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MELDUNG/2323: Schwergewicht - Kurs auf Revanche angelegt ... (SB)



Deontay Wilder steuert Rückkampf gegen Tyson Fury an

Im Gespräch mit Sky Sports News hat der britische Schwergewichtler Anthony Joshua unterstrichen, daß er bereit sei, sich mit seinem US-amerikanischen Rivalen Deontay Wilder zu messen. Alle Welt fordere diesen Kampf, dessen Zustandekommen von der Zusage des WBC-Champions abhinge. Der in 22 Auftritten ungeschlagene Brite ist Weltmeister der Verbände WBA, WBO und IBF, so daß ihm nur noch Wilders Gürtel fehlt, um die Sammlung zu komplettieren und sich unangefochten an die Spitze der Königsklasse zu setzen. Dasselbe gilt umgekehrt natürlich auch für den US-Amerikaner, der 40 Siege und ein Unentschieden vorzuweisen hat. Joshua hat für seinen nächsten Auftritt am 13. April 2019 das 90.000 Zuschauer fassende Londoner Wembley-Stadion gebucht.

Angesichts der zu erwartenden Einkünfte aus dem Verkauf der Eintrittskarten und mehr noch den Buchungen im Pay-TV wie auch der Beteiligung ausländischer Sender wird dieser Kampf sehr viel Geld einspielen. Anthony Joshua und sein Promoter Eddie Hearn beanspruchen jedoch den Löwenanteil für sich und bieten Wilder keine prozentuale Beteiligung, sondern lediglich ein Pauschale an. Soweit bekannt, beläuft sich diese auf 15 Millionen Dollar, und sollte Hearn sie nicht wesentlich erhöht haben, wäre dies unannehmbar für den US-Amerikaner, da mit Gesamteinnahmen von weit über 100 Millionen Dollar zu rechnen ist. Obgleich Wilder ebenfalls Weltmeister ist, den international angesehensten Titel trägt und wesentlich mehr Kämpfe als Joshua gewonnen hat, würde er mit einem Anteil abgespeist, der unter dem eines Pflichtherausforderers läge.

Man kann davon ausgehen, daß der britische Promoter seine goldene Gans von Deontay Wilder fernhalten will, weil er ihn für zu gefährlich einschätzt. Um diesen Verdacht nicht zu bestätigen, was rufschädigend für Joshua wäre, hält er ein inakzeptables Angebot vor, so daß er Wilder die Schuld geben kann, wenn dieser die Offerte nicht annimmt. Eddie Hearn bevorzugt Dillian Whyte als Gegner, der nach seinen Worten eine 80prozentige Chance habe, das Rennen zu machen. Sollte er mit Wilder oder Whyte nicht handelseinig werden, wäre Jarrell Miller die drittbeste Wahl, wobei der Kampf dann in New York ausgetragen würde. Offenbar würden in diesem Fall Amir Khan und Kell Brook im Wembley-Stadion gegeneinander antreten, was zwar international nicht gerade Begeisterungsstürme wachrufen könnte, aber in England die Kassen klingeln ließe. Dieses Duell im Weltergewicht ist seit Jahren im Gespräch und käme im Grunde viel zu spät, da sich beide Akteure auf dem absteigenden Ast ihrer Karriere befinden. Dessen ungeachtet wäre die britische Fangemeinde sicher bereit, tief in die Tasche zu greifen, um dieses Duell der langjährigen einheimischen Rivalen vor Ort, am heimischen Fernsehgerät oder als Live-Stream zu sehen. [1]

Nachdem sich Dillian Whyte am vergangenen Wochenende in der Londoner O2 Arena vorzeitig gegen Dereck Chisora durchgesetzt hatte, stieg Anthony Joshua zu ihm in den Ring. Das macht ein Boxer in der Regel nur zu dem Zweck, den nächsten Kampf zu bewerben. Als ihn das Publikum jedoch mit einem Pfeifkonzert begrüßte, war klar, daß eine definitive Zusage an Whyte das Letzte gewesen wäre, was die Fans hören wollten. Joshua schaltete offenbar schnell um, denn er verweigerte diese Bestätigung, sondern erklärte, Dillian Whyte sei nur die Nummer drei hinter Deontay Wilder und Tyson Fury. Mit dieser Ansage hielt er den Unmut der Zuschauer in Grenzen, während Whyte verständlicherweise erbost reagierte, als er derart vor den Kopf gestoßen wurde. Damit zog sich Joshua aus der Affäre und überließ es seinem Promoter, den Kampf im Rahmen einer künftigen Pressekonferenz anzukündigen.

