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BERICHT/005: Alles nur Komödie (idw)


Julius-Maximilians-Universität Würzburg - 12.03.2012

Alles nur Komödie


Sie boten Pomp, Akrobatik, Komik, Belehrung und Rührung: deutschsprachige Komödien aus dem 18. Jahrhundert. Die Germanistin Dr. Katrin Dennerlein nimmt diese Werke intensiver unter die Lupe. Und wurde damit in das Förderkolleg der Bayerischen Akademie der Wissenschaften aufgenommen.

Im 18. Jahrhundert eine Komödie anzusehen war ein sinnliches Vergnügen, das fast immer von Musik begleitet war. Dabei konnten die Stücke auch ziemlich wüst sein: Mit Abstand den meisten Erfolg hatten sie, wenn ein Hanswurst oder Harlekin auftrat, der verfressen, faul und geldgierig war und mit seinen ebenso derben wie drastischen Witzen einem heutigen Comedian wie Ingo Appelt in Nichts nachgestanden haben dürfte.

Und trotzdem: "Komödien aus dieser Zeit vor 1800 sind uns heute sehr fremd. Der Großteil von ihnen ist längst vergessen", sagt Katrin Dennerlein. Die 34-Jährige ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Computerphilologie und Neuere deutsche Literaturgeschichte der Universität Würzburg und reist derzeit für ihr aktuelles Forschungsprojekt kreuz und quer durch Deutschland.

"Das Komische in der deutschsprachigen Komödie des 18. Jahrhunderts. Erscheinungsformen und Funktionswandel": So lautet der Titel ihres Projekts. Damit wurde sie jetzt in das Förderkolleg der Bayerischen Akademie der Wissenschaften berufen - als eine von sechs exzellenten jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern.


Theater im 18. Jahrhundert

Theaterbesuche im 18. Jahrhundert sind mit den heutigen nicht zu vergleichen. Gut ausgestattete Häuser mit einem festen Ensemble und einem sicheren Etat gab es erst gegen Ende des Jahrhunderts. Theater, Schauspiel, Komödien fanden in der Hauptsache in drei Erscheinungsformen statt: "Es gab zum einen die Höfe, an denen hauptsächlich Opern und Singspiele gespielt wurden, die vor allem historische und mythologische Stoffe aufgriffen", sagt Dennerlein. In der Regel waren diese Aufführungen nicht öffentlich, sondern den Mitgliedern des Hofes vorbehalten. Nur wenn denen das Geld auszugehen drohte, ließen sie sich eventuell dazu herab, den Besuch auch dem Bürgertum zu gestatten - selbstverständlich gegen Eintritt.

Wanderbühnen bildeten die zweite Säule des Theatergeschehens im 18. Jahrhundert. "Sie zogen von Ort zu Ort und versuchten in den Städten eine Konzession möglichst zu der Zeit zu bekommen, in der Messen und Märkte stattfanden", sagt die Literaturwissenschaftlerin. Dann waren viele Menschen unterwegs; dann saß das Geld vermutlich ein bisschen lockerer als sonst. Mit Theaterzetteln - heute würde man Flyer dazu sagen - machten die Truppen Werbung für ihre Auftritte.

Und daneben existierte das Schultheater der Jesuiten, das sich antiken und biblischen Stoffen widmete. Seinen Ursprung hat es in der Gegenreformation und in dem Versuch, dem sehr erfolgreichen protestantischen Schultheater etwas entgegen zu setzten. Ursprünglich dienten Schultheater dazu, Schülern Latein nahe zu bringen; im Laufe des 18. Jahrhunderts setzte sich aber Deutsch als Aufführungssprache durch.

Literaturkomödien einer Luise Gottsched, eines Johann Elias Schlegel, eines Lessing oder Lenz, die wir heute in den Literaturgeschichten finden, machten nur einen winzigen Bruchteil der Produktion aus und wurden mit vergleichsweise geringem Erfolg aufgeführt. Dennoch waren diese und die theoretischen Überlegungen in ihrem Umkreis wichtig für die weitere Geschichte der Komödie.

Theaterzettel sind heute eine wichtige Quelle für Katrin Dennerleins Forschung. Sie verraten ihr, welche Bühne wann und wo gastierte; sie geben Auskunft darüber, welche Stücke auf dem Spielplan standen. Denn mit den Stücken ist es nicht gerade einfach: in gebundener Form, wie eine Gesamtausgabe der Werke Shakespeares, lassen sie sich jedenfalls häufig nicht bestellen.

