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KOMMENTAR/025: IOC will Macht- und Einflußbereich auf die UNO ausdehnen (SB)



Daß das Internationale Olympische Komitee (IOC) gute PR-Arbeit leistet oder Dienste von professionellen Agenturen in Anspruch nimmt, die diese mitunter an Gehirnwäsche gemahnende Arbeit übernehmen, ist bekannt. Als der global operierende Olympiakonzern im Zuge des Bestechungsskandals um die Winterspiele von Salt Lake City ein veritables "Imageproblem" hatte, wurde Anfang 1999 für 1,75 Millionen Dollar kurzerhand die PR-Firma Hill & Knowlton engagiert. Die New Yorker Werbeexperten hatten ihre Effizienz bereits während des zweiten Golfkrieges (1991) für die kuwaitische und zweifelsohne auch für die US-amerikanische Regierung unter Beweis gestellt, als sie die Schockgeschichte in die Welt setzten, eine 15jährige Zeugin namens Nayriah wolle gesehen haben, wie irakische Soldaten Babys aus ihren Brutkästen rissen und auf den Boden schmetterten. Der irakische Diktator Saddam Hussein wurde daraufhin mit Adolf Hitler verglichen, und viele, auch europäische Intellektuelle schlossen sich diesem kriegsfördernden Schnellschuß an. Später kam dann heraus, daß die "Zeugin" die Tochter des kuwaitischen Botschafters war und die Räuberpistole von seiner Regierung finanziert worden war. Der Vollständigkeit halber sei ergänzt, daß die Werber zuvor eine Umfrage bei den US-Bürgern durchgeführt und festgestellt hatten, daß Mord an wehrlosen Kleinkindern sie am meisten entrüstete und daß der Vizepräsident der PR-Agentur, Craig L. Fuller, zuvor Stabschef und Wahlkampfleiter von Präsident George Bush sen. war, der den Krieg gegen den Irak organisiert hat.

Mit Hilfe von Hill & Knowlton vermochte auch das damals schwer unter Beschuß stehende IOC den PR-Krieg insbesondere in den USA, wo neun der elf Sponsoren beheimatet waren, zu seinen Gunsten zu wenden. Kein geringerer als der IOC-Vizepräsident Richard Pound, Chef der internen Ethikkommission, war es, der zusammen mit seinen Kumpanen die berüchtigten PR-Söldner aus New York angeheuert hatte. Für seine wichtige "Schmutzarbeit" (Deutschlandfunk) unter dem damaligen IOC-Chef Juan Antonio Samaranch erntete Pound noch Jahre später bei den Sportjournalisten große Anerkennung.

Getrieben von Politik und Medien, welche die Widersprüche des Hochleistungssports auf die einfache und scheinbar so einleuchtende Formel gebracht hatten, daß in erster Linie das Doping an den Verwerfungen und Auswüchsen des Spitzensports schuld sei, organisierte das IOC nahezu zeitgleich im Februar 1999 auch die erste weltweite Anti-Doping-Konferenz, auf der die Gründung der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) beschlossen wurde. Mit diesem Schachzug brachten sich die hohen Funktionäre weiter aus der Schußlinie öffentlicher Kritik, während sie gleichzeitig das schwächste Glied in der Bezichtigungskette, nämlich den entpolitisierten Athleten, zum Freiwild umfassender Kontroll- und Sanktionsmaßnahmen erkoren. Den "Herren der Ringe" respektive ihren PR-Beratern war es nicht nur gelungen, das Mobilisierungsdogma vom "sauberen Sport" bzw. "Kampf gegen Doping" zum unumschränkten Rechtfertigungsinstrument für die Anwendung repressiver Moral zu machen, an der sich fortan auch die schärfsten IOC-Kritiker gütlich taten, sondern dieses auch als verkaufsträchtiges Markenzeichen eigener Tugendhaftigkeit ins Feld zu führen.

Auch für diese marketingtechnische Weißwäsche steht Richard Pound in persona Pate. War der Industrieanwalt bislang für die milliardenschweren Fernseh- und Marktinggeschäfte im IOC verantwortlich, so wurde er 1998 - man höre und staune - Gründungspräsident der als "unabhängig" deklarierten WADA. "Was wir verkaufen, ist sauberer Sport", erklärte Pound schon bald nach seinem Amtsantritt (welt-online, 15.1.2000), und kein Journalist, der Pound nach seiner Demission als WADA-Chef Ende 2007 nicht als streitbaren Kämpfer für den sauberen Sport huldigte, scherte sich darum, was seine Aussage eigentlich implizierte.

Die Notwendigkeit eines kompromißlosen Anti-Doping-Kampfes "verkaufte" Richard Pound aller Welt so gut, daß die WADA bis heute zu einem Repressionsorgan mutieren konnte, welches den Spitzensportlern ein Leben abverlangt, das dem von Verbrechern auf Freigang gleicht. Kann es eine bessere PR-Strategie von seiten des IOC geben, als sich zur Speerspitze der Repression zu machen und dies auch noch im olympischen Geiste de Coubertins erscheinen zu lassen? Ja, selbst die Sportler glauben zu machen, dies geschehe in Deckung mit den vielgepriesenen olympischen Werten und Idealen?

