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HIPPOS/80: Trabrennen - Kinderarbeit im Folterstuhl (SB)


Hopp, hopp, hopp...

... nur nicht im Galopp


Pferde sind von Natur aus "Gemütswesen". Sie haben keine Eile. Würde man sie in freier Wildbahn beobachten so wie andere Wildtiere, wunderte sich wohl mancher darüber, wie kraftsparend und ökonomisch sie sich zum Zwecke des Grasens bewegen. Ein moderner, leistungsbezogener Mensch, der Pferde nur aus Cowboyfilmen und Pferderennen kennt und diesbezügliche Vorstellungen mit seinen Bewegungseigenschaften verbindet, wird vermutlich nur ein Urteil bei diesem Anblick fällen: faul und gefräßig.

Denn ihr ganzer Ehrgeiz richtet sich ausschließlich auf die möglichst ununterbrochene Futteraufnahme, abgesehen von gelegentlichem Dösen oder gegenseitigem Mähnekraulen. Nun kennen wir Wildpferde meist nur aus Western und darin rennen sie gewöhnlich mit trommelnden Hufen und fliegenden Mähnen panisch über die Prärie, während der Held sie auf seinem gezähmten, aber ebenso schnellen Mustang lassoschwingenderweise verfolgt.

In Wahrheit bewegen sich Pferde meist im Schritt. Wenn sie, aus welchem Grund auch immer, zu schnellerer Gangart veranlaßt werden (und das ist bei dem Fluchttier Pferd meist eine unüberschaubare, angstauslösende Situation), fallen sie nach wenigen Übergangsschritten im Trab in einen raumgreifenden Galopp, der die Pferde bei Gefahr bis zu 70 Stundenkilometer schnell werden läßt.

Allein in der höchst anstrengenden Gangart "Trab" selbst würde wohl kaum ein freilebendes Wildpferd jemals freiwillig flüchten oder gar längere Strecken darin zurücklegen.

Bei vielen Liebhabern des Pferderennsports ist die Meinung verbreitet, Galopp- und vor allem Hürdenrennen seien für das Pferd sehr belastend, Trabrennen, bei dem die Tiere nur einen leichten Sulky mit Fahrer ziehen und dabei ja "nur" traben müssen, sei dagegen ein wesentlich schonungsvollerer, geradezu gemütlicher Sport. Rein physikalisch gesehen ist es tatsächlich für die Pferde leichter, ein größeres Gewicht zu ziehen, als einen Reiter auf ihrem Rücken zu tragen. Doch Trabrennen, bei denen Höchstanforderungen in dieser für Pferde wenig bequemen Gangart gefordert werden, sind für den Pferdeverstand vollkommen unnatürlich und schlichtweg überhaupt nicht einsehbar.

Dagegen ist die Verletzungsgefahr groß. Bänder und Sehnen von Trabrennpferden unterliegen einem übergroßen Verschleiß. Das liegt u.a. daran, daß die Tiere während des gesamten Rennens gewaltsam durch entsprechende technische Vorkehrungen zu dieser Gangart gezwungen werden müssen. Mit anderen Worten laufen die Tiere nicht nur gegen ihren eigenen körperlichen Widerstand an, sie müssen sich gleichzeitig auch noch (innerlich oder äußerlich) ständig gegen diese Gewaltanwendung wehren. Und dabei spreche ich bisher nur von dem, was gemeinhin als normaler, fairer Trabrennsport verstanden und von anerkannten Trainern und Züchtern wie dem ehemaligen Olympiasieger Schockemöhle oder dem mehrfachen Weltmeister Heinz Wewering vertreten wird.

Ohrenstöpsel, scharfe Gebisse und Zungenknebel, die auf deutschen Rennbahnen erst kürzlich generell verboten wurden, weil sie als Tierquälerei anerkannt worden sind, wollen wir hier gar nicht erwähnen.

Doch schon, wenn das Pferd bei jeder "Aufmunterung" zu einer schnelleren Gangart oder höheren Geschwindigkeit sofort den Rücken runden und zum Galopp ansetzen würde, sorgt beim Trabrennen eine besondere Folter-Zäumung dafür, daß die Tiere im Trab bleiben, und in einem größeren Tempo als es ein Pferd je freiwillig tun würde.

Der Kopf des Tieres wird mit einem vom Geschirr am Rücken ausgehenden Zügel nach oben ausgebunden. Sein auf diese Weise abartig nach oben gezurrter, sogenannter "Storchenhals" wirkt sich mechanisch auf den Rücken aus. Dadurch entsteht nämlich ein künstlich erzeugtes Hohlkreuz, mit welchem dem Pferd der Schwungraum (runder Rücken) zum Galoppsprung genommen wird.

Nur durch dieses "geniale" Zwangswerkzeug wird es an der normalen Galoppade gehindert, gleichzeitig steckt es fest in dem Gestänge des Sulkys, einem zweirädrigen Wagen, von dem herunter es von einem Fahrer (Feind) gescheucht und gepeitscht wird, zu dem es den Abstand aber nicht vergrößern kann. Nur um all dem und auch dem für Pferdeohren sehr empfindlichen Lärm auf der Rennbahn zu entkommen, entwickelt das auf Flucht bedachte Pferd nun eine außerordentliche Beinaktion beim Trab, der zwangsweise einzigen und letzten Möglichkeit für eine angemessene Fluchtgeschwindigkeit.

