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KORRESPONDENZEN/001: Kein Pferd springt freiwillig (SB)


Kein Pferd springt freiwillig

Ein Leserkommentar zum Schattenblick-Beitrag

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HIPPOS/79: Kein normales Pferd springt freiwillig (SB)


1. August 2008

Sehr geehrte Damen und Herren,

leider muss ich an merken, das der Autor des Textes HIPPOS/79: Kein normales Pferd springt freiwillig (SB) nicht wirklich viel Ahnung vom Springsport, sowie die Ausbidung der Pferde hat. Der Text hört sich sehr verallgemeinert an, weil nur die neagtiven Punkte die von manchen Reitern betrieben werden beschrieben sind, aber nicht der normale Ausbidungsweg eines Springpferdes, der nicht wie sie/er geschildert brutal abläuft. Außerdem merkt man, dass der Autor auch keine oder nicht viel Erfahrungen mit Pferden hat, dann würde er/sie nämlich wissen das Pferde durch aus freiwillig springen und dabei motiviert sind, mit frei meine ich auf der Koppel ohne dass sich ein Mensch auf dieser befindet und das Pferd vorher schon gesprungen ist.

Ich will mit meinen Text nicht sagen, dass es Menschen gibt die keine Rücksicht auf das Pferd nehmen, aber ich will damit verdeutlichen, dass der Springsport auch anders funktionieren kann und auch funktioniert. Es gibt leider immer Reiter die ihre Pferde schlecht behandel und das möchte ich auch nicht schön reden, aber Reiten ist nicht gleich Tierquälerrei.

Und noch zum Thema Hufrollenentzündung sie ist nicht heilbar und wenn das pferd keine Schmerzen haben soll dann muss man einen Nervenschnitt vornehemen, der aber auf höhe des Fesselkopfs vorgenommen wird. Dannach darf das Pferd nicht mehr stark belastet werden, weil das eigentliche Problem nicht gelöst wird. Hufrollenentzündungen enstehen aber eigentlich auch nur wenn man das Pferd überlastet, was bei einer korrekten Ausbildung nicht der Fall ist.

(Ohne Unterschrift)


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Ihre Frage, unsere Antwort

Stelle, den 14. August 2008

Lieber Leser(in?),

Mit dem Artikel "HIPPOS/79" scheine ich einigen Springsportlieberhabern empfindlich auf die Hufe oder vielmehr die polierten Reitstiefel getreten zu sein. Ich entschuldige mich nicht, weil dies genau der Platz ist, auf dem auch einer meiner vierbeinigen, hufbewährten Gefährten und Freunde ihrem Standpunkt schmerzhaft Nachdruck verliehen hätten, wenn ihnen denn die Gelegenheit dazu gegeben wäre. In den einschlägigen Fachjournalen von "Freizeit im Sattel", "ReiterRevue" bis zu den Newslettern der Fachverbände "FNaktuell" und den Organen der verschiedenen Landesverbände wird gemeinhin aber nur die konventionelle Reitersicht und -meinung vertreten - so daß hier aus meiner Sicht eine Gegendarstellung längst überfällig ist.

Daß ich durchaus verstehe, daß man Reiter und trotzdem ein guter Mensch sein möchte, und man daher die Anzeichen der Gewalt nicht sehen will und verdrängt; auch daß ich diese Ambivalenz durchaus an mir selbst feststelle, habe ich schon in der Antwort auf einen früheren Leserbrief zum Ausdruck gebracht.

Deshalb möchte ich Sie auf unsere Leserbrief-Rubrik "Korrespondenzen", die Sie unter INFOPOOL -> REDAKTION -> MEINUNGEN finden, aufmerksam machen, in der dieses Thema (KORRESPONDENZEN/006: Kein Pferd springt freiwillig (SB)) bereits diskutiert wurde.

