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INTERVIEW/025: Feiern, streiten und vegan - Schmerzprodukte ...    Aktivistin May-Britt im Gespräch (SB)


Milch von glücklichen Kühen?

Interview auf dem Veganen Straßenfest in Hamburg am 13. September 2014



May-Britt ist in der Tierrechtsinitiative Hamburg aktiv. Am Stand der "Sag Nein zu Milch"-Kampagne [1] auf dem Veganen Straßenfest in Hamburg-St. Georg beantwortete sie dem Schattenblick einige Fragen zu den Gründen ihres Engagements gegen den Milchkonsum und zur Ausbeutung sogenannter Milchkühe.

Transparent 'Tiere sind keine Milchmaschinen' - Foto: 2014 by Schattenblick

Foto: 2014 by Schattenblick

Schattenblick: May-Britt, du bist bei der Tierrechtsinitiative Hamburg aktiv. Was ist euer Anliegen?

May-Britt: Wir setzen uns für die Rechte von Tieren in allen Bereichen ein, sei es Zirkus oder Tierausbeutung. Hier auf der Veranstaltung geht es uns konkret um die Milch. Wir wollen die Leute dazu animieren, auf Alternativen umzusteigen.

SB: Heutzutage leben viele Menschen vegetarisch und greifen häufig zu Milchprodukten, weil sie der Meinung sind, sich die erforderlichen Eiweiße nur auf diesem Wege zuführen zu können. Auf jeden Fall gilt Milch als gute Alternative zum Fleisch. Was gäbe es aus eurer Sicht dagegen einzuwenden?

MB: Ich war selber fünfzehn Jahre lang Vegetarierin und habe viele Milchprodukte konsumiert, weil ich im Irrglauben war, daß Milch mir das nötige Kalzium gibt. Dies wird in der Werbung auch seit Jahrzehnten so suggeriert. Ich habe mich dann schlau gemacht und mehr durch Zufall erfahren, wie die Tiere in der Milchindustrie ausgebeutet werden. Die Kuh gibt natürlich nicht freiwillig Milch, sondern nur, wenn sie ein Kalb geboren hat.

SB: Auf wissenschaftlicher Ebene gibt es heftigen Streit um den Nutzen des Milchkonsums. Die einen rühmen die gesundheitsfördernde Wirkung der Milch, die anderen behaupten, sie begünstige die Entstehung einer ganzen Reihe von Krankheiten. Wie stehst du zu diesen Argumenten?

MB: Für mein Empfinden ist es völlig logisch, daß der menschliche Körper pflanzliches Eiweiß besser verstoffwechseln kann als tierisches Eiweiß. Ich denke schon, daß Kuhmilch viele Krankheiten begünstigt, was aber nicht zwangsläufig bedeutet, daß man Krebs oder Gicht kriegt, nur weil man Kuhmilch konsumiert. Diese Probleme gibt es bei der Pflanzenmilch nicht, und zudem schmeckt sie wesentlich besser. Man hat auch tausendmal mehr Auswahl und vor allem bekommt man kein schlechtes Gewissen dabei.

SB: Geht es dir bei deinem Engagement vor allem um den Aspekt der Tierausbeutung oder stehen eher gesundheitliche Fragen im Vordergrund?

MB: Für mich wie auch für meine Mitstreiter geht es um beides. Was in der Milchindustrie passiert, ist unerträglich, wenn zum Beispiel das Kalb direkt nach der Geburt der Mutter entrissen wird, nur damit man deren Milch rauben kann. Mittlerweile muß eine Kuh auch viel mehr Milchleistung erbringen, nämlich das Doppelte wie vor 20 Jahren. Die Kühe sind nach fünf Jahren verbraucht und kommen dann zum Schlachter. Normalerweise wird eine Kuh mindestens 20 Jahre alt. Das Kalb schreit tage-, manchmal wochenlang nach seiner Mutter, während es isoliert in einem Kuh-Iglu steht. Das ist einfach unmenschlich. Es sind Säugetiere genau wie wir Menschen, und sie sollten die gleichen Rechte haben wie wir Menschen.

SB: Was passiert mit den Kälbern?

MB: Wenn es ein weibliches Kalb ist, erleidet es später das gleiche Schicksal wie die Mutter, das heißt, es wird zur Milchkuh degradiert. Ist es ein männliches Kalb, landet es nach einem halben Jahr auf dem Teller als sogenanntes Kalbsfilet.

