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INITIATIVE/396: Ende der Tötung männlicher Eintagsküken endlich in Sicht (PROVIEH)


PROVIEH MAGAZIN - Ausgabe 3/2014
Magazin des Vereins gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V.

Ende der Tötung männlicher Eintagsküken endlich in Sicht

Von Sabine Ohm



Überwiegend ist es noch üblich, männliche Küken von Legehennen gleich nach dem Schlupf zu töten. Allein in Deutschland sind es jedes Jahr ca. 40 Millionen. Diese Praxis soll 2015 in Nordrhein-Westfalen (NRW) verboten sein. Dagegen klagten einige der zwölf betroffenen Brütereien aus NRW. Der Ausgang des Verfahrens ist noch ungewiss, aber unabhängig davon gibt es Grund zu Optimismus. Denn auch Hessen, wo eine von Deutschlands größten Brütereien steht, in der ca. 15 Millionen Geschwisterküken pro Jahr getötete werden, hat am 4. September 2014 ein Verbot verhängt. Es tritt in Kraft, sobald eine Alternative verfügbar ist - und die ist jetzt in greifbarer Nähe!


Warum die Massentötung?

Kritik üben wir Tierschützer schon seit langem an der Hochleistungszucht von Legehennen und Masthühnern. Die einseitig auf Eierleistung gezüchteten Legehennen-Hybriden legen weit über 300 Eier in nur einem Jahr, nach dessen Ablauf sie als Suppenhuhn oder Tierfutter enden. Ihre männlichen Geschwister setzen nicht schnell genug Fleisch an, weshalb sie meist nicht aufgezogen werden. Doch gibt es Initiativen wie "Ei care" (www.aktion-ei-care.de) und die "Bruderhahn Initiative Deutschland" (www.bruderhahn.de), die diese männlichen Geschwister als Brathähnchen mästen (siehe PROVIEH-Magazin 1/2014). Auch gibt es einige engagierte Gastronomen, die - in Baden-Württemberg zum Beispiel unter der Bezeichnung "Mistkratzerl" - solche Junghähne als Spezialität zubereiten.

In Italien werden größere Mengen dieser auch "Stubenküken" genannten Hähnchen aufgezogen. Diese Nische ist wahrscheinlich auch in Deutschland noch ausbaufähig. Aber 40 Millionen Stubenküken pro Jahr zu vermarkten ist derzeit wohl illusorisch. Denn die meisten wissen gar nicht, dass die Brüder der Legehennen am Schlupftag getötet werden und wären deshalb wohl nicht bereit, den nötigen Aufpreis für einen Bruderhahn zu bezahlen. Zudem gibt es an der Aufzucht ökonomische und ökologische Kritik, selbst aus dem Biobereich, da die Brüder von Legehennen etwa dreimal so lange und viermal so viel Futter brauchen wie moderne Masthybriden, bis sie das Schlachtgewicht erreichen. Deshalb produzieren sie nicht nur entsprechend mehr Exkremente, sondern benötigen auch mehr Fläche für den Futteranbau.

Da Hühner zudem Nahrungskonkurrenten für den Menschen sind, sehen Einige die Aufzucht auch im Widerspruch zum Ziel der Welternährung. Die Mehrheit der Weltbevölkerung isst Fleisch, darunter viel Geflügel, und die Nachfrage steigt: In Deutschland legte allein der Hühnerfleischverzehr von 2003 bis 2013 um knapp ein Drittel, von 9 auf 11,7 Kilogramm pro Kopf zu. In Kulturen, wo kein Schweinefleisch gegessen wird, liegt der Geflügelkonsum noch wesentlich höher. Das ist die Realität. Die können wir Tierschützer höchstens langfristig verändern, zum Beispiel durch Aufklärungsarbeit und politischen Druck für gesellschaftlichen Wandel. Doch eine Lösung für das aktuelle Tierschutzproblem ist jetzt nötig. Sie zeichnet sich ab.


2015: Das Jahr des Kükens?

2005 hatte die hessische Tierschutzbeauftragte Dr. Martin die Forschung zur frühen Geschlechtsvorhersage angeschoben. Die Universität Leipzig führte unter Leitung von Prof. Dr. Krautwald-Junghanns in Kooperation mit weiteren wissenschaftlichen Institutionen und Wirtschaftspartnern Untersuchungen für eine Geschlechtsbestimmung im Ei durch. Mit Hilfe von hessischen, niedersächsischen und Bundesmitteln wurden zwei Methoden entwickelt, die nun kurz vor der Praxisreife stehen.

Beim ersten Verfahren wird durch ein winziges Loch in der Schale die embryonale Harnblase (Allantois) punktiert, um anhand der Geschlechtshormone in der Flüssigkeit die Geschlechtsbestimmung vorzunehmen. Das geht ab dem 9. Tag der Bebrütung, also kurz vor der Entwicklung des Schmerzempfindens beim Küken-Embryo. Vorteilhaft sind zwar die Vorhersagegenauigkeit von 98 Prozent und die im Vergleich zu Hennen aus nicht punktierten Eiern größtenteils unveränderten Leistungsdaten (wie Legeleistung und Futterverbrauch). Aber diese Methode ist relativ zeitaufwändig und teuer. Ein zweiter, noch vielversprechenderer Ansatz, basiert auf molekülspektroskopischer Geschlechtsdiagnose, mit der das Geschlecht bereits am 3. Tag schnell und kostengünstig bestimmt werden kann. Besonders geeignet scheint dafür die "Nah-Infrarot (NIR)-Raman-Spektroskopie" Dabei kann mit Hilfe von Infrarot-Strahlen das Zellmaterial männlicher und weiblicher Hühner unterschieden werden. Ein groß angelegter Brutversuch mit hoher Eizahl ist für Herbst 2014 geplant, ein erster Test mit 150 Eiern verlief bereits vielversprechend.

FAZIT: Die Praxisreife der Methoden scheint greifbar nahe. 2015 könnte also das Jahr des Kükens werden; denn mit einer praxisreifen "In-ovo- Geschlechtsbestimmung" gäbe es nirgends auf der Welt mehr einen Grund für Justiz und Behörden, dem Küken-Massaker (weltweit ca. 5 Billionen pro Jahr!) länger zuzuschauen. Parallel dazu sollte aber aus ethischen und Tierschutzgründen auch die Zucht von Zweinutzungsrassen weiter vorangetrieben werden, die sich sowohl für die Eierproduktion als auch für die Mast eignen.

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Quelle:
PROVIEH MAGAZIN - Ausgabe 3/2014, Seite 14-15
Herausgeber: PROVIEH - Verein gegen
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Oktober 2014