Mittelgewichtler, Jacobs hingegen erheblich größer und schwerer ist. Offenbar hatten Golowkin und sein Trainer Abel Sanchez beschlossen, kein unnötiges Risiko einzugehen. So lief der New Yorker Runde für Runde weg und landete gelegentlich schnelle Schläge, die dem Kasachen nichts anhaben konnten. Daß Daniel Jacobs seither behauptet, er sei der bessere Boxer gewesen und um den verdienten Sieg betrogen worden, ist absurd.

Wie sich im Kampf mit Maciej Sulecki zeigte, verfügt Daniel Jacobs über keine hochklassige Offensive, sondern setzt auf wuchtige Einzeltreffer. Pirog, Golowkin und im Grunde auch Sulecki haben ihn unter Druck gesetzt und ausgeboxt, was natürlich auch erklärt, warum der New Yorker nicht im Supermittelgewicht antritt, wo er eigentlich hingehört. Dort träfe er auf Kontrahenten wie George Groves oder David Benavidez, die ihm körperlich ebenbürtig sind und gewaltig zuschlagen können, was ihm schlecht bekommen würde. Denn für ein Eisenkinn ist Jacobs eher nicht bekannt.


Fußnoten:

[1] www.boxingnews24.com/2018/04/daniel-jacobs-vs-maciej-sulecki-results/#more-261929

[2] www.espn.com/boxing/story/_/id/23351437/danny-jacobs-decisions-maciej-sulecki-wba-world-middleweight-title-eliminator

2. Mai 2018


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