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MELDUNG/2315: Schwergewicht - dem Jungbrunnen entstiegen ... (SB)



Kubrat Pulew zeigt Hughie Furys Grenzen auf

Kubrat Pulew ist wieder Pflichtherausforderer Anthony Joshuas beim Verband IBF. Der bulgarische Schwergewichtler setzte sich vor heimischen Publikum in Sofia in einem Ausscheidungskampf einstimmig nach Punkten gegen Hughie Fury durch (117:111, 118:110, 115:113). Dabei präsentierte sich der 37jährige Lokalmatador rundum in weit besserer Verfassung als sein dreizehn Jahre jüngerer Gegner, der nur in der ersten un achten Runde klare Akzente setzen konnte. Während für den Bulgaren nun 26 Siege und eine Niederlage zu Buche stehen, hat der jüngere Cousin des früheren Weltmeisters Tyson Fury 21 Auftritte gewonnen und zwei verloren. [1]

Fury ging zu Beginn beherzt zu Werke, griff aggressiv an und brachte seine Rechte mehrfach ins Ziel, bis Pulew kurz vor der Pause eine Kombination landen konnte. In der zweiten Runde gewann der Bulgare die Oberhand und traf schließlich mit einem wuchtigen Jab, der eine offenbar nicht ausgeheilte Rißwunde über dem linken Auge des Briten aufplatzen ließ. Da die Verletzung stark blutete, zog Ringrichter Albert Earl Brown den Arzt zu Rate, der den Cut am Augenlid begutachtete. Nachdem Fury offenbar in der Pause von seinen Betreuern auf den Ernst der Lage eingestimmt worden war, ging er im folgenden Durchgang energisch zu Werke und hinterließ noch einmal einen recht guten Eindruck, wenngleich er keinen nennenswerten Treffer erzielen konnte.

Danach dominierte Pulew, während Fury, dessen Sicht möglicherweise beeinträchtigt war, häufig klammerte. In der fünften Runde ließ sich der Brite mehrmals in die Ecke treiben, wo er dem Gegner eine Falle zu stellen hoffte, was ihm jedoch nicht gelang. Während Fury sein Pulver verschossen zu haben schien, rückte ihm der Bulgare immer wieder zu Leibe, um ihn aus der Nähe mit Schlägen einzudecken. Wenngleich es dem Cutman des Briten gelang, die Blutung zu stoppen, blieb dieser weiter in der Defensive und überließ dem Gegner die Initiative. In der achten Runde gelang es Fury endlich, Pulew mit der Rechten einen harten Treffer zu versetzen, der den Bulgaren erschütterte und zur Vorsicht gemahnte. Im nächsten Durchgang mußte der Brite jedoch mehrere Haken aus nächster Nähe einstecken und schien müde zu werden, worauf Pulew seinen Vorsprung sicher nach Hause boxen konnte. [2]

Schon beim Wiegen am Vortag hatte sich abgezeichnet, daß Kubrat Pulew vom äußeren Erscheinungsbild her bestens vorbereitet war und frischer als sein wesentlich jüngerer Gegner wirkte. Wenngleich es keiner Glanzleistung bedurfte, um Fury in die Schranken zu weisen, arbeitete der Bulgare systematisch mit seinem ausgezeichneten Jab, kombinierte flüssig und schlug gefährliche Haken. An seinem Sieg gab es nichts zu rütteln, was den Briten jedoch nicht daran hinderte, bei Verkündung der Wertung verärgert und enttäuscht zu reagieren. Er hatte jedoch bereits in der zweiten Runde seine anfängliche Linie verloren, den Jab kaum noch eingesetzt und sich auf wilde Schwinger verlegt, die Pulew im Ansatz erkannte, so daß er selten getroffen wurde.

