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ETHIK/009: Der Strom der Liebe (Ingolf Bossenz)


Der Strom der Liebe

Von Ingolf Bossenz, 24. Dezember 2010


Wie Kain nach Abel gefragt wurde, so werden auch wir nach unseren Brüdern, den Tieren, gefragt werden.« Das klingt reichlich rührselig, passt also zu Weihnachten. Doch die Frage, die der Dichter Reinhold Schneider (1903-1958) formulierte, wird nicht gestellt werden. Schon gar nicht an den Feiertagen. Zwar erklären diverse Organisationen alle Jahre wieder, dass Tiere nicht auf den Gabentisch gehören. Aber dass sie in Pfanne, Topf, Ofen und schließlich in Einzelteilen auf den Festtagstisch gehören, ist gesellschaftlicher Konsens. Die Predigten in den Kirchen verweisen bestenfalls auf Ochs und Esel an der Krippe, aber nicht darauf, dass Jesu Geburtstag hierzulande vor allem ein Schlachtfest ist. Friede auf Erden - die Tiere gehören nicht dazu, heute weniger denn je.

Die deutschen Energieversorger erwarten für den 25. Dezember einen sprunghaften Anstieg des Stromverbrauchs. Die sogenannte Gänsebraten-Spitze treibe den Bedarf am ersten Weihnachtstag um etwa ein Drittel in die Höhe, teilte der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft mit. Die 40 Millionen Haushalte in Deutschland verbrauchen an diesem Tag rund 480 Millionen Kilowattstunden - 120 Millionen mehr als an einem normalen Tag. Immerhin: Die sprichwörtliche Tierliebe der Deutschen lässt sich zu Weihnachten messen - in Kilowattstunden.


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Quelle:
Ingolf Bossenz, Dezember 2010
Der Schattenblick veröffentlicht diesen Artikel mit der freundlichen
Genehmigung des Autors.
Erstveröffentlicht in Neues Deutschland vom 24.12.2010
http://www.neues-deutschland.de/artikel/187174.der-strom-der-liebe.html


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Dezember 2010