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VERWERTUNG/214: Recycling ist gut, Vermeidung ist besser (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 2/2015

Kreislaufwirtschaft
Ist Recycling eine Illusion?

Recycling ist gut, Vermeidung ist besser

Die aktuelle abfallpolitische Debatte geht am notwendigen Ressourcenschutz vorbei

von Sascha Roth


Zurzeit streiten politische EntscheidungsträgerInnen über die Details des neuen Elektrogerätegesetzes und über Organisationsverantwortungen im Rahmen eines Wertstoffgesetzes. Die Themen Umweltschutz und Ressourceneffizienz spielen dabei nur eine untergeordnete Rolle. Es bedarf eines politischen Umdenkens im deutschen Abfallrecht.


In Deutschland finden sich Tag für Tag zahllose Beispiele dafür, dass mit dem deutschen Abfallrecht aus Sicht des Umweltschutzes etwas nicht stimmt: Ein Lebensmittelhersteller wirbt mit der Recyclingfähigkeit seiner Kaffeekapseln aus Aluminium und vergisst dabei zu erwähnen, dass die Alternative des Filtertütenkaffees große Mengen an unnötigem Verpackungsmaterial einsparen würde. Ein Mobilfunkanbieter wiederum lockt seine Kunden mit dem Satz "Jedes Jahr ein neues Handy". Er wird damit wohl nicht dazu beitragen, den jährlichen Handyschrottberg von geschätzten 5.000 Tonnen in Deutschland auf Dauer zu verkleinern. Für Unternehmen in der selbst ernannten "Bundesrepublik der Recyclingweltmeister" fällt es also wirtschaftlich auch heute nicht ins Gewicht, ob Produkte ressourcenschonend verpackt oder als Wegwerfwaren konzipiert werden.

Gleichzeitig ist die Gesetzeslage für private VerbraucherInnen kaum nachzuvollziehen. Ein Beispiel: Kauft ein Kunde sich einen Anzug inklusive Plastikkleiderbügel, kommt letzterer in die gelbe Tonne. Hat der Kunde den gleichen Plastikkleiderbügel aber als eigenständiges Produkt erworben, müsste er rein rechtlich in der Restmülltonne landen. Wirft der umweltbewusste Verbraucher den Bügel dennoch in die gelbe Tonne, weil es sich ja auch um Plastik handelt, spricht man vom intelligenten Fehlwurf, der zwar für die Umwelt gut, aber leider gesetzeswidrig ist.

Die genannten Beispiele zeigen klar, dass es in Deutschland an einem abfallrechtlichen Ordnungsrahmen fehlt, der wirtschaftliche Anreize für die Vermeidung von Abfällen setzt, verbraucherfreundlich ist und allen Akteuren klare Vorgaben für umweltfreundliches Handeln ohne Ausnahmen auferlegt. Vom Vorrang des Umwelt- und Ressourcenschutzes, der in den Präambeln der Gesetze eigentlich als Leitfaden dient, ist oftmals nichts zu spüren. Zwar stellte der 2013 geschlossene Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD fest, dass "die Kreislaufwirtschaft zu einem effizienten Instrument einer nachhaltigen Stoffstromwirtschaft" entwickelt werden solle. Seither sind den Worten aber kaum Taten gefolgt oder die ersten Ansätze können weder als effizient noch als nachhaltig bezeichnet werden. Dies wird aktuell bei der Novelle des Elektrogerätegesetzes (ElektroG) und den Plänen zu einem Wertstoffgesetz ersichtlich.


Das neue ElektroG negiert die europäische Abfallhierarchie

Mit einiger Verspätung wird die deutsche Bundesregierung in diesem Jahr die europäische Richtlinie für Elektroaltgeräte (kurz: WEEE) durch das ElektroG in nationales Recht umsetzen. Während es begrüßenswert ist, dass Erfassungsmengen und Recyclingquoten gesteigert werden sollen, schafft das Gesetz keine Anreize, Elektrogeräte langlebiger zu gestalten und das ressourcenschonende Reparatur- und Wiederverwendungsgeschäft zu beleben. Das Bundeskabinett hat sich nicht für stärkere Ökodesignvorgaben eingesetzt, welche die Reparierbarkeit von Geräten und die Austauschbarkeit von Akkus zur HerstellerInnenpflicht gemacht hätten. Die von Umweltministerin Barbara Hendricks angepriesene Rücknahmeverpflichtung des Handels ist zudem ein Lehrstück, wie verbraucherInnenunfreundlich die Sammlung von Elektrogeräten gestaltet werden kann. Will der Kunde beispielsweise ein altes Gerät abgeben, ohne ein neues zu kaufen, kann er dies nur bei Händlern mit mehr als 400 qm Verkaufsfläche für Elektro- und Elektronikgeräte tun. Außerdem darf sein Gerät eine Kantenlänge von 25 cm nicht übersteigen. Ob sich der Kunde die Mühe macht, seinen Fön zu messen und sich dann auf HändlerInnensuche zu begeben, kann man bezweifeln. So wird das Gesetz nicht verhindern, dass zahlreiche Kleingeräte weiterhin in der Restmülltonne landen und für den stofflichen Kreislauf verloren gehen.

