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BUCHTIP/001: Handbuch zum Kulturmarketing (idw)


Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf - 12.01.2010

Handbuch zum Kulturmarketing


Ein gerade erschienenes Handbuch zum "Kulturmarketing" beschäftigt sich mit betriebswirtschaftlichen Konzeptionen, Strategieoptionen und ausgewählten Facetten des Marketinginstrumentariums.

Es gibt Berührungsängste, keine Frage. Vielleicht sogar eine notorische gegenseitige Abneigung. Hier die hehre Kunstvermittlung, dort knallharte Marktorientierung? Hier die Wagenburg der schönen Künste, dort die Phalanx wettbewerbsgestählter Marketingprofis? Ein gerade erschienenes Handbuch beseitigt gegenseitige Vorurteile.

"War Rembrandt ein Unternehmer?" Die Frage ist für den Düsseldorfer Marketing-Experten Prof. Dr. Bernd Günter eher rhetorisch und nicht ohne amüsiertes Schmunzeln gestellt. Natürlich, er war. Der niederländische Malerstar beschäftigte eine Heerschar von Zuarbeitern, Kopisten und Detailfachleuten, die der "Marke Rembrandt" im goldenen Zeitalter des Tulpenstaates den Erfolg sicherten. Rembrandt verkaufte seine Produkte und seinen Namen mit System. Und guldenschwer.

Kultur und Marketing: Die Kombination ist nicht neu. Und in Zeiten knapper Kassen eher leidig, jeder städtische Kulturausschuss stöhnt notorisch unter dem Thema. Auch die Studenten an den Universitäten? Und wer da? Geisteswissenschaftler oder BWLer?

Günter und seine ehemalige Doktorandin Andrea Hausmann, heute Professorin für Kulturmanagement und Leiterin des Studienganges Kulturmanagement und Kulturtourismus an der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder), kennen das Thema seit Jahren. Bieten Vorlesungen, Seminare und Projekte an. Nun eine Publikation. Entstanden ist ein höchst lesenswertes, nahezu kurzweiliges Handbuch zum Kulturmarketing. Auch für Grenzgänger, auch für Kulturinteressierte überhaupt. Sozusagen ein 132-seitiger Crash-Kurs zum Thema, mit einem - für wissenschaftliche Publikationen - sensationell niedrigen Preis: 12,90 Euro. Günter: "Wir wollten einen bewusst gestrafften Einführungstext schreiben. Und keine weitere dicke Fachpublikation für Experten."

Zielgruppe? Natürlich die Studenten. Aber welcher Couleur? Geisteswissenschaftler? BWLer?

Der Düsseldorfer Experte mit langjähriger Erfahrung im Kulturmarketing (Museen, Theater, Oper) spricht jenes Phänomen an, dass die Philologenzunft gewohnheitsmäßig nicht gerade begeistert sei von einer vermeintlichen "Ökonomisierung der Gesellschaft" und "dass alles einen monetären Aspekt hat".

Nur sieht die aktuelle Finanzlage im Kulturbereich der meisten Kommunen allgemein desolat aus. In den Haushalten regiert der Rotstift, gerne wird da bei den Etats der Museen, Theater und Opernhäuser gespart. Die "Kultur" muss also gegensteuern. Nur wie? Durch steigende Zuschauer- und Benutzerzahlen. Und wie erreicht man die? Kennen die "Kulturmacher überhaupt ihre Klientel? Oder sind Besucher immer noch unbekannte Wesen?

Günters Verdikt: "Kulturmarketing bedeutet eben auch: Sich um die Kundschaft kümmern!"

