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INTERVIEW/012: Tierrechte human - Niemand stirbt für sich allein, Tobias Hainer im Gespräch (SB)


Interview mit dem Lyriker und Musiker Tobias Hainer am 9. November in Hamburg-Eidelstedt



Viele gesellschaftliche Strömungen bringen ihre eigene Musikerinnen und Musiker hervor, die niemals im Mainstream landen oder dies gar nicht erst wollen, auch wenn sie sich musikalisch keineswegs hinter den kommerziell Erfolgreichen zu verstecken brauchen. Bekanntheit und Erfolg bemessen sich in der milliardenschweren Unterhaltungsbranche nicht unbedingt am Können.

Auch die Tierrechts- und Tierbefreiungsbewegung hat "ihre" eigenen Musikerinnen und Musiker. Sie singen Texte, in denen die Verwertung tierischen Lebens in Versuchsanstalten ebenso kritisch zur Sprache gebracht wird wie die tief in der Kultur verankerte Vorstellung, daß der Tiertod unverzichtbar ist, damit Menschen leben können.

Das Kulturprogramm der Herbstakademie der Assoziation Dämmerung am 9. November 2013 im Acker pool Co. in Hamburg-Eidelstedt bestritten, abgesehen von den Hip-Hop-Musikern Albino und Master Al, auch der Lyriker und Musiker Tobias Hainer aus Hannover. Er las musikalisch untermalt aus seinem Gedichtband "Galerie des Entsetzens, die ungeschminkte Wahrheit über das Mensch-Tier-Verhältnis" vor.

Der Künstler mit E-Gitarre - Foto: © 2013 by Schattenblick

Tobias Hainer
Foto: © 2013 by Schattenblick

Der Gitarrist und Bassist hat im Soloprojekt "Amortisation" eigene Lyrik vertont und 2010 den Gedichtzyklus "Vom Hörigsein im stahlharten Gehäuse zu freiem Fließen im biegsamen Korsett" herausgebracht. Zudem spielt er in der experimentellen Rockband La Ligne Maginot aus Wien mit.

Von düster-getragenen Klangcollagen seiner E-Gitarre begleitet, trug Tobias Hainer Gedichte vor, in denen immer wieder das Sujet des Tiertods aufscheint. Hier Auszüge aus zwei Gedichten:



Metamorphose
ewig goldenes Sonnenlicht
der Fluss des Blutes
der im Prozess erlischt
Resultat der ausgepressten Rose
sinkt langsam auf den Blütengrund
die makellose Rose
schliesst langsam ihren roten Mund



Es baden
blutend im Strome
des Taufrost
verbleichte Augen
deren Tränen
schmucklos
in Totenlauten vertrocknen


Im Anschluß an das lyrische Konzert stellte sich der Künstler dem Schattenblick für ein Interview zur Verfügung:

Schattenblick (SB): Ich sehe, du hast heute abend offenbar noch einen Mitstreiter mitgebracht. Da würde ich als erstes gerne einmal von dir wissen, was es mit ihm auf sich hat.

Tobias Hainer (TH): Das ist Bello, mein Stofftier. (lacht) Der kommt immer mit, ohne ihn habe ich noch nie ein Konzert gegeben.

SB: Wie bist du dazu gekommen, Gedichte zu schreiben? Was motiviert dich?

TH: Ich hatte immer schon ein Faible für Lyrik, lese viel, und irgendwann kam hinzu, daß ich auch Lyrik geschrieben habe. In den letzten Jahren hat sich der Wunsch verfestigt, das alles mal zu ordnen, in Form zu bringen und dann auch meinen ersten Gedichtband rauszubringen.

SB: Und wann bist du auf die Idee gekommen, Gedichte zu vertonen?

TH: Als ich das verstärkt nochmal in Form gebracht hatte, kam das Vertonen hinzu. Für mich war es schon immer wichtig, daß beides zusammengeht, also auch die Musikalität von Lyrik. In der Geschichte der Lyrik ist ja letztendlich auch Musikalisches enthalten.

Tobias Hainer mit umfangreichem musikalischen Equipment - Foto: © 2013 by Schattenblick

Koordinierte Hand- und Fußarbeit
Foto: © 2013 by Schattenblick

SB: Du arbeitest manchmal noch mit jemandem zusammen?

TH: Unter anderem mit dem Chris Moser aus Österreich. Wir haben zusammen das Projekt "Galerie des Entsetzens" gestartet. Von ihm stammen 20 Zeichnungen und von mir 20 Gedichte. Das soll demnächst in der Schriftenreihe "Tierbefreiung" veröffentlicht werden, worauf wir uns schon freuen.

SB: Das heißt, du versuchst, in den Gedichten auch deine Vorstellung von Tierrechten und Tierbefreiung einzubringen?

TH: Genau. Deswegen habe ich mit Chris das Buch rausgebracht, das nur Tierbefreiungsgedichte enthält. Wobei es mir auch um den Menschen geht und die Frage, wie das Menschliche damit verzwickt ist. Ich versuche, das dann in Metaphern rüberzubringen.

SB: Trittst du regelmäßig auf oder bist du schon auf Tournee gegangen?

TH: Ich bin mit meinem lyrischen Musikprojekt schon auf drei Tourneen gewesen, wobei für mich nur deutschsprachige Länder in Frage kommen, weil das in anderen Ländern mit deutschen Gedichten einfach nicht so viel Sinn macht. Mit einem anderen Programm bin ich schon durch Deutschland, Österreich und die Schweiz getourt.

SB: Was verbindet dich mit der Tierrechtsbewegung?

TH: Ich bin auf dem Gebiet schon viele Jahre mal mehr, mal weniger aktiv. Es gibt auch eine Gruppe in Hannover, der ich mich angeschlossen habe.

SB: Deine Musik hat mich ein bißchen an Tangerine Dream erinnert. Hast du musikalische Vorbilder?

TH: Musikalische Vorbilder? Ich würde eher von Einflüssen sprechen. Die gibt es viele.

SB: Und wie ist das bei den Gedichten, hast du dich da ein bißchen inspirieren lassen?

TH: Ja klar, sicherlich von Yvan Goll. Das war ein jüdischer Autor, eher bekannt durch die Celan-Goll-Affäre, dann Georg Trakl und Georg Heym. Autoren, die vorrangig aus dem Expressionismus kommen, weil mir da der Dissens sehr gut gefällt. Aber ich lese auch andere gerne, beispielsweise Ingeborg Bachmann und Gottfried Benn.

SB: Du hattest vorhin erzählt, daß du jahrelang nie gereimt, dann aber auch einige Gedichte in Reimform geschrieben hast. Wie schätzt du das ein, willst du in dieser Richtung weitermachen, wenn du weitere Gedichte schreibst?

TH: Wenn sich das ergibt, dann schon irgendwie. Ich sperre mich nicht mehr dagegen. Ich sage mir nicht: 'Aus Prinzip reime ich jetzt nicht, weil das eine traditionelle Form ist, von der ich mich abgrenze, da sie mich in ein Korsett zwängen will, in dem ich dann nicht vernünftig dichten kann, wie mir das gefällt.' Ich habe gemerkt, wenn es sich ergibt und es paßt, daß Reime auch etwas Schönes haben. Das ist dann ein bißchen rund.

SB: Hast du dich schon mal an einem Sonett versucht?

TH: Nee! (lacht) Aber ich lese gerne gereimte Lyrik.

Tobias Hainer auf der Bühne, davor Silhouetten des Publikums - Foto: © 2013 by Schattenblick

Raumfüllende Klänge gegen Tierleid
Foto: © 2013 by Schattenblick

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3. Dezember 2013