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TRANSPORT/124: Langstreckentransporte von lebenden Tieren - kein Ende in Sicht (PROVIEH)


PROVIEH Magazin 1/2017
Magazin des Vereins gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V.

Langstreckentransporte von lebenden Tieren: Kein Ende in Sicht

von Angela Dinter


Unsere Bundesregierung schließt immer mehr einzelstaatliche Verträge mit Drittländern ab, die "überschüssige" Nutztiere aus Deutschland importieren. Diese Vereinbarungen regeln, wie viele lebende Tiere an Nicht-EU-Länder verkauft werden, um dort als Zucht- oder Schlachttiere zu enden, sofern sie die grausamen Langstreckentransporte überleben. Damit wird ein längst krankes landwirtschaftliches System weiter gestärkt.


Verantwortungsloses Handeln zum Wohle der Wirtschaft

2006 wurden auf Druck von Tierschützern und Bevölkerung die Subventionen für exportierte Schlachtrinder gestrichen, jedoch gilt diese Regelung nicht für Zuchttiere. Da im Prinzip jedes exportierte Tier - sofern es nicht kastriert ist - als potentielles Zuchttier deklariert werden kann, wird diese Reglung zur Farce, und es werden weiterhin Fördergelder für Tiertransporte in Drittländer ausgezahlt. Subventionen werden bekanntlich durch staatliche Einnahmen finanziert. Somit fördert jeder Steuerzahler ungewollt diese Tierquälerei mit.

In der Regel werden Rinder, Pferde und Schafe auf LKW und/ oder Schiffen in Drittländer verbracht. Ein neu getroffenes Abkommen mit dem Iran soll nun auch erlauben, Geflügel von Deutschland nach Teheran zu verfrachten. Für die Tiere bedeutet dies eine sehr lange Fahrt über 5.000 Kilometer, eingepfercht in Kisten, die jegliche Bewegung unmöglich machen.


Die Rolle des Bundesministers

Während unser Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt über die "Frage der Haltung" in Bezug auf Tierschutz sinniert und ein Staatliches Tierschutzlabel für Deutschland ausarbeiten lässt, wurden still und heimlich bilaterale Abkommen zwischen der Agrarwirtschaft und dem Iran geschlossen.

Seit 2013 reiste Herr Schmidt mehrfach mit einer Delegation aus Mitarbeitern des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft sowie hochrangigen Vertretern des Deutschen Bauernverbandes, der Deutschen Rinder- und Geflügelzuchtverbände und des Milchindustrieverbandes zu seinem Amtskollegen Hojjati nach Teheran.

Eine Anfrage der Grünen an den Bundestag hat ergeben, dass bereits geplante Lebendtier-Exportzahlen vorliegen. Zwischen 2016 und 2020 sollen etwa 15.000 Rinder und 700.000 Geflügeltiere in den Iran transportiert werden.


Tödliches Nadelöhr Türkei

Einige deutsche Abkommen wurden mit Ländern geschlossen, die viele tausende Kilometer weit entfernt, aber trotzdem auf dem Landweg per LKW erreichbar sind. Allerdings müssen alle diese Transporte die Türkei durchqueren. Hier kommt es häufig zu Abfertigungsproblemen und daraus entstehenden tagelangen Wartezeiten für die Transporteure. Während dieser Zeit stehen die LKW mit erschöpften Tieren in der prallen Sonne. Entladen, gefüttert oder getränkt werden können sie nicht. Die unbeschreiblichen Zustände an der türkischen Grenze haben der Tierschutzbund Zürich und Eyes on Animals dokumentiert und im Juni 2016 veröffentlicht. Sie schildern in ihrem Artikel zur türkischen Grenzkontrollstelle Kapikule erhebliche Missstände bezüglich Überladungen, Hitzestress, Hunger und Durst. Sogar tote Bullen und Kälber wurden von den Mitarbeitern beobachtet.


Berufung auf EU-Gesetzgebung

Die Bundesregierung wäscht ihre Hände in Unschuld und beruft sich auf die EU-Gesetzgebung zum Schutz von Tieren beim Transport. Damit ist sie rechtlich auf der sicheren Seite, weil innerhalb der EU jeder Mitgliedsstaat selbst für die Umsetzung der Kontrollen verantwortlich ist. In der Realität bedeutet dies, dass einige EU-Staaten gar keine Kontrollen durchführen. In Drittländern gibt es nicht mal ansatzweise Tierschutz-Regulatorien. Weder für Tiertransporte, noch für Haltung oder Schlachtung.

PROVIEH fordert daher eine Überarbeitung der EU-Verordnung zum Schutz von Tieren beim Transport sowie die Abschaffung aller Exportsubventionen für lebende Tiere und eine Abschaffung der EU-Langstreckentransporte. Bei Inlandstransporten sollte die Transportzeit auf vier bis sechs Stunden verkürzt werden. Das Be- und Entladen der Tiere muss durch sachkundiges Personal ohne Zeitdruck erfolgen. Elektrische Treibhilfen gehören verboten. PROVIEH fordert zudem ein bundesweit einheitliches und wirksames Kontrollsystem, einen Sanktionskatalog und wirksame ordnungsrechtliche Maßnahmen zur Umsetzung der Transportverordnung. Weiterhin muss der Aufbau eines Netzes von regionalen Schlachthöfen zum Ziel der öffentlichen und politischen Forderung werden.


INFOBOX

Deutschland hat aktuelle Abkommen mit folgenden Ländern:

Algerien, Ägypten, Bosnien und Herzegowina, Irak, Jordanien, Kasachstan, Libanon, Libyen, Marokko, Serbien, Russische Föderation, Tunesien, Ukraine, Vereinigte Arabische Emirate, Petition:
Helfen Sie mit, Langstreckentransporte für lebende Tiere zu beenden:
www.stopthetrucks.eu

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Quelle:
PROVIEH Magazin 1/2017, Seite 10-12
Herausgeber: PROVIEH - Verein gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V.
Küterstraße 7-9, 24103 Kiel
Telefon: 0431/248 28-0
Telefax: 0431/248 28-29
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Internet: www.provieh.de
 
PROVIEH erscheint viermal jährlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Mai 2017

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