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TIERHALTUNG/499: Puten- und Schweinemast in der EU und in der Schweiz - ein Vergleich (PROVIEH)


PROVIEH Heft 4 - Dezember 2009
Magazin des Vereins gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V.

Puten- und Schweinemast in der EU und in der Schweiz - ein Vergleich

Von Susanne Aigner


Vollspaltenböden ohne Einstreu, gestutzte Schnäbel und Flügel, Eingriffe am Tier ohne Betäubung, wenig oder gar kein Auslauf: Das ist die Realität in der konventionellen Tierhaltung auf rund 95 % aller Betriebe in Deutschland. Dabei spielt der ökonomische Faktor bei der Haltung von Nutztieren eine übergeordnete Rolle. Nach dem Prinzip: Je geringer die Arbeitszeit und der Kostenaufwand, desto höher ist der Gewinn je Tier. Das Tier wird der Technik angepasst, anstatt die Technik dem Tier unterzuordnen. Ganz anders in der Schweiz. Das Alpenland ist bekannt für seine kleinstrukturierten Betriebe mit artgerechter Tierhaltung. Und das, ohne dass die Bauern in den wirtschaftlichen Ruin geraten. Von rund 60.000 landwirtschaftlichen Betrieben mit Tierhaltung sind auf 12.000 BTS (Besonders tierfreundliche Ställe = Mehrraumlaufstall) und RAUS (regelmässiger Auslauf ins Freie) verbindlich vorgegeben. IP-Suisse, Bio-Suisse und KAG-Freiland sind die drei wichtigsten Schweizer Verbände mit verbindlichen Richtlinien für eine artgerechte Tierhaltung.

IP SUISSE (Integrierte Produktion) ist der Zusammenschluss von rund 21000 integriert produzierenden Bauernfamilien mit dem Anspruch, umweltschonend und tiergerecht zu produzieren. IP-SUISSE Betriebe werden von neutraler Stelle jährlich kontrolliert und zertifiziert. BIO SUISSE, gegründet 1981, ist der Dachverband des Biologischen Landbaus in der Schweiz. Die Träger der eingetragenen Marke Knospe sind rund 5700 Knospe-Bauern und Knospe-Gärtner aus 32 Organisationen. Bezüglich der Tierhaltung gibt es zu IP-SUISSE nur geringfügige Unterschiede.

Der Tierschutz-Organisation KAGFreiland (Konsumenten- und Arbeitsgemeinschaft) sind einige 100 Biobetriebe angeschlossen. Sie setzt sich seit 1972 für die artgerechte Haltung von Nutztieren ein. Das von ihr eingeführte Label für Fleisch und Eier bescheinigt deren Herkunft aus tierfreundlicher Produktion. Die Betriebe werden regelmäßig unangemeldet kontrolliert. Am Beispiel von Puten- und Schweinemast werden diese Verbände den Praktiken der konventionellen Tierhaltung in Deutschland und den Regelungen der EU-Bio-Verordnung (*) im Folgenden gegenübergestellt.


Schweinemast

In der Intensivmast hat ein Schwein zwischen einem und einem halben Quadratmeter Platz. Die Regel sind Vollspaltböden ohne Einstreu. Bei "QM Schweizer Fleisch" (konventionelle Schweinemast, rund 33 % aller Tiere) sind Vollspaltenböden erlaubt.

Auf Betrieben, die nach der EU-Bio-Verordnung kontrolliert werden, stehen einem Tier 1,3 m² befestigter Boden (mit Suhlen) zu. Bei IP-Suisse stehen dem Tier zwei getrennte Bereiche für Aktivität und Liegen zur Verfügung. Mindestens ein Drittel der Fläche muss Festboden sein (keine Vollspaltenböden). Die Liegefläche darf nicht perforiert sein und muss mit Stroh eingestreut sein. Die Tiere sind frei in Gruppen zu halten. Ein Tier mit einem Gewicht zwischen 60 und 110 kg verfügt über 1,6 m² Platz (0,65 m² davon sind Auslauf). Nasenringe bei Schweinen in Freilandhaltung sind verboten. Bio-Suisse: Vollspalten- und vollperforierte Böden sind verboten. Platz je Tier: 1,5 m² mit Stroh und Auslauf ins Freie. Alle Tiere müssen ab dem 24. Lebenstag täglich Auslauf haben (s. RAUS-Verordnung). Raufutter oder Stroh muss den Tieren ständig zur Verfügung stehen. Die Liegeflächen sind mit Stroh eingestreut.

KAGFreiland: Beim Bau von Schweineställen ist auf einen möglichst geringen Anteil von perforierten Böden zu achten. Gitterböden sind nicht gestattet. Einem Tier von 60 bis 110 kg Lebendgewicht steht eine Fläche von 1,65 m² zu, bei maximal 30 % Spaltenböden im Laufhof. Die Liegefläche darf nicht perforiert und muss mit langfaserigen Materialien (Stroh) eingestreut sein. Alle Tiere müssen gleichzeitig im Trocknen liegen können.

Fazit: IP-Suisse (keine Nasenringe!) und KAGFreiland (mit 1,65 m² der meiste Platz je Tier) haben gegenüber der EU-Bio-Verordnung sehr differenzierte Bestimmungen. Und Teilspaltenböden sind auch in der Schweiz erlaubt.


