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INTERVIEW/020: Feiern, streiten und vegan - Verstehen geht durch den Magen ...    Fräulein Flauschmiez im Gespräch (SB)


Tortenbacken - Veganismus kreativ und kommunikativ

Interview auf dem Veganen Straßenfest in Hamburg am 13. September 2014



Auf dem ersten nichtkommerziellen veganen Straßenfest im Hamburger Stadtteil St. Georg demonstrierte Fräulein Flauschmiez [1] in einer Backshow, wie einfach und unkompliziert es ist, eine leckere Erdbeer-Sahne-Torte mit einer Füllung Mousse au Chocolat ganz ohne Eier, Milch oder andere tierliche Produkte herzustellen. Ihre persönlichen Beweggründe, vegan zu leben, sind vielseitig. Sie hat durch ihr Umfeld mehr über die vegane Ernährung erfahren und auf diesem Weg zunehmend selber gern vegan gekocht und gebacken. Sie ist dieser Lebensphilosophie gegenüber generell positiv eingestellt, da sie ihre Tierliebe als anfängliches Motiv für den Vegetarismus im Laufe der Zeit um Fragen der Tierrechte, der Umwelt und Gesundheit wie auch allgemeine politische Themen erweitert hat.

Nachdem Fräulein Flauschmiez ihre Erfahrungen beim Backen im bis auf den letzten Platz gefüllten Zelt des Straßenfestes mit allen Interessierten geteilt hatte, beantwortete sie dem Schattenblick einige Fragen zu ihrem Werdegang als Veganerin, ihren diesbezüglichen Aktivitäten in Heide (Dithmarschen) und ihrer Abgrenzung von einer veganen Ernährung als bloßem Lifestyle.

Im Portrait nach dem Gespräch - Foto: © 2014 by Schattenblick

Fräulein Flauschmiez
Foto: © 2014 by Schattenblick

Schattenblick: Du hast heute auf dem Veganen Straßenfest vor interessiertem Publikum eine vegane Erdbeer-Sahne-Torte mit Mousse-au-Chocolat-Füllung gezaubert. Wie kam es denn, daß du Veganerin geworden bist und nach solchen Rezepten kochst und backst?

Fräulein Flauschmiez: Ich bin seit 2004 Vegetarierin und auch schon mit dem Veganismus in Kontakt gekommen, habe mich damals aber mit letzterem noch nicht so intensiv auseinandergesetzt. Ich habe 2011 mit meinem damaligen Kumpel und jetzigen Freund angefangen, vegan zu kochen, und bin dadurch nochmal wieder mehr in Berührung damit gekommen. Daraufhin fing ich an, mich auch theoretisch damit auseinanderzusetzen, und habe philosophische, geschichtliche und politische Literatur zu diesem Themenkomplex gelesen. Zugleich wurde ich auch in der Szene aktiv, wobei ich schon seit 2008 vegan backe, weil ich einfach sehr gern koche und backe und das natürlich auch vegan ausprobiert habe. Als Vegetarierin war ich ja schon ein bißchen in dieser Richtung sensibilisiert. So kam es, daß ich ab 2011 zusammen mit einem anderen Veganer immer wieder auch vegan gekocht habe. Dabei konnte ich ganz viel lernen, das hat mir sehr geholfen.

Auf diese Weise nahm das logischerweise immer mehr zu, so daß ich schließlich Veganerin werden wollte. Im Jahr 2012 habe ich das zum ersten Mal versucht, bin da aber noch am Käse gescheitert, wie ich zugeben muß. Zu der Zeit gab es bei uns in Heide noch nicht sehr viele alternative Käseprodukte, ich glaube, noch gar keine. Da war Wilmersburger [2] auch nicht auf dem Markt. 2013 habe ich dann erneut damit angefangen, das komplett umzusetzen, und da gab es ja dann auch schon den Käse, den ich als Übergangsprodukt gut nutzen konnte. Jetzt merke ich, daß ich ihn gar nicht mehr brauche, und vermisse es nicht. Zum Übergang ist das aber sehr hilfreich gewesen. Ja, so kam es dann, daß ich Veganerin wurde, und das gefällt mir sehr gut.

SB: Du hast eine Website, auf der man deine Rezepte nachlesen kann. Machst du auch häufiger Auftritte wie heute auf dem ersten veganen Straßenfest in Hamburg?

FF: Ich habe heute zum ersten Mal eine Backshow gemacht. Seit neuestem koche ich auch im Speicher in Husum. Dort gibt es eine Gruppe, die für Bands kocht, an die ich über meinen Kochfreund rangekommen bin. So eine Backshow wie hier macht mir sehr viel Spaß, und ich würde das gerne wieder machen. Ich habe auch keine Angst, vor Leuten zu sprechen. Von daher würde ich mich freuen, wenn ich die Rezepte mit andern teilen kann.

SB: Du hast heute viel Publikum gehabt, und die Leute waren offensichtlich begeistert. Es war also eine gelungene Premiere für dich.

FF: Das hat mich sehr gefreut. Ich war ganz überrascht, daß auch so viele probieren wollten. Das fand ich wirklich toll und ich hoffe, daß ich damit vielleicht einen Beitrag leisten konnte, daß mehr Leute Veganismus kennenlernen wollen und auch sehen, daß man eben auch mal eine Erdbeertorte auf diese Weise backen kann.

SB: Bist du in Heide auch in einer Gruppe von Veganerinnen und Veganern aktiv?