"In der Regel lagen die Texte nicht in gedruckter Form vor. Und jede Wandertruppe war tunlichst darauf bedacht, eigene Stück nicht an Dritte weiterzugeben", sagt Dennerlein. Die Angst vor unerlaubten Kopien ging häufig sogar soweit, dass nicht einmal die Schauspieler selbst den gesamten Text bekamen. Sie mussten sich stattdessen mit Fragmenten begnügen, die nur ihren eigenen Text enthielten und gerade noch das notwendige Stichwort vor dem Einsatz. Unter anderem deshalb muss die junge Wissenschaftlerin auch so viel herumreisen und in Archiven und Bibliotheken nach alten Handschriften suchen. Sogar Konzessionen aus den historischen Archiven von Städten können ihr weiterhelfen.


Das Forschungsprojekt

Welche Bühnen und welche Stücke waren zu dieser Zeit erfolgreich? Wie haben sie sich im Laufe der Zeit verändert? Wer waren die Autoren? Mit welchen Mitteln wurde Komik erzeugt? In welcher Beziehung standen sie zu den gesellschaftlichen Strukturen? Das sind einige der Fragen, mit denen sich Katrin Dennerlein in den nächsten Jahren beschäftigen wird. Auf ein großes wissenschaftliches Werk an Vorarbeiten kann sie sich dabei nicht stützen. "Bei den Komödien handelt es sich um Populär-, nicht um Hochliteratur. Das mag ein Grund dafür sein, weshalb sich die Germanistik bisher so wenig damit beschäftigt hat", sagt sie. Womit sich für sie allerdings auch das Problem stellt: "Welche Auswahl soll ich treffen?". Denn das Thema ist so umfangreich wie vielgestaltig, und die Suche nach dem Repräsentativen nicht gerade einfach.

Immerhin steht ihr der Schluss schon ziemlich deutlich vor Augen. Der wird sich mit Johann Wolfgang von Goethes Komödien beschäftigen. Goethe, 1749 in Frankfurt/Main geboren und 1832 in Weimar gestorben, ist nicht unbedingt ein prototypischer Vertreter eines Komödienautors im 18. Jahrhundert. Ins Repertoire von Wanderbühnen werden seine Stücke kaum vorgedrungen sein. "Trotzdem hat sich Goethe in seinen Komödien stark an der Tradition des barocken Theaters orientiert", sagt Dennerlein.

Solche Elemente finden sich sogar in seiner wohl berühmtesten Tragödie: "Faust". Wenn dort im "Vorspiel auf dem Theater" ein Theaterdirektor, ein Dichter und die Lustige Person - als Stellvertreter für die Schauspieler - über Sinn und Zweck eines gelungenen Theaterspiels streiten; wenn anschließend im "Prolog im Himmel" Gott mit dem Teufel eine Wette eingeht - und das alles, bevor die eigentliche Haupthandlung begonnen hat, dann sind das beispielsweise genau diese Elemente, die auch in den Stücken von Wanderbühnen so gut wie immer zu finden waren.


Zur Person

Katrin Dennerlein wurde 1977 in Nürnberg geboren. Von 1998 bis 2004 studierte sie Neuere deutschen Literaturwissenschaft, Soziologie und Theaterwissenschaft an der Ludwig-Maximilians-Universität München und an der Sorbonne IV, Paris. 2009 promovierte sie an der TU Darmstadt mit einer Arbeit zur "Narratologie des Raumes". Seit 2009 ist sie Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Computerphilologie und Neuere deutsche Literaturgeschichte der Universität Würzburg. Aktuell vertritt sie eine Juniorprofessur für Neuere deutsche Literaturwissenschaft und Medien an der Universität Bayreuth.


Das Förderkolleg der Bayerischen Akademie

Im Jahr 2010 hat die Bayerische Akademie der Wissenschaften das Förderkolleg ins Leben gerufen. Sechs exzellente Nachwuchswissenschaftler nimmt sie jedes Jahr neu in das Programm auf. Diese dürfen nicht älter als 34 Jahre sein, müssen in Bayern leben und an einer bayerischen Universität oder außeruniversitären Forschungseinrichtung an ihrer wissenschaftlichen Karriere arbeiten. "Dafür haben sie sich auf Grundlage einer breiten wissenschaftlichen Bildung durch eine herausragende Promotion qualifiziert", wie es in einem Info-Flyer der Akademie heißt.

Die Kollegiaten erhalten für mindestens drei Jahre 1000 Euro monatlich, die sie frei nach ihren Vorstellungen verwenden dürfen - sei es für Labormaterialien, zum Besuch von Konferenzen oder für eine Tagesmutter für den eigenen Nachwuchs.

Regelmäßige Treffen sollen den interdisziplinären wissenschaftlichen Austausch fördern; Mentoren stehen den Nachwuchswissenschaftlern mit Rat und Tat zur Seite.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution99


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Gunnar Bartsch, 12.03.2012
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. März 2012