Aus Perspektive des US-amerikanischen Boxpublikums ist eine Revanche zwischen Anthony Joshua und Dillian Whyte völlig unattraktiv, zumal der Weltmeister ihren ersten Kampf im Jahr 2015 vorzeitig gewonnen hat. Sie würden Jarrell Miller aus New York oder den Kubaner Luis Ortiz allemal vorziehen, wenn es schon nicht Deontay Wilder sein soll. Eddie Hearn hat jedoch neben Joshua auch Whyte und Miller unter Vertrag, was seine Absicht um so nachvollziehbarer macht, einen Kampf gegen Whyte zu arrangieren, bei dem er die volle Kontrolle über die gesamte Vermarktung behält, und im Notfall auf Miller zurückzugreifen, der als gefährlicherer Kontrahent gilt. [2]

Deontay Wilder kommunizierte sicher nicht ohne Schadenfreude, daß ihm durchaus zu Ohren gekommen sei, mit welchen Mißfallenskundgebungen Joshua in der O2 Arena empfangen wurde. Für ihn selbst komme nur eine Revanche gegen Tyson Fury in Frage, von dem er sich am 1. Dezember mit einem Unentschieden getrennt hatte. Wohin er auch reise, sei dieser Rückkampf das Gesprächsthema. Aus seiner Sicht gebe es beim Boxen nur einen Sieger und einen Verlierer, weshalb er ein Unentschieden nicht stehenlassen könne. Die Schwergewichtsszene sei deswegen in Aufruhr, weshalb es töricht wäre, nicht sofort eine Schippe nachzulegen und das Feuer auflodern zu lassen.

Der WBC-Weltmeister legt erklärtermaßen Kurs auf eine umgehende Revanche mit Tyson Fury an, um alle Kritiker zum Schweigen zu bringen, die in dem Briten den Sieger gesehen hatten und von einem Geschenk an Wilder sprechen, das ihm den Titel gerettet habe. Zugleich ließe sich mit einem zweiten Kampf gegen den Briten noch mehr Geld als mit dem ersten verdienen, sofern dieses Eisen geschmiedet wird, solange es heiß ist. Wilder ist insofern nicht auf Anthony Joshua angewiesen und könnte nur dann schwankend werden, wenn ihm Eddie Hearn sehr viel Geld in Aussicht stellen würde, was aber offenbar nicht der Fall ist.

Der 32 Jahre alte WBC-Champion aus Tuscaloosa in Alabama handelt damit im Stile eines Boxers alter Schule, der ein Unentschieden nicht einfach abhakt und weiterzieht. Viele andere Weltmeister würden es einem Erfolg gleichsetzen, den Gürtel behalten zu haben, doch Wilder besteht darauf, in einem zweiten Anlauf die Frage endgültig zu klären, wer von beiden der Bessere sei. Vor mehr als 17.000 Zuschauern im Staples Center in Los Angeles ging der 30jährige Fury zunächst überraschend gut zu Werke und holte einen Punktvorsprung heraus, worauf der drei Jahre ältere Champion in der zweiten Hälfte des Kampfs immer besser mit ihm zurechtkam und Niederschläge in der neunten und zwölften Runde erzielte. Als der Herausforderer in der letzten Runde wie vom Blitz getroffen zu Boden stürzte und sekundenlang reglos liegenblieb, hätte Ringrichter Jack Reiss durchaus auf Abbruch entscheiden können, um den Briten vor gesundheitlichem Schaden zu bewahren. Statt dessen zählte er ihn an, bis Fury plötzlich wieder aufstand, die kurze Überraschungspause aller Beteiligten zur Erholung nutzte und bis zum Schlußgong energisch mitmischte.

Wie geteilt die Meinungen hinterher auch waren, handelte es sich doch um einen der bedeutendsten und zugleich spektakulärsten Kämpfe des Jahres, nach dem man letztlich mit dem Unentschieden zufrieden sein konnte, das die Leistung beider Akteure würdigte und keinen massiv benachteiligte. Wilder hat keinen Gegner gescheut und zuletzt mit Luis Ortiz und Tyson Fury zwei der gefährlichsten Kontrahenten vor den Fäusten gehabt. Er braucht sich daher nicht zu rechtfertigen, daß er Tyson Fury eine Revanche gewähren will und sich nicht mit Joshua abgibt, solange Matchroom Boxing kein akzeptables Angebot vorlegt.


Fußnoten:

[1] www.boxingnews24.com/2018/12/joshua-sends-message-to-wilder-im-ready/

[2] www.boxingnews24.com/2018/12/wilder-rejects-joshua-fight-for-april-prefers-fury-rematch/

26. Dezember 2018


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