FF: In unserem Umfeld in Heide gibt es inzwischen doch etliche Veganerinnen und Veganer. Wie kochen auch viel mit Freunden, die nicht vegan sind, und zeigen ihnen, wie das geht. Sie sind auch interessiert, was mich sehr freut. Ich mache das ohnehin lieber über das Kochen, als daß ich sie "missioniere". Auf diese Weise erreicht man meines Erachtens mehr. Wir arbeiten gerade an einer Website über Veganismus für unsere Region auch mit aktuellen Informationen. Wir sind zwar noch am Anfang, hoffen aber, daß wir das bald öffentlich machen können.

SB: Man würde in Heide nicht gerade vermuten, daß dort viele Veganerinnen und Veganer leben. Wie du schon angedeutet hast, entwickelt sich das aber spürbar.

FF: Auf jeden Fall. Ich muß zugeben, daß ich gleichzeitig mit mir selbst auch meine Mutter dazu gebracht habe. Inzwischen sind in meinem Umfeld viele Freunde und Bekannte entweder interessiert oder, weil sie mit uns gekocht haben, auch schon Vegetarier oder eben dann auch Veganer geworden. Das finde ich schön, und es wird definitiv immer mehr - selbst in Heide. (lacht)

SB: Du hast ja schon erzählt, daß du dich auch theoretisch damit beschäftigt hast. Das Thema "vegan" ist demnach für dich nicht nur auf Ernährung beschränkt?

FF: Nein, gar nicht. Ich habe jetzt gerade "Antispeziesismus" [3] gelesen und würde das Buch jedem weiterempfehlen, weil es ja die Geschichte der Tierrechtsbewegung angefangen vom Vegetarismus vor tausend Jahren oder wie lange das her ist, zum Inhalt hat. Ich finde das in allen Bereichen äußerst interessant, das beschränkt sich bei mir nicht nur auf Ernährung.

SB: Die Kleinstadt Heide ist von traditioneller Landwirtschaft auch mit Viehzucht und Milchwirtschaft umgeben. Du lebst also gewissermaßen im "Feindesland". Welche Reaktionen hast du aus der Bevölkerung von Leuten erhalten, die mit Veganismus noch gar keine Berührung hatten?

FF: Das ist immer sehr durchmischt. Manche haben gar kein Verständnis dafür und fühlen sich dann doch auch ein wenig angegriffen oder reagieren jedenfalls so, man kennt das ja. Andere wiederum sind sehr neugierig, weil das Thema durch die Medien gerade in aller Munde ist. Das kriegt dann doch selbst in Dithmarschen jeder mit. Insgesamt gesehen erlebe ich das aber doch eher positiv als negativ.

SB: Wie würdest du insgesamt die Stimmung in Hinblick auf Tierrechte in der deutschen Bevölkerung einschätzen?

FF: Ich glaube, da sind wir noch mehr am Anfang als beim Veganismus. Der Veganismus ist gerade auch so ein richtiger Hype, den viele nur aus gesundheitlichen oder Lifestyle-Gründen nutzen. Da kann man noch viel, viel mehr erreichen, und das sieht man ja heute hier, wie viele Leute auf das Straßenfest gekommen sind und dafür kämpfen. Aber das Thema Tierrechte ist noch nicht so weit verbreitet wie der Veganismus, weil die Menschen noch speziesistisch denken. Ich hoffe natürlich, daß man das in der Zukunft ändern kann.

SB: Veganismus als Lifestyle, den du angesprochen hast, könnte ja in eine völlig andere Richtung gehen, indem sich Menschen, die ein höheres Einkommen haben, schlichtweg ein besseres Leben machen wollen.

FF: Das ist zwar jedem unbenommen, doch sollte man schon sein ganzes Leben bedenken. Es reicht ja nicht aus, lediglich keine Tierprodukte zu essen, sich aber Leder oder Ähnliches zu kaufen. Vor allem geht es nicht nur um einen selber, sondern die Mitspezies auf dieser Erde. Da ist es schon schöner, nicht nur egoistisch an seinen Lifestyle zu denken, sondern an die Umwelt, an die Ressourcen, die zur Neige gehen, und ähnliche Themen.

SB: Deine Torte hat überhaupt nicht nach Verzicht ausgesehen und geschmeckt, im Gegenteil. War das auch eine Botschaft, daß man vegan leben und dabei gute Sachen essen kann?

FF: Wenn jemand meint, er müßte als Veganer auf viele Dinge verzichten, würde ich ihm sagen, daß das definitiv nicht der Fall ist. Ich habe festgestellt, daß man als Veganerin so viele neue Produkte und tolle neue Themen, Theorien und natürlich auch Menschen entdeckt, daß sich einem etwas Neues und Positives eröffnet. Ich verzichte auf einige Dinge, die ich früher konsumiert habe, vermisse sie aber überhaupt nicht. Es ist einfach ein positiveres Lebensgefühl, weil man das nicht mehr zu sich nimmt und unterstützt. Ich fühle mich dadurch viel besser und überhaupt nicht, als würde ich auf etwas verzichten.

SB: Vielen Dank für dieses Interview.

Fräulein Flauschmiez mit Helfer beim Füllen eines Spritzbeutels - Foto: © 2014 by Schattenblick

Hand in Hand für ein unwiderstehliches Argument
Foto: © 2014 by Schattenblick


Fußnoten:

[1] http://frlflauschmiez.blogspot.de/

[2] Eine vegane Käsealternative

[3] Rude, Matthias: Antispeziesismus. Die Befreiung von Mensch und Tier in der Tierrechtsbewegung und der Linken. Schmetterling-Verlag, 2013, ISBN 3-89657-670-4.



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