Wenngleich die frühzeitige Rißwunde den Briten aus dem Konzept brachte, fällt es doch schwer, den Kampfverlauf vor allem darauf zurückzuführen, wie dies sein Vater und Trainer Peter Fury in einer ersten Stellungnahme tat. Der Cut habe ihn sehr beeinträchtigt, erklärte auch Hughie Fury. Dennoch habe er sein Bestes gegeben, zwölf Runden durchgehalten und dem Gegner alles abverlangt. Der Brite bot insofern eine ansprechende Vorstellung, als er sich nicht wie bei früheren Kämpfen nur durch Weglaufen oder Klammern aus der Affäre zu ziehen versuchte. Andererseits zeichneten sich die Grenzen seiner boxerischen Möglichkeiten deutlich ab, die schlichtweg nicht ausreichen, um an der Weltspitze mitzuhalten. So bezog er die zweite Niederlage binnen eines Jahres, nachdem er im September 2017 gegen den damaligen WBO-Weltmeister Joseph Parker aus Neuseeland nach Punkten verloren hatte. Im Mai schickte Fury seinen britischen Landsmann Sam Sexton mit einem jener Schwinger auf die Bretter, die er bei Kubrat Pulew nur selten landen konnte. Was bei schwächeren Kontrahenten auf nationaler Ebene funktionieren mag, bringt hochklassige Kandidaten kaum in Verlegenheit.

Kubrat Pulew war bereits im vergangenen Jahr beim Verband WBA Pflichtherausforderer Anthony Joshuas und sollte im Oktober 2017 gegen den Weltmeister antreten. Er zog sich jedoch zehn Tage vor dem Kampftermin eine Verletzung am Arm zu, die seinen Auftritt verhinderte. An seiner Stelle stieg Carlos Takam am 28. Oktober in Cardiff in den Ring und mußte sich Joshua in der zehnten Runde geschlagen geben. Ob es dem Bulgaren im zweiten Anlauf gelingt, sich doch noch mit dem populären Champion zu messen und eine stattliche Börse einzufahren, ist keineswegs sicher. Anthony Joshua trifft am 13. April im Londoner Wembley-Stadion voraussichtlich auf Dillian Whyte und im Herbst auf Jarrell Miller oder Deontay Wilder. [3]

Natürlich könnte die IBF darauf drängen, daß Joshua diesen Titel gegen den Bulgaren verteidigt, doch gilt das als wenig wahrscheinlich. Eher schon wäre die WBO am Zuge, indem sie Dillian Whyte zu ihrem Pflichtherausforderer erklärt. Das letzte Wort haben jedoch Anthony Joshua und sein Promoter Eddie Hearn, die offenbar dazu neigen, Deontay Wilder aus dem Weg zu gehen, obgleich die Fangemeinde seit langem einen Kampf gegen den WBC-Champion einfordert. So gesehen ist nicht ganz ausgeschlossen, daß Kubrat Pulew im September oder Oktober 2019 doch den Zuschlag erhält, sofern ihn das britische Gespann für eine lösbare Aufgabe erachtet. Vorerst scheint aber der US-Amerikaner Jarrell Miller die besseren Karten zu haben, da er bei Eddie Hearns Matchroom Boxing USA unter Vertrag steht. Der Promoter behielte in diesem Fall den Kampf vollständig in seiner Hand, was ihm langwierige Verhandlungen ersparen würde. Miller dürfte bis dahin natürlich nicht verlieren, sollte aber andererseits auch keinen allzu gefährlichen Eindruck machen, um Joshua und Hearn bei ihrer sorgsamen Karriereplanung nicht zu verprellen. Kubrat Pulew muß sich jedenfalls wie schon so oft in seiner Karriere in Geduld üben.


Fußnoten:

[1] www.boxingnews24.com/2018/10/kubrat-pulev-defeats-hughie-fury-results/

[2] www.espn.com/boxing/story/_/id/25098773/kubrat-pulev-defeats-hughie-fury-points-victory-becomes-number-one-contender-anthony-joshua-ibf-title

[3] www.boxingnews24.com/2018/10/kubrat-pulev-now-anthony-joshuas-ibf-mandatory/

30. Oktober 2018


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