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HAUSTIER/122: Beo - Die Meisterin der Plappermäuler (Der Ring)


DER RING
Zeitschrift der v. Bodelschwinghschen Anstalten Bethel - November 2007

Die Meisterin der Plappermäuler

Von Gunnar Kreutner


Hirse, Haferflocken und Olivenöl, getrocknete und gemahlene Insekten aller Art, wie Heimchen, Wachsmotten und Mehlwürmer - das sind die appetitlichen Grundzutaten von Martina Meisters Spezialität. Na denn "Mahlzeit!". Beo "Stert" schmeckt die schwarz-braune Masse offensichtlich ausgezeichnet, und das ist die Hauptsache. Genüsslich zupft der Starenvogel mit seinem spitzen Schnabel die Futterkügelchen von Martina Meisters Fingerspitzen, beobachtet von zwei weiteren hungrigen Schnäbeln, die die Fütterung lautstark mit allen nur vorstellbaren - und unvorstellbaren - Lauten begleiten.

"Gracula religiosa" ist der lateinische Name des sprachbegabten und aufgeweckten Vogels, der eine so wichtige Rolle in Martina Meisters Leben spielt. Seit 17 Jahren hält die 44-jährige Mitarbeiterin der Betheler Spendenabteilung gemeinsam mit ihrem Ehemann Matthias Goebel Beos. In einer mannshohen Voliere Marke "Eigenbau", die eine komplette Wand in ihrem Wohnzimmer beansprucht, wohnen zurzeit "Stert", "Ohnestert" und "Johannes" - die "Schüchterne", der "Gerissene" und der "Rentner". Sie sind bereits die Beos Fünf, Sechs und Sieben, die bei Martina Meister eine besonders artgerechte Pflege genießen.

Das "religiosa" im lateinischen Namen des Beos wurde von dem schwedischen Entdecker der Vögel Carl Nilsson Linaeus hinzugefügt. Der Vater des Naturwissenschaftlers war Pfarrer - er selbst daher vermutlich ebenfalls sehr religiös. "Gracula" erinnert an den Blutfürsten "Dracula", und tatsächlich mögen Beos auch Blut, wie Martina Meister versichert. Sie fressen zum Beispiel kleinere Reptilien und rauben Nester aus. Treffender ist allerdings die Übersetzung des indonesischen Namens "Beo", was so viel wie "Plappermaul" heißt. Die ausgeprägte Fähigkeit der schwarzen Vögel, Geräusche, Worte und menschliche Stimmen präzise nachzuahmen, hat sie berühmt und bei Vogelhaltern äußerst beliebt gemacht. Auch Martina Meister ist begeistert, was ihre Beos so von sich geben. Allerdings liegt es ihr fern, den Vögeln Zurufe wie "Schätzchen" oder "Blödmann" einzutrichtern. "Bei mir muss kein Beo zahm sein oder sprechen können. Ich unternehme keine bewussten Versuche, ihnen etwas beizubringen. Die Vögel sollten nicht gegen ihre Natur vermenschlicht werden", findet die gelernte Büroassistentin und Fundraiserin.

Ihren Standpunkt vertritt Martina Meister auch auf ihrer eigenen Beo-Homepage: www.der-beo.de. Täglich zählt die gebürtige Herforderin bis zu 500 Zugriffe auf der Seite. Sogar Tierärzte und Ornithologen verlinken auf die Homepage der bundesweit anerkannten Beo-Expertin. Mit "Hubert" hatte 1990 alles angefangen. Martina Meisters erster Beo sollte zunächst auch "ordentlich was sagen können", gibt sie schmunzelnd zu. Das tat Hubert denn auch - und wie. Noch mehr Freude als das Nachahmen von Wörtern machte ihm allerdings die Imitation von Geräuschen aus seiner Umgebung. "Sieben Mal mussten wir unsere Haustürklingel wechseln, weil er sie so perfekt nachmachte, dass wir wahnsinnig wurden. Man hörte wirklich keinen Unterschied."

Bei allem Spaß mit Huberts Talent stellte Martina Meister bereits damals fest, dass die Haltung von Beos anspruchsvoller ist als erwartet. Sie wollte sich daher eingehender über die gefiederten Freunde informieren und machte sich auf die Suche nach entsprechender Fachliteratur. "Die war aber so rar gesät und mangelhaft, dass wir beschlossen, von Anfang an unsere Beobachtungen aufzuzeichnen", sagt Martina Meister. Die Aufzeichnungen über ihre Erfahrungen mit den Beos wurden immer detaillierter und umfangreicher. 1999 schließlich veröffentlichte Martina Meister sie dann auf ihrer Homepage.

Nach Hubert folgten Claude, Johannes, Willy, Edgar und schließlich Stert und Ohnestert. Der Name "Stert" kommt übrigens aus dem Niederdeutschen und heißt soviel wie "Schwanz". "Ohnestert hatte halt keinen Schwanz, als wir ihn bekamen. Er war noch zu jung und wurde außerdem viel zu eng gehalten", so Martina Meister.

Die Beos seien mehr als ein Hobby, betont die Bethel-Mitarbeiterin. "Sie sind ein wichtiger Lebensinhalt." Sogar auf Urlaubsreisen verzichten sie und ihr Ehemann. "Die Tiere haben sich schließlich nicht ausgesucht, bei uns zu sein. Daher müssen wir uns auch verantwortungsvoll um sie kümmern. Wir können nicht nur die schönen Seiten von ihnen mitnehmen - das ist unser Grundsatz."

Die Beo-Käfige stehen direkt neben dem Fernseher, was natürlich nicht ohne Folgen bleibt. Ohnestert, den Martina Meister auch einfach "Ost" ruft, hat unheimlichen Spaß daran, alles nachzumachen, was er an Geräuschen und Stimmen aus der Flimmerkiste mitbekommt. Seine Spezialitäten sind der "bettelnde Pinguin" aus einer Tiersendung und "Aua!". "Dieses 'Aua!' wird Ost noch mal zum Verhängnis", sagt Martina Meister mit einem Schmunzeln. "Was ist, wenn er wirklich mal was hat? Das glaubt ihm doch kein Mensch."

Martina Meister und Matthias Goebel wohnen in einer Eigentumswohnung in Bielefeld-Ummeln. Auch wenn die Fenster des Wohnzimmers geschlossen sind, ist der Ramba-Zamba, den ihre gefiederten Mitbewohner veranstalten, draußen nicht zu überhören. 137 Dezibel schaffen die stimmgewaltigen Beos - das hat Matthias Goebel mal aus Spaß an der Freud gemessen. Nur am Nachmittag - so zwischen 15 und 17 Uhr - halten sie ihren Schnabel für ein kurzes Nickerchen. Die Nachbarn müssen ansonsten mit dem Singsang leben. "Ist halt so", bemerkt Matthias Goebel lächelnd. "Wir waren schließlich zuerst da!"


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Quelle:
DER RING, November 2007, S. 20-21
Monatszeitschrift für Mitarbeiter, Bewohner, Freunde
und Förderer der v. Bodelschwinghschen Anstalten Bethel
Herausgeber: Pastor Friedrich Schophaus in Zusammenarbeit mit der
Gesamtmitarbeitervertretung der v. Bodelschwinghschen Anstalten
Bethel
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Dezember 2007