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ETHIK/021: Tierschutz aus buddhistischer Sicht - Mitgefühl mit allen Wesen (PROVIEH)


PROVIEH Heft 4 - Dezember 2008
Magazin des Vereins gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V.

Mitgefühl mit allen Wesen
Tierschutz aus Buddhistischer Sicht


Die Lehren des Buddhismus zum Umgang mit Tieren lassen sich nicht erklären, ohne auf die Geschichte des Buddhismus einzugehen: Als der nordindische Prinz Siddharta, der später der Buddha genannt wurde, vor ca. 2.500 Jahren den Weg zur Erleuchtung fand, wollte er alle fühlenden Wesen vom Leid befreien. Er war behütet aufgewachsen, seine Eltern hatten bewusst alle unangenehmen Erfahrungen von ihm ferngehalten. Erst im Erwachsenenalter begegnete er der Unausweichlichkeit von Alter, Krankheit und Tod und dem Leiden, das damit verbunden war.

Er sah auch, dass dieses Leid nicht nur Menschen widerfuhr: Die Legende besagt, dass er über die schockierende Erkenntnis des menschlichen Leidens bei einem Ausritt nachdenken wollte. Er rastete am Rande eines Ackers, der gerade gepflügt wurde. Nachdem er zunächst das friedliche Idyll genossen hat, sah er den Ochsen, der mühsam und unter Peitschenhieben den Pflug zog, er sah die Tiere im Boden, die durch den Pflug getötet oder verletzt wurden.

Dadurch wurde ihm klar, dass nicht nur die Menschen, sondern alle fühlenden Wesen - also auch Tiere - gleichermaßen leiden. Diese Erkenntnis hat ihm keine Ruhe gelassen und er suchte nach einer Lösung. Nach 7 Jahren der Suche und Meditation erkannte er die offene, klare und unbegrenzte Natur des Geistes, was er als zeitlose, höchste Freude erfuhr. Dieses Potenzial, die Buddhanatur, wohnt allen fühlenden Wesen inne. Sie ist in ihrer Essenz unzerstörbar und offen wie der Raum, in ihrer Erfahrung Freude und in ihrem Ausdruck Liebe zum Nutzen der Wesen. Er sah, dass auf relativer Ebene die Ursachen für Glück und Leid in unseren eigenen Worten, Taten und Gedanken liegen. Wir schaffen selbst die Welt, die wir erleben. Dies nannte er Karma, das Gesetz von Ursache und Wirkung. Die Wirkungen können kurzfristig oder in einem späteren Leben eintreten.

Aber wie gehen Buddhisten mit dieser Erkenntnis um und was bedeutet Tierschutz für einen Buddhisten?

"Der Buddha hat keine Regeln aufgestellt, sondern Empfehlungen als Freund gegeben." sagt Michaela Fritzges vom Buddhistischen Zentrum der Karma-Kagyü-Linie in Kiel. "Da alles, was wir aussenden, früher oder später auf uns zurückfällt, ist es klug den Wesen zu nutzen, so gut wir können, und zu vermeiden, anderen bewusst Leid zuzufügen: aus Mitgefühl - oder wo das nicht möglich ist, wenigstens aus eigenem Interesse."

Im Umgang mit Tieren heißt das, dass wir uns der Buddhanatur jedes Lebewesens bewusst sind und diese in ihm sehen. Der respektvolle Umgang mit Tieren und Handlungen, die das Leid von Tieren soweit möglich vermeiden, ergeben sich daraus automatisch. Auch hier gilt, was wesentlich für den Buddhismus insgesamt ist: Statt Dogmen und begrenzender Regeln stehen Eigenverantwortung, Mitgefühl und Weisheit - sowie die höchste Sichtweise, dass alle Wesen die Buddhanatur haben - im Mittelpunkt. Daher gibt es eigentlich keine allgemeingültigen Vorschriften, es kommt immer auf die Situation und die Motivation an.

Das Töten von Tieren allerdings sollte ein Buddhist nach Möglichkeit unterlassen. Manchmal allerdings lässt es sich durch die menschliche Lebensweise nicht vermeiden, Tiere zu töten oder anders in Mitleidenschaft zu ziehen. Im Tibet früherer Zeiten beispielsweise war es aufgrund der klimatischen und geografischen Gegebenheiten in 3.500 m Höhe nicht möglich, auf Fleisch zu verzichten. Und selbst der Anbau von Pflanzen tötet viele Tiere, wie ja schon der Buddha bei seinem Ausflug erkannt hatte.

Wer sein Mitgefühl im Geist halten und zum Besten der Wesen einsetzen möchte, kann Mantras für Tiere sprechen. "Unser Lama Ole Nydahl erzählt oft, dass er vor vielen Jahren mit dem mittlerweile verstorbenen Meditationsmeister Kalu Rinpoche im Winter mit einem VW-Bus durch Skandinavien fuhr. Die Heizung war kaputt, trotzdem ließ der schon betagte Kalu Rinpoche es sich nicht nehmen, stets das Fenster zu öffnen und gute Wünsche für die Tiere zu machen, indem er ihnen das Mitgefühlsmantra zurief: OM MANI PEME HUNG!"


Anja Uhlenbrok im Gespräch mit Michaela Fritzges, Buddhistisches Zentrum Kiel


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Quelle:
PROVIEH Heft 4, Dezember, 2008, Seite 9-10
Herausgeber: PROVIEH - Verein gegen tierquälerische Massentierhaltung
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PROVIEH erscheint viermal jährlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Januar 2009