Aber sicher! Nachdem auch Pounds kongenialer Standesbruder Dr. Thomas Bach, seines Zeichens Vizepräsident des IOC und Chef des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), keinen Hehl mehr daraus macht, daß der Sport in der Vergangenheit "unter zwei Lebenslügen gelitten" habe, "die ihn an den Rand seiner Existenz gebracht haben: Sport hat mit Geld nichts zu tun, und Sport hat mit Politik nichts zu tun. Das ist beides absoluter Unsinn" und zu der Erkenntnis gelangte, "man muss die politischen Implikationen im Auge haben, aber politische Neutralität wahren, soweit es möglich ist" (Morgenpost/Die Welt-online, 13.7.2008), strebt die neue Führungsclique des Olympiakonzerns danach, ihren Macht- und Einflußbereich noch stärker auf politische Entscheidungsgremien von internationalem Rang auszudehnen und administrativ zu verankern. Welche Institution von scheinbarer politischer Neutralität könnte geeigneter sein als die Vereinten Nationen (UNO), deren zentrale Aufgaben die Sicherung des Weltfriedens, die Einhaltung des Völkerrechts, der Schutz der Menschenrechte und die Förderung der internationalen Zusammenarbeit sind?

Nachdem es den PR-Agenten des IOC gelungen ist, das kommerzielle, profitorientierte Unternehmen als "Weltregierung des Sports" in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit zu verankern, treibt sie nun "ihre Neupositionierung als moralische Instanz mit politischer Stimme voran", wie es in einem dpa-Bericht (27.02.2009) über den Antrag des IOC auf einen Beobachterstatus in der UN-Vollversammlung heißt. Sollte den Wirtschaftslobbyisten dieser PR-Coup gelingen und sollten die 192 UN-Mitgliedsstaaten bis Anfang September die Aufnahme des IOC positiv bescheiden, darf die Organisation an sämtlichen Diskussionen im UN-Plenum teilnehmen und in den Komitees an der Ausarbeitung von Resolutionen mitwirken, die der Vollversammlung zur Abstimmung vorgelegt werden. Neben dem gemeinsamen Projekt "olympischer Waffenstillstand", das bislang noch nie verwirklicht wurde, beteiligt sich das IOC auch an anderen Aktivitäten mit UN-Unterorganisationen wie UNESCO, UNEP und UNICEF für Entwicklungshilfe, Erziehung, Umweltschutz und den Kampf gegen Doping.

Sollten die Olympiamacher den Beobachterstatus bekommen, dann hätten sie ihre jahrzehntelang verteidigten "Lebenslügen" zweifelsohne auf ein neues Niveau kollektiver Irreführung gehoben und könnten im legitimatorischen Schatten einer so anerkannten Institution wie der UNO ihre kommerziellen und politischen Ziele vorantreiben. In Zeiten weltweiter Wirtschaftskrisen, wachsender Hunger- und Klimakatastrophen, in denen den Menschen mehr denn je aufgeht, daß die Show der mit staatlichen und privatwirtschaftlichen Geldern großzügig aufgepäppelten Hightech-Vorzeigeathleten rein gar nichts mit ihrer kargen Lebensrealität zu tun hat, und sich politische und gesellschaftliche Krisen ungeahnten Ausmaßes ankündigen, scheint auch das IOC Vorsorge zu treffen, seine Pfründe zu sichern. Noch verfügt der Weltkonzern über Rücklagen von rund 405 Millionen US-Dollar, die sich seit 2001 vervierfacht haben. Genug Geld also für weitere Produkt- und Imagekampagnen zur Stärkung seiner Marktposition, was auf einem begrenzten Absatzmarkt nur heißen kann, daß andere, weniger pompös inszenierte soziale Projekte, auch des Sports, geschwächt und verdrängt werden.

Um Kinder und Jugendliche noch frühzeitiger als bisher als potentielle Olympiakandidaten heranzuzüchten und an systematisches Hochleistungstraining, das teilweise der Arbeit im Frühkapitalismus ähnelt, heranzuführen, sowie als werberelevante Zielgruppe und Konsumenten von morgen zu erschließen, haben die Chef-Olympier beschlossen, 2010 und 2012 erstmals Olympische Sommer- bzw. Winterspiele für 14- bis 18jährige zu veranstalten. Auch hier haben die PR-Berater des IOC ganze Arbeit geleistet. Um die Rekrutierung von Spitzensportlern im Kindesalter gesellschaftlich sakrosankt erscheinen zu lassen - denn sie erfolgt nicht ohne Kritik seitens besorgter Eltern und Lehrer -, wird sie u.a. als globales Mittel gegen "Bewegungsmangel und Fettleibigkeit" (IOC-Präsident Jacques Rogge) verkauft. Auch hier zeigt sich, daß die erfolgreichen PR-Kampagnen immer auf dem aufbauen, was die gesellschaftliche Konsensmaschine gerade als neueste Verhaltens- und Lebensnorm unangreifbar gemacht hat. Sollte es dem IOC gelingen, diese Kampagne auch noch mit wohlklingenden UNO-Projekten zu verkoppeln, besiegelt mit sport- und sozialwissenschaftlichen Gütestempeln, wer würde da noch den geringsten Zweifel am weltumspannenden Olympismus hegen?

5. April 2009