Besonders ärgerlich sind die Regelungen bei der so genannten Vorbereitung zur Wiederverwendung. Trennt sich ein Verbraucher von seinem Fernseher, der eigentlich noch gut funktioniert und gibt er ihn an der dafür vorgesehenen kommunalen Sammelstelle ab, besteht fast keine Möglichkeit mehr das Gerät vom Abfallstrom zu separieren und es einer Wiederverwendung zukommen zu lassen. Ist das Gerät erst einmal in den Container geworfen, ist es aber für die Wiederverwendung oder Reparatur ungeeignet. Obwohl die europäische Richtlinie klar vorschreibt, Regelungen für den Zugang von Wiederverwendungsbetrieben auf den Sammelstellen einzuführen, vertagte die Regierung das Thema durch eine Verordnungsermächtigung auf eine unbestimmte Zukunft.

In der jetzigen Form handelt es sich beim ElektroG nicht um ein effizientes Instrument für eine nachhaltige Stoffstromwirtschaft, weil es verbraucherInnenunfreundlich ist, keine Anforderungen an die HerstellerInnenverantwortung für langlebige Produkte stellt und weil es Geschäftsmodelle für Wiederverwendungsbetriebe erheblich erschwert. Die beiden ersten Punkte der Abfallhierarchie, nämlich die Abfallvermeidung und die (Vorbereitung zur) Wiederverwendung werden mit der aktuellen Gesetzesnovelle negiert.


Viel Lärm um das kommende Wertstoffgesetz

Auch die derzeitige Debatte rund um das angekündigte Wertstoffgesetz, das unter anderem die oben erwähnten intelligenten Fehlwürfe legalisieren soll, dreht sich nicht vorrangig darum, wie das Gesetz zu einem besseren Ressourcenschutz beitragen kann. Barbara Hendricks ist mittlerweile die dritte Umweltministerin, die ein Wertstoffgesetz verspricht. Aber die Zeichen stehen mehr als schlecht, dass es in dieser Legislaturperiode noch Wirklichkeit wird. Gestritten wird nicht über höhere Erfassungsmengen der Wertstoffe oder bessere Recyclingquoten, sondern darum ob eine zukünftige Wertstofftonne vom kommunalen Betrieb oder der privaten Entsorgungsfirma abgeholt werden soll.

Die Blockadehaltung bei den beiden Regierungsparteien führt dazu, dass sich der Reformstau im Abfallrecht weiter verlängert. Und das, obwohl sich SPD und CDU einig darin sind, dass die seit 15 Jahren stagnierenden Recyclingquoten für Verpackungsmüll nach oben geschraubt werden müssen und damit ein rechtssicherer Rahmen für Neuinvestitionen in bessere Recyclingtechnologien und mittelbar auch für ökologischere Verpackungs- und Produktentwicklungen entstehen muss. Relativ einig sind sich die Parteien auch darin, dass die ProduzentInnenverantwortung erweitert werden muss. Bisher sind nur die HerstellerInnen von Verpackungsmaterial zur Rücknahme und Entsorgung ihrer Produkte verpflichtet, was sie seit den 90er Jahren in Zusammenarbeit mit den Dualen Systemen, also den DienstleisterInnen für die Verwertungspflichten im Rahmen der deutschen Verpackungsverordnung, auch tun. Wenn mit einem Wertstoffgesetz nun dafür gesorgt wird, dass auch die HerstellerInnen von Zahnbürsten, Sandkastenspielzeug und Blumentöpfen aus Kunststoff in der Produktverantwortung sind und diese Waren zusammen mit den Verpackungen in die zukünftige Wertstofftonne geworfen werden dürfen, ist das ein wichtiger Schritt. Er reicht aber nicht aus.

Denn die Ziele der Abfallvermeidung und der Wiederverwendung werden nicht konsequent angegangen und die Qualität des Recyclings bleibt ein Nischenthema. Die Erweiterung der Produktverantwortung würde zwar dafür sorgen, dass mehr Wertstoffmengen dem Recycling zugeführt werden können. Solange allerdings im freien Spiel des Marktwettbewerbs die Vergütung für Entsorgungsdienstleistungen immer weiter sinkt, die Hersteller von Verpackungen und Produkten also immer weniger für den Müll zahlen müssen, den sie produzieren, sind sie nicht daran interessiert, Abfälle zu reduzieren oder ihre Waren in einem hochwertigen Kreislauf zu führen.


Produkt- und Abfallpolitik müssen endlich zusammengedacht werden

Was wir brauchen sind Ansätze, die Produkt- und Abfallpolitik zusammendenken, Vermeidungslösungen an die erste Position stellen und über Qualitäten sprechen. Im Rahmen des Wertstoffgesetzes sollte ein System von Lizenzentgelten oder Gebühren für die Entsorgung etabliert werden, das HerstellerInnen von leicht zu recycelnden Verpackungen und Nicht-Verpackungen weniger belastet als ProduzentInnen von schwer recycelbaren Mischmaterialien. Außerdem müssten HerstellerInnen, die recyceltes Material in der Produktion einsetzen, ebenso entlastet werden. Ein solches System würde zu einem Umdenken führen, da die Marktpreise die Umweltkosten besser widerspiegeln würden. Durch ein solches, ökologisch ausdifferenziertes System werden die nötigen Weichen für eine ressourcenschonende Kreislaufwirtschaft gesetzt. Besinnt sich die Politik auf wirklich effiziente Steuerungsinstrumente im zukünftigen Abfallrecht, werden die ProduzentInnen ihre Geschäftsmodelle überdenken müssen, weil sie sich dann sowohl aus Umweltaber auch aus wirtschaftlicher Sicht nicht mehr lohnen.


Der Autor ist Referent für Umweltpolitik beim NABU-Bundesverband und zuständig für Abfallpolitik und Kreislaufwirtschaft.

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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 2/2015, S. 4-5
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Juli 2015

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