Ich kann mich allerdings aufgrund Ihrer Äußerungen und des Bezweifelns meiner Kompetenz des Eindrucks nicht erwehren, daß Sie meinen Beitrag bestenfalls sehr oberflächlich gelesen haben und auch keine weiteren Artikel dieser Rubrik. Immerhin sollte einem erklärten Pferdefreund die Frage, was ein derart mächtiges Tier bewegt, sich reiten und springen zu lassen, nicht so fern sein. Mich hat sie jedenfalls schon beschäftigt, als ich noch Pferde geritten und ausgebildet habe.

Daß ein Pferd durchaus anatomische Gründe hat, sich vor einem Sprung zu fürchten, habe ich übrigens genauer unter dem Index: "HIPPOS/82: Fluchttier Pferd - zum Weglaufen geschaffen (SB)" geschildert, möglicherweise wieder ein Anlaß für neue Kontroversen unter den fachlich interessierteren Lesern.

Dort zeige ich unter anderem, daß das Pferd eigentlich ein "Augentier" ist. Um in der weiten Steppe seiner ursprünglichen Heimat in Eurasien den Überblick zu haben, entwickelte es die vermutlich größten Augen aller landbewohnenden Säuger. Die beiden Sehapparate liegen so stark seitlich am Kopf, daß es fast 360 Grad Rundumsicht hat. Nur genau hinter seinem Rücken oder im toten Winkel direkt vor der Nase sieht es nichts.

Die Größe des Pferdeauges hat allerdings auch einen Preis: Auf der gesamten Netzhaut verteilt sollen pro Quadratmillimeter nur 50 Sehzellen sitzen, was dem Pferd lediglich die halbe Sehschärfe im Vergleich zum Menschen gestattet. Darüber hinaus überschneiden sich die Gesichtsfelder der beiden Augen nur wenig, so daß Pferde nur sehr schlecht Distanzen einschätzen können. Und das ist auch der Grund, warum die meisten weite Umwege in Kauf nehmen, statt über einen vielleicht schmalen Graben zu springen, den sie von ihren körperlichen Gegegebenheiten mit einem kleinen Satz überwinden könnten.

Das heißt nicht, daß nicht auch Pferde aus Übermut verrückte und unvernünftige Dinge tun, was ich in meinem Artikel nicht ausgeschlossen habe.

Was die Hufrollenentzündung angeht, und die von mir erwähnte statistische Häufung von Nervenschnitten bei Springpferden, so ist dies eine auch unter Springsportlern bekannte, traurige, oft als "Berufskrankheit des Springpferdes" zitierte Tatsache, die sich nicht einfach mit dem Hinweis, daß ein Nervenschnitt notwendig ist, um dem Pferd als letztmögliche Maßnahme die Schmerzen zu nehmen, unter den Teppich kehren läßt.

Zunächst einmal habe ich letzteres in meinem Beitrag nicht bestritten. Dabei sind sich selbst Tiermediziner durchaus nicht einig, ob mit einem Nervenschnitt der Schaden (z.B. durch die dadurch wesentlich verschlechterte Durchblutung des Hufgewebes) nicht sogar noch vergrößert wird. Denn die schlechte Durchblutung gehört u.a. zu den möglichen Ursachen dieses Symptomkreises, so daß gewissermaßen die Degeneration des Strahlbeins durch diesen Eingriff noch gefördert wird.

Sie, lieber Leser(in?), bestärken außerdem nur meine Argumentation, indem Sie sagen, daß Hufrollenentzündungen nur dann entstehen können, wenn man das Pferd überlastet, was Ihrer Meinung nach bei einer korrekten Ausbildung ausgeschlossen werden könne.

