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INTERNATIONAL/011: Guatemala - Las Poderosas. Die starken Frauen des Theaters (frauensolidarität)


frauensolidarität - Nr. 134, 4/15

Las Poderosas
Die starken Frauen des Theaters

Von Gloria Santos Pejic


Las Poderosas ist eine Theatergruppe von Frauen aus Guatemala. Das Ziel ihrer Theaterarbeit ist es, Gewalt gegen Frauen öffentlich zu thematisieren, um betroffene Frauen dadurch zu unterstützen und den Kreislauf der Gewalt zu durchbrechen.

Lesbia, Telma S., Adelma, Rosa und Telma A. sind Las Poderosas (Die starken Frauen). Sie alle haben in verschiedenen Phasen ihres Lebens Gewalt erlebt. Sie alle waren an einem Dokumentarfilm der Kampagne "Actuemos. Acciones que se unen contra la violencia machista" (Wir handeln, um die Gewalt an Frauen zu bekämpfen) beteiligt. Dort entstand die Idee, eine eigene Theatergruppe zu gründen. Unterstützung erhielten sie dabei vom argentinischen Theaterdirektor und Dramatiker Marco Canale. Er brachte ihnen Theater als Instrument zur Stärkung des Selbstwertgefühls und zur Selbstermächtigung näher. Als sie mit ihren Stücken an die Öffentlichkeit traten, haben sie viel Anerkennung erfahren, die sie zur Weiterarbeit inspirierte. Es sind inzwischen mehrere Stücke entstanden. Das Spanische Amt für Zusammenarbeit (AECID) stellte dem Theaterkollektiv das Lux Kino auf der Sixth Avenue von Guatemala-Stadt für ihre Arbeit zur Verfügung. Inzwischen werden ihre Arbeiten in verschiedenen Ländern, Kontinenten und auf Festivals gezeigt.


Wenn Träume wahr werden ...

"Das Theater hat uns verändert. Es hat uns mit Kraft und Mut ausgestattet", sagt Lesbia. Von den Frauen werden Theaterperformances im Stil von Wrestling-Kämpfen auf die Bühne gebracht. Sie kreieren ihre Theaterstücke in investigativen Prozessen, ausgehend von ihren eigenen Lebenserfahrungen und ihrer Beziehung zur Geschichte Guatemalas. Obwohl die Erfahrungen der Protagonistinnen auch oft von Gewalt geprägt sind, erzählen die Stücke unterhaltsam und mit Humor beispielsweise von der Verwandlung der Schauspielerinnen in Wrestling-Kämpferinnen oder Superheldinnen.

Las Poderosas haben die Opferrolle, die ihnen die Gesellschaft zugeschrieben hat, abgelegt. Stattdessen haben sie sich neue Rollen angeeignet. Dadurch wird es den Frauen möglich, ihre Ängste zu besiegen und sich selbst zu ermächtigen. Mit ihren Theaterstücken kämpfen sie für das Empowerment von Frauen und gegen jegliche Form von Gewalt an Frauen. Diese Art der Theaterarbeit hat die Funktion einer Selbsttherapie - für die Schauspielerinnen, aber auch darüber hinaus für das Kollektiv der Zuschauer_innen und wirkt der weitverbreiteten Gewalt gegen Frauen entgegen. Im Theater lässt sich ein Stück weit eine transformierte Realität erschaffen. Das Ensemble nutzt die Bühne, um soziales Bewusstsein zu schaffen, welches wichtig ist für ein Land wie Guatemala, in dem Gewalt an Frauen weitgehend akzeptiert ist und mit völliger Straflosigkeit ausgeübt wird. Die Gruppe begreift Theater nicht nur als Kunstform, sondern im Zentrum ihrer Arbeit steht das Bestreben, verändernd zu wirken: Ziel ist die Förderung der Teilhabe von Frauen und ihr Recht, frei von Gewalt zu leben. Darüberhinaus fördert die Theatergruppe durch ihre Arbeit, die Freiheit der Meinungsäußerung und die Beteiligung aller Bürger_innen am kulturellen Leben. Das neueste Stück der Gruppe, Naciendo (Born), wurde erstmals 2014 aufgeführt und entstand als Ergebnis einer zweijährigen Theaterarbeit zu Sexualität, Krieg und Körperpolitik. Naciendo thematisiert die Leugnung der indigenen Ursprünge und des Bürgerkriegs, welcher mehr als 250.000 Menschenleben in Guatemala gekostet hat. Gespräche mit Großmüttern, Müttern und Töchtern waren Ausgangspunkt dieser Theaterarbeit. Vom 18. Oktober bis zum 6. November 2015, präsentierten Las Poderosas ihr neues Stück in spanischen Städten wie Bilbao, Munguía, Baracaldo, Madrid, Guadalajara, Sevilla und Granada, mit der Unterstützung des Centro Cultural de España en Guatemala (Kulturzentrum von Spanien in Guatemala) und des UNFPA (Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen).

Las Poderosas entstand, um der Welt zu zeigen, dass es Frauen möglich ist, sich aus Gewaltsituationen zu befreien und kein Opfer zu bleiben, sondern Heldin zu werden.


WEBTIPPS:
www.youtube.com/watch?v=TyAyyCIOLSs
www.youtube.com/watch?v=jJDWmcu8z7Q

ZUR AUTORIN:
Gloria Santos Pejic ist eine Feministin, spezialisiert auf Kommunikation für Entwicklung. Sie lebt derzeit in Guatemala und arbeitet für das Spanische Amt für Zusammenarbeit (AECID).

Übersetzung aus dem Englischen: Caroline Roithner

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Quelle:
Frauensolidarität Nr. 134, 4/2015, S. 10-11
Medieninhaberin und Herausgeberin:
Frauensolidarität im C3 - Entwicklungspolitische Initiative für Frauen
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Telefax: 0043-(0)1/317 40 20-406
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Februar 2016

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