Dabei werden die Vorderbeine nicht wie beim "starken Trab" im Dressurreiten nach vorn geworfen, sondern abgewinkelt und in schneller Folge stark angehoben. Der gesamte Schub kommt aus der Hinterhand, wobei die Hinterbeine weit nach vorn treten. Unvorstellbar eigentlich, daß in dieser anomalen Gangart Geschwindigkeiten bis zu 60 Stundenkilometer erreicht werden. Daß es einem Pferd auch noch behagen soll, Fluchtgeschwindigkeiten in dieser art- und körperfremden Haltung zu entwickeln, ist bei genauerer Betrachtung für niemanden mehr nachzuvollziehen.

Das beweisen auch die Verletzungen, an denen diese Pferde regelmäßig leiden. Sehnenschäden, Verwundungen durch die weit nach vorn tretende Hinterhand, Überdehnungen von Bändern und Sehnen durch die einseitige Belastung auf den Rennbahnen, Kronbeinbrüche und vieles andere mehr sind an der Tagesordnung.

Doch damit hat die Qual noch kein Ende: Raffiniert geformte Hufeisen mit einer speziell "ausgewogenen" Gewichtsanordnung für eine höhere "Trabaktion" belasten die Beine und tragen mit Sicherheit nicht zum Wohlbefinden der Pferde bei. Ganz zu schweigen von den schmerzenden Paraden oder dem zumindest beim Training angewendeten, doch offiziell verbotenen Einsatz von Zungenknebeln und Gebissen, um das Pferd zu strafen, wenn es doch einmal in den für ihn normalen, doch beim Trabrennen zur Disqualifikation führenden Galopp verfällt.

Blau angelaufene Zungen und blutige Mäuler durch diese "Erziehungsmaßnahmen" sind für den Tierarzt, der solche Pferde betreut, daher auch nichts Neues. Und doch nimmt die Begeisterung am Trabrennsport ständig zu.

Ein weiteres Vorurteil, Trabrennpferde hätten ein längeres Leben als Galopprennpferde, weil sie - durch die längere Ausbildung - nicht so früh zum Einsatz kommen können, möchte ich an dieser Stelle auch gleich ausräumen: Auch Trabrennen werden schon mit Fohlen gefahren! Das Einstiegsalter ist wie bei den Galoppern das zweite Lebensjahr. Dazu kommt natürlich, daß Training und Ausbildung schon vorher stattgefunden haben müssen, also bereits im zartesten Fohlenalter, in dem sich glücklichere Vertreter dieser Tierart noch auf den Jährlingsweiden austoben dürfen. Zwei bis drei Jahre entsprechen nach menschlichen Maßstäben etwa einem Kind im Alter von sechs bis neun Jahren, die man dann mit einem Rucksack voller Wackersteine in Todesangst um eine Aschenbahn treiben müßte, verfolgt von geifernden, hungrigen Wölfen, damit es vor lauter Angst auch noch die letzten Kraftreserven mobilisiert. Dieses Bild, das sicher viele Leser empört, während sie den Vergleich vermutlich für etwas übertrieben halten, ist aber alles andere als überspitzt, sondern der ganz gewöhnliche Alltag für ein vierbeiniges Talent im Pferdesport.

Ein Blick in die Statistik, welche Pferde aus dem Trabrennsport überhaupt das Pensionsalter für die Rennbahn - in der Regel bei Stuten acht Jahre und bei männlichen Pferden vierzehn Jahre - erreichen, legt den Skandal offen: erschreckend wenige.

Wer von ihnen als Objekt für Spekulationen, Wetten und Nervenkitzel ausgenutzt und nicht mehr zu gebrauchen ist bzw. durch eine Verletzung seinen Wert als Rennpferd dauerhaft eingebüßt hat, geht selten in den wohlverdienten Pferderuhestand, um auf einer saftigen Weide den Lebensabend (bei normalen, gesunden Pferden ist eine Lebenserwartung von dreißig Jahren nichts Besonderes) zu beschließen. Das gewöhnliche Mittelklasserennpferd geht nach Abschluß seiner Rennkarriere den brutalen Gang zum Pferdemetzger, und das, ganz gleich wie wertvoll es im Laufe seines Lebens für seinen Besitzer gewesen ist.

Natürlich gibt es auch hier (wie ich schon im vorhergegangenen Beitrag über die Springpferde sagte) Ausnahmetalente, echte Sportler unter den Pferden, die sogar diesen völlig anomalen Ansprüchen gewachsen sind und die Härte, Nervenstärke und das Leistungsvermögen für die ausgeprägte Trabaktion quasi von Natur aus einfach mitbringen. Solche Ausnahmeerscheinungen sind die angestrebten Zuchtziele der Trabrennpferdezucht, die man mittels Selektion zu erhalten sucht. Doch der züchterische Erfolg ist sehr gering. Alle anderen Tiere müssen zum Trabsport gezwungen werden, und wer diese leicht erregbaren und leicht zu verängstigenden Vollblüter einmal nach einem absolvierten Rennen gesehen hat (darüber gibt es nämlich wenig Bilder), der wird die schweißtriefenden, schaumbesetzten, bis zur Erschöpfung ausgebrannten, mageren Kreaturen mit ihren panischen Augen nie wieder vergessen.

Erstveröffentlichung 2001

29. Februar 2008