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ETHIK/030: Institut für Theologische Zoologie sichtet Bibelaussagen zum Tier (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 333 - Mai 2010
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

"Versöhnung zwischen Mensch und Tier"
Institut für Theologische Zoologie sichtet Bibelaussagen zum Tier

Von Eckehard Niemann


Vor Gott sind alle Lebewesen gleich, der Mensch ist nicht die Krone und auch nicht das Ziel der Schöpfung, er ist als "Gottes Ebenbild" mit der Verantwortung für die Bewahrung der Schöpfung betraut und kann diesem Auftrag nur mit Ehrfurcht und Respekt vor den Tieren gerecht werden.

Dies sind zentrale Aussagen des "Instituts für Theologische Zoologie" in Münster, geleitet vom Theologen und Verhaltensbiologen Dr. Rainer Hagencord. Mitten in einer Tierhaltungsintensivregion sichtet er die christlichen Aussagen zu den Tieren - für ein neues Verhältnis zu Tier, Natur und Schöpfung und für einen neuen Bezug zum Leben und zu bedrohlichen globalen Zusammenhängen.


Die Tiere in der Bibel

In der Bibel haben die Tiere einen hohen Stellenwert: Im Paradies stellt Gott dem Adam neben der Gefährtin auch die Tiere an die Seite, Noah holt zwei Tiere jeder Art auf seine Arche, Ochs und Esel stehen an der Krippe, Jesus lebt in der Wüste 40 Tage mit den "wilden Tieren" zusammen, Jesus reitet auf einem Esel in Jerusalem ein... Aber die Theologen der letzten Jahrhunderte haben die Tiere beiseite geschoben und sie wie der Philosoph Descartes eher als "seelenlose Automaten" und auszubeutende Sachen begriffen. In der Amtskirche setzt sich diese Tradition fort, auch wegen mannigfacher Rücksichtnahmen auf Lobby-Gruppen. In der Schöpfungsgeschichte ist der Schaffung des Menschen beileibe kein eigener Tag gewidmet - am 6. Tag werden Tiere und Menschen gemeinsam geschaffen. Und auch nicht dieser Tag ist das Ziel von Gottes Schöpfung, sondern der 7. Tag (der Sabbat bzw. der Sonntag), an dem die Schöpfung insgesamt existiert - als Tag des Friedens der Kreaturen untereinander.

Auch Gottes Auftrag an die Menschen, sich die Erde untertan zu machen und über die Tiere zu herrschen, liest sich im hebräischen Urtext nicht als Freibrief zur Ausbeutung, sondern als verantwortliche Aufgabe, "wie ein guter König für seine Schutzbefohlenen zu sorgen". Der Mensch als "Ebenbild Gottes" ist das einzige Geschöpf, das in Stellvertretung Gottes diese Aufgabe übernehmen kann.


Gottesunmittelbarkeit der Tiere

Und die "Grausamkeiten" und das "Fressen- und Gefressenwerden" unter den Tieren? Hagencord: "Selbst eine Katze, die mit der Maus spielt, um sie im nächsten Augenblick umzubringen, handelt nicht bewusst und sadistisch - das bleibt uns Menschen vorbehalten." Laut Franz von Assisi sind die Tiere nicht wie die Menschen aus dem Paradies vertrieben worden - sie haben ihre "Gottunmittelbarkeit" behalten und leben im Augenblick (was wir mit viel Meditation anstreben). Der aus dem Paradies vertriebene Mensch hat diese unmittelbare "paradiesische" Verbindung zwischen Geschaffensein und Handeln verloren, das Tier aber hat nicht wie wir die Verantwortung und Chance, das Leben zu gestalten - und auch nicht die Last, sich vor Leiden und Tod zu sorgen, mit Schuld und Verantwortung umzugehen, die eigene Identität zu finden und den Sinn des Lebens.


Tiere kommen in den Himmel

Hagencord: "Stellen Sie sich den umgekehrten Fall vor - dass nur der Mensch auferstehen sollte, wie viele Christen glauben. Dann stellt sich die Frage: Welcher Mensch? Nur der homo sapiens, der homo erectus aber nicht?" Der Theologe verweist auf Darwins Erkenntnis von der Entstehung der Arten ebenso wie auf die genetischen Übereinstimmungen und Verwandtschaften im Erbgut von Tieren und Menschen, auf den nur graduellen Unterschied zwischen Menschen, Primaten und Meeressäugern hinsichtlich Bewusstsein, Emotionen, Denkfähigkeit und Kulturvermögen. "Auch Tiere haben eine Seele - als poetischer Ausdruck für das unauslotbare Rätsel unserer Existenz", das beide aus der Hand eines liebevollen Gottes haben - beide tragen das Geheimnis des Lebens in sich.


Tierhaltung und Konsum

Hagencords Schlussfolgerungen sind radikal: Er prangert die Missstände und Verstümmelungen der Tiere in der Massentierhaltung an, fordert politische Maßnahmen dagegen und auch individuelle Verantwortlichkeit. Er berichtet über eine intensive Diskussion mit Schweinehalterinnen bei einer Landfrauenversammlung. Trotz allen Engagements der Bäuerinnen für die Tiere - er stellt die Möglichkeit des "Guten in einem schlechten System" in Frage: "Wer Massentierhaltungsfabriken und deren Geschäft bewusst unterstützt, muss sich fragen lassen, ob dies der Würde des Tieres und seinen Bedürfnissen entspricht. Wer wider besseres Wissen Billigfleisch aus dem Supermarktregal nimmt, obwohl er genug Geld für den Biometzger besitzt, der handelt nicht besser."

Hagencord predigt wie Jesus keine Askese, aber ein Ende des bedenkenlosen globalen Fleischkonsums und eine neue Ehrfurchtshaltung vor allem, was lebt. Hagencords Institut will seine Botschaft der "theologischen Zoologie" in Amtskirche, Gemeinden, Kindergärten, Bildungseinrichtungen, Landwirtschaft, Supermärkte, Gesellschaft und Politik tragen.


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 333 - Mai 2010, S. 7
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Juni 2010