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AMPHIBIEN/106: Erdkröte - Lurch des Jahres 2012. Größte europäische Krötenart gewürdigt (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 171 - Dezember 2012/Januar 2013
Die Berliner Umweltzeitung

Erdkröte - Lurch des Jahres 2012
Größte europäische Krötenart gewürdigt

von Christoph Vinz



Die Deutsche Gesellschaft für Herpetologie und Terrarienkunde (DGHT) hat, unterstützt vom NABU, die Erdkröte zum "Lurch des Jahres 2012" gekürt.

Die größte europäische Krötenart galt zur Zeit unserer Vorväter als hässlichstes Tier der Schöpfung. Bufo bufo, damals auch Gemeine-, Graue-, Feld- oder Lehmkröte genannt, gelangte schon mal als Ingredienz in Hexensalben und spielte in der Volksmedizin eine vom Aberglauben dominierte Rolle.

Heute haben Kröten als wichtiger Teil unserer Ökosysteme einen anerkannten Stellenwert, und viele Naturfreunde kümmern sich alljährlich um den Schutz der Art vor Gefährdungen bei ihren Wanderungsbewegungen zwischen Winter- beziehungsweise Sommerquartier und Laichgewässer. Da in den Regionen häufig stark befahrene Straßen diese Wanderkorridore zerschneiden, kann es hier zu hohen Verlusten kommen. Krötenwege und -tunnel sind seit langem eine bewährte Gegenstrategie.

Schau mir in die Augen, Kleines!

Unser "Lurch des Jahres" verfügt über einen gedrungenen Körperbau mit kantigem, breiten Kopf, der eine abgerundete, flache Schnauze besitzt. Auf der Körperoberseite ist die raue Haut mit vielen Warzen versehen. Ein Merkmal, mit dem sicher keine Schönheitswettbewerbe zu gewinnen wären. Das Tier hat eine unauffällige Körperfärbung, die zwischen Braun oder Grau angelegt ist und manchmal bis ins Olive oder Rötliche spielt. Die Unterseite ist hellbraun bis hellgrau, dazu häufig dunkel marmoriert. Krötenkenner loben bei Bufo bufo allerdings die auffallend großen, ausdrucksvollen ("güldenen") Augen, deren Iris gern als bernsteinfarben bezeichnet wird und Erdkröte - Lurch des Jahres 2012 Größte europäische Krötenart gewürdigt eine waagerecht angeordnete Pupille besitzt. Es ist der faszinierende Blick des Tieres, der ihm Schönheit verleiht.

Im mitteleuropäischen Raum erreichen die Weibchen schon mal 12 bis maximal 16,5 Zentimeter Größe und ein Gewicht um 100 Gramm. Die Männchen dagegen kommen nur auf eine Kopf-Rumpf-Länge von etwa 9 Zentimeter und bringen gerade mal 35 Gramm auf die Waage.

Direkt hinter den bernsteinfarbigen Augen sitzen die paarig angeordneten, wulstigen Ohrdrüsen (Paratoiden). Da unsere Kröte über keine äußere Schallblase verfügt, muss man schon sehr genau hinhören, um ihre Rufe zu vernehmen. Erdkröten haben kurze Hinterbeine, und die Schwimmhäute reichen bis zur Hälfte der längsten Zehe.

Brunstschwielen im Einsatz

Als sogenannte "Explosivlaicher" beginnen alle Tiere im Frühjahr ihre Wanderung gleichzeitig und erscheinen am selben Ort, um mit dem Fortpflanzungsgeschäft zu beginnen. Bei diesem Run aufs Laichgewässer werden schon mal ein bis drei Kilometer zurückgelegt.

Während der Paarungszeit entwickelt das Männchen an den Innenseiten seines zweiten und dritten Fingers schwarz gefärbte und verhornte Brunstschwielen. Diese dienen im Zusammenspiel mit den kräftigen Oberarmen dem Festhalten und der Umklammerung auf dem Rücken des Weibchens.

Auf dem Weg zum Laichgewässer "lauern" schon frühzeitig Männchen an Stellen, von denen aus gute Sicht besteht. Hier nehmen sie die so bezeichnete "Spähhaltung" ein: ein hochaufgerichtetes Sitzen mit stramm durchgedrücktem Rücken. Ist eine potentielle Partnerin ausgemacht, klettert das testosterongesteuerte Männchen auf deren Rücken und klammert mit seinen Armen, während ihm die Brunstschwielen nötigen Halt verleihen. Nun geht es im "Huckepack" dem Gewässer zu, attackiert von anderen, ebenso hormonal aufgeladenen Rivalen. Sie versuchen, den ungeliebten Konkurrenten zu verdrängen, wobei sich die Rangelei bis ins Wasser hinein fortsetzen kann. In Einzelfällen kann da schon mal ein Weibchen, auf dessen Rücken sich alles abspielt, schmählich ertrinken. Im günstigen Falle jedoch macht irgendwann das Weibchen ein Hohlkreuz - deutliches Signal, das nun das Ablaichen beginnt und das Männchen auf die austretenden Laichschnüre sein Sperma abzugeben hat. Nach diesem Akt befestigt das Weibchen noch die Schnüre und verlässt schnell das nasse Element. Er dagegen bleibt noch ein Weilchen und lauert, ob sich nicht noch eine Gelegenheit ergeben könnte.

Nach Beendigung der Fortpflanzungszeremonien wandert auch das Männchen wieder zurück ins Sommerquartier, wobei innerhalb weniger Tage schon mal tausend Meter zurückgelegt werden.

Als Nahrung dienen der Erdkröte Regenwürmer, Tausendfüßler, Laufkäfer, Spinnen, Schnecken, Raupen sowie nachtaktive Insekten. Feinde sind Fische oder Egel (im Kaulquappen-Stadium), verschiedene Vogelarten wie Mäusebussard, Graureiher oder Raben. Dazu kommen noch Iltis, Ratte und Waschbär. Bei erwarteten Angriffen einer Schlange (meist Ringelnattern) nimmt die Erdkröte eine imposante Drohstellung ein: sie bläht sich kräftig auf und stellt sich hoch auf die Beine. Manchmal soll das helfen.

Die Verbreitung unseres "Lurch des Jahres" erstreckt sich über fast ganz Europa (außer Irland, Island, Nordskandinavien und auf einigen Mittelmeerinseln). In Russland kommt die Kröte bis zum Baikalsee, und irgendwie hat sie es sogar bis nach Nordafrika geschafft. Gebirgswanderer können der Erdkröte sogar bis in Höhenlagen von 2.300 Meter ü. NN begegnen.

In Deutschland ist Bufo bufo fast flächendeckend und bevorzugt in Laubund Mischwäldern zu finden. Problematisch sind allerdings reine Nadelforste und Ackerbördelandschaften. Aber vor allem Straßen mit ihrem dichten Autoverkehr sind die Hauptursachen für eine hohe Mortalität.

In Deutschland steht die Erdkröte auf der Roten Liste, wird derzeit allerdings noch zu den "ungefährdeten Arten" gezählt. Doch ist der Lurch in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern schon in der Gefährdungsklasse drei und damit besonders unserer Fürsorge und Schutz empfohlen.

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Quelle:
DER RABE RALF - 23. Jahrgang, Nr. 171 - Dezember 2012/Januar 2013, S. 13
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 8, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
Redaktion DER RABE RALF:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Dezember 2012