Aus dem Klappentext des Buches: "Marketing für Angebote im Kulturbereich ist nicht 'give the market what it wants'. Vielmehr ist Kulturmarketing eine professionelle Betrachtungsweise des Vermittelns kultureller Leistungen an verschiedene Zielgruppen. Dabei gibt es zwei Vorgehensweisen: eine durch Nachfrage getriebene und - weitaus wichtiger - eine von künstlerischen und anderen Impulsen getriebene. In beiden Fällen geht es um das Erzeugen von Akzeptanz bei den relevanten Adressaten, insbesondere bei den Besuchern. Kulturmarketing wird im vorliegenden Band als betriebswirtschaftlich fundierte Konzeption mit ihren Zielsetzungen, den wichtigsten Strategieoptionen und ausgewählten Facetten des Marketinginstrumentariums behandelt."

Das Experten-Duo Günter/Hausmann gibt gleich eine ganze Reihe von "Best-Practice"-Beispielen. In Wuppertal etwa durch die langjährige Pflege der Mega-Marke Pina Bausch, deren Tanztheater Weltruhm genießt und ein wichtiger Baustein auch im Marketingkonzept der Stadt ist. Oder in Düsseldorf mit der Kunstsammlung NRW ("K20", "K21"). Auch das Exotische wird erwähnt. Zitat: "Eine besonders spektakuläre Version der Markenstrategie ist der entgeltliche Erwerb der Rechte am Namen des 'Louvre' durch den Staat Abu Dhabi im Jahr 2007."

Schräg auch das Praxisbeispiel "Guerilla Marketing". Nie gehört? Gemeint sind kleine, ungewöhnliche Aktionen, bisweilen am Rande des Erlaubten, kreativ und auch ein bisschen subversiv; jedenfalls außerhalb der normalen Wege. Seit den 80er Jahren tummeln sich hier besonders Werbeagenturen. Das Düsseldorfer Schauspielhaus nutzte "Guerilla Marketing" in einer Aktion, bei der in der Stadt Zettel mit Fotos von dunkel gekleideten Damen und Herren verteilt wurden, auf der Rückseite eine vermeintlich handgeschrieben Telefonnummer. Wer anrief, der wurde mit dem Abonnementen-Büro des Schauspielhauses verbunden, die Abgebildeten gehörten zum Ensemble. Surprise, surprise!

Ein anderes Beispiel in der Nähe zum Guerilla-Marketing: Der Kreis Mettmann ist als Verwaltungseinheit bundesweit nicht sonderlich bekannt. Aber er hat ein internationales Highlight zu bieten: das Neanderthal und den Fundort des Urmenschen. Weshalb also nicht mit dem Namen werben? Zug um Zug setzte sich eine Initiative durch, den Kreis als "neanderland" bekannt zu machen. Mittlerweile gibt es eine eigene "neanderland"-Homepage (www.neanderland.de). Besonders die Medien nahmen den neuen Begriff dankbar auf und ziehen ihn dem doch eher drögen "Kreis Mettmann" vor. Hier wurde ganz offensichtlich ein Markenname im Bereich Kultur und Tourismus geprägt. Von außen.

Für Günter steht fest, dass Kulturmarketing eine immense Herausforderung für die Gesellschaft der Zukunft sein wird. Und dass "die Kultur" auf die Methoden und Erkenntnisse der Betriebswirtschaftslehre zugeht. Zugehen muss, will sie nicht massiven Restriktionen, sprich Einsparungen, unterliegen. Wer im Kulturbereich tätig ist, für den sollten Begriffe wie "Wettbewerbsvorteile", "Besucherorientierung", "Branding", "Fundraising" oder "Controlling" keine Fremdwörter sein. Sie sind mittlerweile überlebenswichtig. Ebenso sollten Kulturanbieter Entwicklungen im demographischen Bereich im Auge behalten (Zielgruppe der "Älteren"), in der Wirtschaft ("Finanzkrise"), im soziokulturellen Sektor (u.a. Pluralisierung von Lebensstilen) und in der Technik (z.B. Internet).

Bernd Günter/Andrea Hausmann: "Kulturmarketing", Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2009, 132 Seiten, 12,90 Euro

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution223


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Rolf Willhardt, 12.01.2010
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Januar 2010