Leider irren Sie hier, was Sie selbst einsehen werden, wenn Sie einen Blick in den Huf werfen. Die Hufrolle ist nämlich ein sehr kleines, rollenartiges Hilfsgelenk zum Hufbein, auf dessen mechanische Anteile, d.h. Strahlbein, Beugesehne und Schleimbeutel, letztlich jedes noch so geringe zusätzliche Gewicht im vorderen Bereich des Pferdes umgelastet wird. Bei jeder Landung nach einem Sprung ist die Belastung (d.h. Zug-, Druck- und Scherkräfte wie auch Gewicht) auf diesen Bereich beispielsweise unvorstellbar hoch, da quasi das gesamte Gewicht des Pferdes und der durch die Beschleunigung im Sprung aufzufangene Druck auf dieser kleinen Stelle auftrifft und durch den Beugemechanismus des Hufes abgefedert wird, selbst wenn kein Reiter samt Sattel oder ein tiefer oder harter Boden dazu kommt. Ein ähnliches Bild ergibt sich für enge Wendungen, wie sie im Western-Reiten vorkommen. Doch auch schon der Reiter allein übt mit seinem Gewicht auf die kleine Umlenkrolle eine starke zusätzliche Belastung und Überbeanspruchung aus.

Ein anatomischer Querschnitt des Hufes kann da jedem mechanisch verständigen Menschen Aufschluß geben, ohne daß man Tiermediziner oder Bewegungsphysiologe sein muß.

Selbst wenn dieses spezielle Gelenk und die umliegenden Knochen durch ein Aufbautraining wie in jedem guten Leistungssporttraining allmählich gestärkt werden, läßt sich die Überbelastung durch den Springsport nicht wegdiskutieren. Was nicht heißt, daß es nicht Pferde gibt, die selbst das alles ohne Schaden überstehen (Halla wurde über 30 Jahre alt, bei bester Gesundheit). Es ist aber nicht unbedingt die Regel.

Zudem möchte ich Sie fragen, ob Sie eine Vorstellung davon haben, wie es überhaupt zum Muskelaufbau oder Knochenaufbau beim Training kommen kann? Eine in der Bewegungslehre durchaus unbestrittene Theorie besagt, daß es durch die ausgewogene, aufbauende Belastung zu winzig kleinen Haarrissen im Knochen wie auch im Muskel kommt, so daß die Zunahme von Knochensubstanz und Muskelmasse letztlich auf die Vernarbung von Verletzungen zurückgeht.

Daß dies die normale Anpassungsprozedur für jede mit Muskeln und Knochen verrichtete Arbeit ist, heißt ja nicht, daß es dem Lebewesen dabei besonders gut gehen muß.

Abgesehen davon, daß wohl auch anatomische Gegebenheiten bei manchen Pferderassen vorkommen, die hier die Kräfteverhältnisse besonders ungünstig verteilen, ist es eine Tatsache, daß die Hufrollenentzündung bei wild und halbwild lebenden Pferden bisher unbekannt ist.

Ich denke, gerade als Reiter lohnt es sich, einen Blick für solche Details zu entwickeln. Vielleicht weiß man es dann umso mehr zu schätzen, was das eigene Pferd bereit ist, für einen Scheffel Getreide und gute Behandlung zu tun...

Falls Sie meine Kompetenz nach wie vor in Frage stellen, möchte ich Sie u.a. auf die im Internet vertretene Pferdefachzeitschrift "Die Pferderegion - Deutschlands größte regionale Pferdezeitung" verweisen:

Die Ursachen der Hufrollenerkrankung sollen hier nur kurz angerissen werden. Eine steile Stellung der Gliedmaßen, klein gezüchtete Hufe, die somit auf die Fläche gerechnet mehr Druck standhalten müssen, Minderdurchblutung und Demineralisation des Strahlbeines, Entzündung des Hufrollenschleimbeutels und Verwachsungen des Strahlbeins mit der tiefen Beugesehne sind mögliche Gründe, die zur Erkrankung führen.

Zudem ist ein wesentlicher Faktor die Nutzung des Pferdes. Gerade Springpferde, und Pferde die in Westerndisziplinen wie Reining, Cutting, und Barrel Race trainiert werden, belasten den Hufrollenkomplex enorm.
(Die Pferderegion, 26. Mai 2008)

Darüber hinaus ist die Website des Warmblutzuchtvereins Kärnten zu diesem Thema wie auch die Website des DHR - Geprüfter Hufpfleger und Hufschmied, Hufpflege-Service Andreas Baumhöfer aufschlußreich.

In diesem Sinne
mit freundlichen Grüßen

Ihr SB-Redaktionsteam

14. August 2008