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FORSCHUNG/121: Haben Hirsche in Sachsen eine Zukunft? (TU Dresden)


Dresdner UniversitätsJournal Nr. 3 vom 17. Februar 2009

Haben Hirsche in Sachsen eine Zukunft?
Interview mit Professor Sven Herzog, Dozentur für Wildökologie, Tharandt

Die Fragen stellte Dagmar Möbius


Das Sächsische Ministerium für Umwelt und Landwirtschaft und Forstwissenschaftler der TU Dresden starteten Ende Januar ein neues Forschungsprojekt über die Zukunft des Rotwildes in Sachsen. UJ sprach mit Professor Sven Herzog von der Fakultät für Forst-, Geo- und Hydrowissenschaften, Fachrichtung Forstwissenschaften, in Tharandt.


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UJ: Professor Herzog, wie kam es zu dem Forschungsprojekt "Die Zukunft von Rotwildlebensräumen in Sachsen" und warum ist es so wichtig?

PROFESSOR HERZOG: Wir beschäftigen uns mit dem Thema schon relativ lange. Wir untersuchen, wie sich Veränderungen oder gar der Verlust von Lebensräumen auf das Rotwild auswirken. Wird heute in die Landschaft eingegriffen wie beispielsweise beim Bau von Straßen, kann infolge der "zerschnittenen" Gebiete teilweise kein genetischer Austausch mehr zwischen den Populationen stattfinden. Weil das Rotwild dadurch langfristig gefährdet sein kann, müssen wir Anstrengungen unternehmen, um die bestehende Artenvielfalt zu sichern und zu verbessern. Unser Ziel ist es, nach Ende des Projektes Empfehlungen zu geben, wie beispielsweise Wildtierkorridore und Schalenwildgebiete geschaffen oder neu gestaltet und Lebensräume verbessert werden können.

UJ: Könnten Sie bitte für Laien erklären, was Rotwild ist und was unter Schalenwildmanagement verstanden wird? PROFESSOR HERZOG: Der Rothirsch (lateinisch: Cervus elaphus) ist die größte einheimische Hirschart und dient uns als Modell für wandernde Säugetiere. Früher wanderte er in unserer Region im Sommer zu den Elbauen und im Winter ins Erzgebirge. Das funktioniert heute nicht mehr, so dass wir für diese Tierart andere Lösungen finden müssen.

Zum Thema Wildtiermanagement: Größere Tiere, die mit dem Menschen in Konflikt geraten können, wie das Rotwild, aber auch Wölfe oder Bären wie "Bruno", müssen vom Menschen gemanagt, also aktiv beeinflusst werden, um sie langfristig in freier Wildbahn zu erhalten und um die Akzeptanz der Menschen für diese Tiere zu sichern. Unter "Schalenwild" fassen wir übrigens die zoologische Gruppe der Paarhufer zusammen, zum Beispiel Rinder, Schafe, Hirsche, Rehe oder Muffelwild.

UJ: Gibt es vergleichbare Forschungen und wie viele Mitarbeiter Ihres Institutes sind am Projekt beteiligt?

PROFESSOR HERZOG: Wir arbeiten in zwei weiteren Projekten in Schleswig-Holstein und Bayern mit Kollegen des Institutes für Wildökologie e.V. Göttingen und Dresden zusammen. Am aktuellen Forschungsprojekt sind zwei junge Kollegen der Dozentur für Wildökologie beteiligt. Ich selbst werde mich vor allem als Moderator einbringen. Die Kosten der über zwei Jahre laufenden Studie von 14.600 Euro werden übrigens aus Mitteln der Jagdabgabe, einem pauschalen Jahresbeitrag der rund 10.000 sächsischen Jäger, finanziert.

UJ: Wie muss man sich die Forschungsarbeit praktisch vorstellen?

PROFESSOR HERZOG: In erster Linie werden neu zu sammelnde oder bereits vorhandene Daten in geografische Informationssysteme, sprich Karten, umgesetzt. Daraus wird dann ersichtlich, wo die aktuellen Lebensräume des Rotwildes liegen, wo sich gegebenenfalls neue Lebensräume erschließen lassen, wo Konfliktpotenziale - etwa mit der Land- oder Forstwirtschaft - existieren oder auch, wo es Entwicklungsmöglichkeiten in Bezug auf den Tourismus gibt. Neu und hervorzuheben ist außerdem, dass wir die Forschungsergebnisse regelmäßig mit den Vorstellungen von Interessengruppen und Praktikern diskutieren und in einem sogenannten partizipativen Prozess Lösungsvorschläge entwickeln werden, die für alle beteiligten Gruppen akzeptabel sind. Konflikte, wie wir sie etwa aktuell zum Thema Wolf beobachten, sollen so vermieden werden.


Hintergrund

In Sachsen gibt es zehn ausgewiesene Rotwildgebiete mit einer Gesamtfläche von rund 570.000 Hektar. Das entspricht etwa 40 Prozent der Jagdfläche des Freistaates. Außerhalb dieser Gebiete besteht ein Abschussgebot, ausgenommen sind nur ältere Kronenhirsche. Jährlich werden zwischen 3.000 und 4.000 Stück Rotwild in Sachsen erlegt. Der Gesamtbestand wird auf 10.000 bis 12.000 Tiere geschätzt. (Quelle: SMUL)

(Nähere Informationen: www.forst.tu-dresden.de/waldbau/wildoeko)


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Quelle:
Dresdner UniversitätsJournal, 20. Jg., Nr. 3 vom 17.02.2009, S. 5
Herausgeber: Der Rektor der Technischen Universität Dresden
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Februar 2009