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ETHIK/022: Tierschutz aus Sicht der Bahá'í-Religion (PROVIEH)


PROVIEH Heft 4 - Dezember 2008
Magazin des Vereins gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V.

Tierschutz aus Sicht der Bahá'í-Religion

Von Stefan Johnigk


Wert auf lebenslange Erziehung und Bildung. Gerade beim mitfühlenden Umgang mit Tieren kommt es auf die Erfahrungen der frühen Kindheit an. "Erzieht Eure Kinder von den frühesten Tagen an, unendlich zart und liebevoll zu Tieren zu sein. Ist ein Tier krank, lasst die Kinder es zu heilen versuchen; ist es hungrig, lasst sie es füttern; ist es durstig, lasst sie es tränken; ist es schwach, lasst sie dafür sorgen, dass es ausruht."

Im Bahá'í-Glauben wird dem Tierschutz eine wichtige Bedeutung beigemessen. Der Mensch ist nicht nur aufgefordert, mit seinen Mitmenschen mitfühlend und gütig umzugehen. Vielmehr soll er "jedem Lebewesen höchste Güte bezeigen, hegen doch in allen körperlichen Vorgängen, wo immer der Tiergeist betroffen ist, Mensch und Tier dieselben Gefühle. (...) Welcher Unterschied besteht denn wirklich, wenn es um körperliche Empfindungen geht? Die Gefühle sind dieselben, ob man einem Menschen oder einem Tier Schmerz zufügt. Da gibt es keinerlei Unterschied."

Die alltäglichen Grausamkeiten im Umgang mit Nutztieren gehen vor allem auf die Unwissenheit der Menschen zurück und erfordern Aufklärungsarbeit, wie sie auch PROVIEH leistet. "Der Mensch hat diese Wahrheit allerdings nicht begriffen. Er wähnt, dass sich körperliche Empfindungen auf menschliche Wesen beschränken. Deshalb ist er zu den Tieren ungerecht und grausam."

Die Verantwortung für jegliches Tun und Lassen liegt aus Sicht des Bahá'í-Glaubens allein beim Individuum. Jeder Mensch ist sich selbst und Gott gegenüber zu täglicher Rechenschaft pflichtig. Auch wenn die Bahá'í-Religion außer dem Verbot von Drogenkonsum keine einschränkenden Ernährungsgebote kennt, so spricht sie sich doch eindeutig für einen maßvollen Fleischkonsum aus und räumt einer vegetarischen Lebensweise einen klaren Vorzug ein. "Was den Verzehr von Tierfleisch und die Enthaltsamkeit davon angeht, ... so ist er (der Mensch) nicht darauf angewiesen noch gezwungen, Fleisch zu essen. Auch ohne Fleisch zu essen, kann er im Besitz größter Kraft und Energie sein... Wahrlich, Tiere zu töten und ihr Fleisch zu essen, stehen im Widerspruch zu Mitleid und Mitgefühl. Wenn sich jemand mit Körnern, Früchten, Öl und Nüssen wie Pistazien, Mandeln und so weiter begnügen könnte, wäre dies zweifellos besser und angenehmer."

Das Tier steht im Gegensatz zum Menschen auch in der modernen Welt weitgehend rechtlos da. Auch wenn sein Schutz gesetzlich verankert ist, können zu seinen Gunsten nur Einzelpersonen vor Gericht ziehen - zumindest bis endlich ein Verbandsklagerecht für Tierschutzorganisationen eingeräumt wird. Aus Sicht der Bahá'í-Lehren klingt das so: "Tatsächlich ist es schlimmer, einem Tier zu schaden, denn der Mensch hat Sprache, er kann sich beklagen, kann schreien und jammern. Wenn ihm Unrecht geschieht, kann er sich an die Obrigkeit wenden und sie wird ihn vor seinem Angreifer schützen. Aber das unglückliche Tier ist sprachlos. Es kann seinen Schmerz weder ausdrücken noch seinen Fall vor die Obrigkeit bringen. Wenn ein Mensch einem Tier tausend Übel zufügt, kann es ihn weder mit Worten abwehren noch vor Gericht ziehen. Deshalb ist es besonders wichtig, dass ihr den Tieren die größte Rücksicht erweist und zu ihnen eher noch gütiger seid als zu euren Mitmenschen."

Zitate im Text: Abdu'l-Bahá (* 1844, † 1921), persischer Schriftgelehrter und ältester Sohn Bahá'u'llahs.


Seit Mitte des 19. Jahrhunderts hat sich die Religion der Bahá'í (sprich: baha`i) von ihren Ursprüngen in Persien weltweit verbreitet. Ihre rund 7,7 Millionen Anhänger leben überwiegend in Indien, dem Iran, in Schwarzafrika, Südamerika und den USA. Die Bahá'í-Gemeinde in Deutschland zählt zwischen 5.000 und 10.000 Mitglieder. Die Bahá'í berufen sich auf die Lehren ihres Religionsstifters Bahá'u'lláh, in deren Mittelpunkt die Einheit Gottes, die Gleichwertigkeit aller Religionen und die Einheit der Menschheit als unteilbarer Gemeinschaft stehen.


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Quelle:
PROVIEH Heft 4, Dezember, 2008, Seite 14-15
Herausgeber: PROVIEH - Verein gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V.
Küterstraße 7-9, 24103 Kiel
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PROVIEH erscheint viermal jährlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Januar 2009