SB: Welche Reaktionen schlagen dir und deinen Mitstreitern entgegen, wenn ihr öffentlich gegen ein als gesundes Lebensmittel beworbenes Produkt wie Milch protestiert?

MB: Die Reaktionen sind größtenteils sehr gut, zumal viele Leute eine Laktose-Intoleranz haben. Andere trinken von sich aus keine Milch mehr oder sind auf Sojamilch umgestiegen. Allerdings gibt es noch andere Produkte, die Milch enthalten, und auch diese sollte man weglassen.

SB: Es wird auch Kritik am Sojaanbau, insbesondere in Brasilien, geübt. Auch wenn der allergrößte Teil davon in die Fleischproduktion geht, was sollte man nach deiner Ansicht bedenken, wenn man einen Ersatz für Milch propagiert?

MB: Es ist richtig, der Großteil der Sojaernte geht in die Viehzucht oder Massentierhaltung und landet gar nicht direkt bei uns Menschen, aber es gibt Alternativen zu Sojadrinks wie Hafermilch, Reismilch, Mandelmilch, Haselnußmilch usw., die Palette ist sehr breit. Aber vor allem sollte man Produkte aus biologischem Anbau kaufen.

SB: Menschen mit Laktose-Unverträglichkeit greifen manchmal auch zu Ziegen- oder Schafsmilch. Gilt auch dabei das Kriterium der Tierausbeutung?

MB: Im Grunde ja, wenn auch im kleineren Stil, weil Ziegenmilch nicht in den Mengen produziert wird wie Kuhmilch. Aber im Prinzip kann man das eins zu eins umsetzen, denn den kleinen Zicklein widerfährt das gleiche Schicksal wie den Kälbern.

SB: Da Milch als Grundnahrungsmittel gilt, wird es in der Mehrwertsteuer begünstigt. Wie verhält es sich mit veganem Milchersatz?

MB: Sojagetränke dürfen sich nicht Milch nennen, das ist gesetzlich verboten. Sie werden als Sojadrinks gehandelt, und daher gilt die verminderte Mehrwertsteuer bei ihnen nicht. Und deshalb sind die Alternativen zu Milch auch relativ teuer. Einen Liter Kuhmilch kriegt man für 60 Cent, bei Sojadrinks geht es bei 90 Cent oder einem Euro erst los.

SB: Ist diese Ungleichbehandlung für euch ein politisches Thema, um eine entsprechende Veränderung zu fordern?

MB: Auf jeden Fall wäre es richtig, aber bei unserer Regierung habe ich da so meine Zweifel, ob sie wirklich Interesse daran hat, so etwas auch umzusetzen.

SB: Habt ihr Erfahrungen damit gemacht, daß Agrarverbände aktiv gegen die Kritik am Milchkonsum vorgehen?

MB: Ja, generell steckt hinter der Tierausbeutung auch eine große Lobby, die alles schönzureden versucht. Dann wird mit Propaganda und entsprechenden Videos gegen kritische Argumente gewettert, auch wenn das nur lächerlich ist und nicht der Wahrheit entspricht. Man versucht, die Verbraucher dumm zu halten. Der Mensch, der sich diesen Slogan "Milch macht müde Männer munter" hat einfallen lassen, hat das schon gut hingekriegt.

SB: Du hattest vorhin davon gesprochen, daß die Kälber nach der Geburt in ein Kuh-Iglu kommen. Könntest du das einmal genauer erklären?

MB: Wenn das Kalb seiner Mutter weggenommen wird, kommt es in ein weißes Iglu und steht dann separiert. Es kann nicht mit seiner Mutter kuscheln, kann gar nichts machen, steht nur mutterseelenallein herum und wartet darauf, daß es beim Schlachter landet oder als Weibchen als Milchkuh endet.

SB: Wäre Biomilch eine Alternative für Menschen, die Milch trinken, aber die Tiere nicht schädigen wollen?

MB: Man sollte auf diese Biogeschichte nicht reinfallen. Das Zertifikat Bio sagt ja nur aus, daß die Kühe oder Nutztiere kein genmanipuliertes Futter bekommen. Das bedeutet nicht, daß sie nicht genauso übel vor sich hinvegetieren wie in der konventionellen Tierhaltung. Bio ist nicht gleich gut.

SB: May-Britt, danke für das Gespräch.

Stand der 'Sag Nein zu Milch'-Kampagne - Foto: © 2014 by Schattenblick

Foto: 2014 by Schattenblick


Fußnote:


[1] http://www.sagneinzumilch.de/index.php



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1. Oktober 2014