Putenmast

Bodenhaltung in abgedunkelten Hallen(**), Schnabel kürzen ohne Betäubung und Impfen im Automaten sind charakteristisch für die konventionelle Putenmast. Auf 1 m² drängeln sich fünf bis sechs Puten. Die weiblichen Tiere werden in Deutschland nach 14 bis 16 Wochen geschlachtet, die männlichen nach 18 bis 22 Wochen. Von Migros verkaufte Optigal-MastPuten werden nach dem künstlichen Ausbrüten in einer Halle mit 5000 Tieren gemästet und schon nach 45 Tagen mit einem Gewicht von 1,5 bis 2,0 kg geschlachtet. Eine Studie der Uni Bern wies bei 97 % der untersuchten Optigal-Puten geschädigte Beinknochen nach.(***)

Laut EU-Bio-Verordnung dürfen 10 Puten (höchstens 21 kg Lebendgewicht) auf 1 m² stehen. Die Tierzahl im Stall darf 2500 nicht überschreiten. Das Mindestalter bei der Schlachtung von Puten liegt bei ca. 100 Tagen. Langsam wachsende Rassen sollen bevorzugt gehalten werden.

Auf IP-Suisse-Betrieben gelten die RAUS-Bedingungen, das heisst, die Puten müssen täglich während fünf Stunden ins Freie gelassen werden.

Bei Bio-Suisse ist dem Mastgeflügel Auslauf (Außenklimabereich) mit Staubbad zu gewähren, mit Schatten und Schutz vor Feinden. Nach jedem Umtrieb wird gewechselt, um Parasiten vorzubeugen. Die Auslauffläche darf maximal zwei Mal jährlich mit Geflügel belegt werden (mit mindestens zwölf Wochen Pause dazwischen). Die Tiere dürfen von offener Wasserstelle trinken.

Bei KAGFreiland sind maximal 250 Mastputen in der Herde zugelassen. Die Tiere müssen erhöhte Ruheplätze aufsuchen können (Sitzstangen). Im Stall sind 20 kg Lebendgewicht je Quadratmeter zugelassen. Auf der Weide hat ein Tier 10 m² zur Verfügung (für schwerere Linien 20 m²). Ab dem 43. Lebenstag müssen die Tiere drei Viertel eines Tages Zugang zur Weide haben.

Fazit: Laut Schweizer Tierschutzverordnung ist für Hausputen ab der 7. Lebenswoche eine maximale Tierdichte von 36,5 kg Lebendgewicht pro m² vorgeschrieben. Auffällig große Differenzen gibt es in der Besatzdichte: Bei EU-Bio dürfen zehn Puten auf 1 m² gezwängt werden (bei einer Höchstzahl von 2500 Tieren im Stall). Bei KAGFreiland hingegen verfügt ein Tier über 10 m² (maximale Herdengröße: 250 Tiere).


(*) EU-weite Regelung von Mindeststandards im Öko-Landbau, die Produkte sind mit dem Bio-Siegel gekennzeichnet.

(**) Bei Tageslicht fressen und bewegen sich die Tiere mehr, wodurch sich die Futterkosten erhöhen.

(***) Folgen sind Atemwegserkrankungen, Federpicken, Kannibalismus, Erkrankungen des Skelettsystems (Beinschwäche), Schmerzen, Mattigkeit, Lahmheiten, Beinverdrehungen, Gelenkentzündungen, Muskeldystrophie, Zehenverkrümmungen; Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems, pathologische Veränderungen der Brustblase. 10 % der Tiere sterben vorzeitig. 97 % aller Puten können zum Ende der Mast nur noch liegen. Fütterungszusätze sind Antibiotika, Impfstoffe, Wachstumsbeschleuniger. Veterinäre fanden in 60 % der Putenleber Fäkalbakterien.


Quellen

Die neue EG-Verordnung Ökologischer Landbau. Januar 2009. Unterbringung der Nutztiere (62-63)

Ausführungsbestimmungen MKA - Sammlung der Präzedenzentscheide der MKA vom 1. Januar 2008

IP-Suisse - Richtlinien Gesamtbetrieb. Grundanforderungen für sämtliche IP-Suisse-Labelprogramme. Oktober 2007 Minimale Haltungsbedingungen von Nutztieren

KAGfreiland-Richtlinien für Schweine: www.kagfreiland.ch/kagfreiland.asp?

KAGfreiland-Richtlinien für Puten:
www.kagfreiland. ch/media/3_Bauern_Bauerinnen/1_Tier-Richtlinien/8_KAG-RL-081215_Puten.pdf

Hirt, Helen (2004) Töten männlicher Legeküken Situationsanalyse Schweiz 2004. FiBL-Bericht, Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) CH-Frick.

Tierschutzverordnung (TschV) der Schweiz vom 23. April 2008 (Stand am 1. März 2009)


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Quelle:
PROVIEH Heft 4, Dezember, 2009, Seite 30-33
Herausgeber: PROVIEH - Verein gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V.
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PROVIEH erscheint viermal jährlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Januar 2010