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POLITIK/782: Keine Tierschutz-Quantensprünge in Sicht (tierrechte)


tierrechte 2.16 - Nr. 75, Mai 2016
Menschen für Tierrechte - Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V

Aus den Bundesländern
Keine Tierschutz-Quantensprünge in Sicht


Die Wahlergebnisse in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt machen es den Ländern schwer, stabile Landesregierungen zu bilden. In Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt müssen sogar drei Parteien koalieren, damit die erforderliche Stimmenmehrheit erreicht werden kann. Bahnbrechende Verbesserungen im Tierschutz sind nicht zu erwarten.

In Sachsen-Anhalt regieren CDU, SPD und Grüne das Land. Die Tierschutz-Verbandsklage kommt im Regierungsvertrag der "Kenia-Regierung" nicht vor. Für die CDU ist sie schlicht nicht verhandelbar. Erstaunlich ist, dass die Grünen das Landwirtschaftsministerium erhalten - eine Entscheidung, die die Agrar- und Jagdlobby unbedingt verhindern wollte. Der Koalitionsvertrag enthält zum Tierschutz nur Absichtsbekundungen, wie beispielsweise den Ausbau der behördlichen Tierschutzkontrollen und bessere Haltungsvorgaben für landwirtschaftlich "genutzte" Tiere. Im Februar hat zudem der neue Tierschutzbeauftragte Marco König seine Arbeit im Landwirtschaftsministerium aufgenommen (siehe Textende).

In Rheinland-Pfalz koalieren SPD, FDP und Grüne. Der Regierungsvertrag enthält offene Tierschutzformulierungen, wie zum Beispiel ein "tiergerechtes Leben für Haus- und Nutztiere". Erstmals wird die Agrarpolitik auf zwei Ministerien verteilt. Das von der FDP geführte Wirtschaftsministerium erhält die herkömmliche Landwirtschaft. Tierschutz und die ökologische Landwirtschaft bleiben im Umweltministerium in der Hand der Grünen. In Baden-Württemberg regieren die Grünen mit der CDU. Der Tierschutz ist weiterhin im Landwirtschaftsministerium angesiedelt, das jetzt von der CDU geführt wird. Umso wichtiger ist es, dass der grün-schwarze Koalitionsvertrag an der Tierschutz-Verbandsklage und der Tierschutzbeauftragten festhält und das Tierschutzniveau des grün-roten Vertrags nicht unterschreitet. Insgesamt sieht es danach aus, dass die drei neuen Landesregierungen die Stellschrauben für den Tierschutz auf "Verbesserungen in kleinen Schritten" eingestellt haben.


Bald acht Bundesländer mit Tierschutz-Verbandsklage

Der Niedersächsische Landtag beschäftigt sich seit März diesen Jahres mit dem Gesetzentwurf der rot-grünen Landesregierung zur Einführung des Klagerechtes im Tierschutz. Am 18. Mai findet im Landwirtschaftsausschuss eine Anhörung statt. Der Landtag stimmt vermutlich vor der Sommerpause über den Gesetzentwurf ab. Niedersachsen wäre dann das achte Bundesland mit Tierschutz-Verbandsklage.

In Brandenburg wird es bis auf weiteres keine Tierschutz-Verbandsklage geben. Die Forderung auf Einführung des Klagerechts war Bestandteil eines erfolgreichen Volksbegehrens gegen Massentierhaltung. Dieses wurde vom Aktionsbündnis Agrarwende, einem Zusammenschluss von 40 Organisationen, vor einem Jahr gestartet. Vor der Abstimmung im Landtag am 19. April 2016 verständigten sich das Aktionsbündnis und die Regierungsfraktionen aus SPD und Die Linke darauf, die Forderung auf Einführung der Verbandsklage aus dem Katalog zu streichen. Der Landtag hat nun zugestimmt, einen Tierschutzbeauftragten zu bestellen, einen Tierschutzplan zu erarbeiten und weniger Steuergelder in Großmastanlagen zu stecken. In Rheinland-Pfalz, das das Klagerecht 2014 eingeführt hatte, wurde unser Mitgliedsverein Menschen für Tierrechte-Tierversuchsgegner Rheinland-Pfalz als klagebefugter Verein anerkannt, ebenso die rheinland-pfälzischen Landesverbände des Deutschen Tierschutzbundes und des BUND.


Professuren für weniger Tierversuche

Die Einführung von Professuren und Lehrstühlen für tierversuchsfreie Verfahren ist ein Kernprojekt unseres Bundesverbandes, das wir seit 2006 kontinuierlich verfolgen. Im letzten Jahr hat Berlin nun eine und Hessen drei Professuren ausgeschrieben. Alle Stellen sind noch nicht besetzt. Damit ist frühestens Ende 2016 zu rechnen. Die hessische Landesregierung stellt zwei Million Euro, verteilt über fünf Jahre, zur Verfügung. Die Professur an der Goethe-Universität Frankfurt (Fachbereich Biochemie, Chemie und Pharmazie) soll sich in erster Linie mit tierversuchsfreien Methoden zur Wirkstoffprüfung beschäftigen. Die beiden anderen Professuren an der Veterinärmedizinischen Fakultät der Justus-Liebig Universität Gießen befassen sich sowohl mit der Leidensreduzierung im Tierversuch als auch mit tierversuchsfreien Verfahren. Die Stelle an der Freien Universität Berlin fokussiert auf tierversuchsfreie Methoden und wird mit 400.000 Euro Landesmitteln für zwei Jahre gefördert. Erforscht werden soll dort, wie aus menschlicher Haut künstliche Organe konstruiert werden können, um beispielsweise ätzende oder reizende Wirkungen von Substanzen zu testen. Außerdem sollen Krankheitsmodelle auf der Basis menschlicher Gewebezellen und komplette Mini-Organe aus unterschiedlichen Geweben entwickelt werden.


Vorgestellt: Sachsen-Anhalts neuer Tierschutzbeauftragter

"Auf tierschutzrechtlichem Gebiet könnte man viele Dinge besser, gründlicher, umfangreicher durchführen. Gegenwärtig werden bespielsweise viele Dinge in der Nutztierhaltung, die in der Vergangenheit akzeptiert wurden, - teils aus Unwissenheit, teils wegen der primären Stellung der Erzeugung von Nahrungsmitteln - auf den Prüfstand gestellt und neu bewertet. Es ist rechtlich nicht per se verboten, Tieren Leiden zuzufügen. Aber was ist ein vernünftiger Grund dafür? Welche Leiden sind vermeidbar?"

Ein längeres Interview mit Dr. Marco König lesen sie unter
www.mag.tierrechte.de/91

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Quelle:
tierrechte 2.16 - Nr. 75/Mai 2016, S. 16
Infodienst der Menschen für Tierrechte -
Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.
Roermonder Straße 4a, 52072 Aachen
Telefon: 0241/15 72 14, Fax: 0241/15 56 42
eMail: info@tierrechte.de
Internet: www.tierrechte.de
 
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Der Verkaufspreis ist im Mitgliedsbeitrag enthalten.


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Juli 2016

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