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TIERHALTUNG/483: Extensive Haltung erfordert intensives Bemühen (PROVIEH)


PROVIEH Heft 1 - März 2009
Magazin des Vereins gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V.

Extensive Haltung erfordert intensives Bemühen

Karl Ebsen im Gespräch mit Stefan Johnigk


Karl Ebsen kennt sich aus mit Schweinehaltung, sei sie konventionell oder ökologisch. Bis 1988 hielt er rund 120 Sauen auf seinem Hof, in dichter Haltung auf Vollspaltenböden und gelegentlich sogar angebunden. Der wirtschaftliche Druck - zu viele Handelsketten umwerben ihre Kunden mit Schweinefleisch in Masse für möglichst wenig Geld - treibt auch heute noch viele bäuerliche Betriebe zu immer intensiveren Haltungsmethoden. "Das war schlimm für die Tiere, das ging gar nicht. So wollte ich nicht mehr arbeiten."

Bauer Ebsen zog Konsequenzen und stellte seinen Betrieb auf ökologische Wirtschaftsweise um. Statt über hundert lebten zeitweise nur noch 10 Sauen auf seinem Hof, heute sind es rund 40 Mutterschweine. Die Umstellung war nicht ganz einfach. Herr Ebsen erinnert sich: "Wir wollten ganz langsam anfangen, unsere Schweinehaltung nach ökologischen Kriterien wieder aufzubauen. Doch wir haben den hohen Krankheitsdruck aus der alten Intensiv-Tierhaltung mitgenommen." Grund hierfür war der vorher übliche Einsatz von Antibiotika und anderen Pharmazeutika als Masthelfer, der wie in vielen Intensiv-Tierhaltungsställen zu Problemen mit resistenten Krankheitserregern geführt hat. Da sich Sauenställe nicht so leicht wie Operationssäle desinfizieren lassen, setzten diese Krankheitserreger nach der Umstellung auch den Bio-Schweinen zu.

"Intensiv-Tierhaltung erfordert nahezu Sterilität. Deshalb sind Spaltenböden, kleine und leicht zu reinigende Buchten und Desinfektion auch so weit verbreitet. Stroh als artgemäße Einstreu, wie es die EU vorschreibt, verstopft die Spalten. Das passt nicht ins Konzept", erklärt Bauer Ebsen, als PROVIEH ihn auf die Ergebnisse der CIWF-Studie anspricht (siehe Bericht in diesem Heft). Seine Bio-Schweine können ihrem natürlichen Bedürfnis zum Wühlen und Stöbern nachkommen, ihr Stall ist dick ausgestreut, sie fühlen sich wohl. Wie sich dieser Aufwand bei den Kosten bemerkbar macht, wollen wir wissen. "Die Kosten steigen spürbar, denn Stroh ist knapp, und das Einstreuen von Stroh und das Ausmisten kostet viel Handarbeit. Doch wir Ökobauern brauchen den Mist als Dünger, denn er ist besser für den Boden als flüssige Gülle." Auf die Frage nach dem Schwanzkupieren in der Intensiv-Tierhaltung antwortet der Fachmann: "Bei den Tierdichten auf Vollspaltenböden geht das gar nicht anders. Die Tiere beißen sich sonst die Schwänze ab und es gibt die schlimmsten Entzündungen - bis hoch ins Rückenmark kann das gehen." Dann wäre also eine Einhaltung der EU-Vorschriften nur durch eine Umstellung der Haltungsform möglich? "Ja."

Im Sauenstall liegen die Muttertiere und ihr Nachwuchs eng aneinander gekuschelt auf einem weichen Bett aus Stroh. Es sieht idyllisch aus. Was aber ist mit der erhöhten Gefahr, dass die Ferkel von ihrer Mutter erdrückt werden? Das nämlich ist das Lieblingsargument der Intensiv-Tierhalter für die qualvolle Praxis, Sauen wochenlang in die engen Metallgitter der Abferkelungskäfige zu sperren. Herr Ebsen weist auf die Ferkelschutzbügel an den Seiten der Buchten hin. Sie helfen, ein versehentliches Einquetschen der Kleinen zu verhindern. "Wir haben heute keine höheren Verluste bei den Ferkeln als damals, als wir noch intensiv hielten. Eher im Gegenteil: Die Tiere sind deutlich fitter, lebhafter und weniger oft krank." Er nennt ein Beispiel: "Nach dem Abferkeln haben Sauen oft schlimme Verdauungsprobleme. In der Intensiv-Haltung bekommen sie einfach eine Spritze, damit es wieder flutscht. Bei uns reicht es, wenn die Sau sich eine Stunde lang die Beine im Freien vertritt. Das reguliert die Verdauung auf natürliche Weise, während die Ferkel satt unter der Wärmelampe liegen."

Natürlich fordern die natürlichen Methoden ausreichend Zeit für die Pflege der einzelnen Tiere. Deren Bedürfnisse müssen erkannt und berücksichtigt werden. Das bedeutet mehr Menschen und weniger Tiere auf dem Hof. Bauer Ebsen stellt klar: "Selbst unter Bioland-Haltungsbedingungen machen große Herdengrößen massive Probleme. 1000 Sauen artgemäß auf einem Hof halten geht einfach nicht gut. Betriebsgrößen mit 100 Sauen auf vielen regionalen Höfe, das wünsche ich mir." Was sich dazu ändern muss? "Es müssen mehr Menschen bereit sein, faire Preise für Fleisch aus artgerechter Tierhaltung zu bezahlen.

Auch die Vorlieben beim Fleischkonsum sind eher günstig für die Intensiv-Tierhalter als für uns. Robuste Landschweine sind allerbest geeignet für eine artgerechte extensive Tierhaltung, haben aber auch stärker mit Fett marmoriertes Fleisch. Das kauft mir heute kaum noch jemand ab." Politische Unterstützung bei der Extensivierung der Landwirtschaft fehlt, die Subventionen fließen in die falsche Richtung: "Mein Sohn Oke, die Familie und ich haben sehr viel Geld in die Extensivierung gesteckt. Öffentliche Zuschüsse aber für die Umstellung gab es nicht, die fließen in Großinvestitionen ab 200.000 EUR, wie sie eher bei der Industrialisierung und Intensivierung der Landwirtschaft anfallen." Das ist bitter für Bauern wie die Ebsens und eines der größten Hindernisse auf dem Weg zu einer tierschutzgerechten Landwirtschaft.

Wirtschaftlich über Wasser hält sich die Bauernfamilie, indem sie neben dem landwirtschaftlichen Bio-Betrieb mit Schweinen, Rindern, Hühnern, Schafen, Puten und Hofladen rund ums Jahr auch Gäste beherbergt. Das bringt nicht nur ein zusätzliches Einkommen, sondern auch viel Freude: "Viele Menschen wissen gar nicht mehr, wo ihre Lebensmittel her kommen." Hier dürfen sie hautnah erfahren, wie gut Nutztiere leben können, wenn Menschen sich so intensiv darum bemühen wie Bauer Ebsen und seine Familie.


Mehr zum Bioland-Bauernhof Ebsen unter www.Ferienhof-Ebsen.de


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Quelle:
PROVIEH Heft 1, März 2009, Seite 21-23
Herausgeber: PROVIEH - Verein gegen
tierquälerische Massentierhaltung e.V.
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PROVIEH erscheint viermal jährlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. April 2009