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INSEKTEN/261: Sie würden uns fehlen - Tagfalter in Brandenburg und Berlin (naturmagazin)


naturmagazin
Berlin - Brandenburg
Ausgabe 3/2016

Sie würden uns fehlen
Tagfalter in Brandenburg und Berlin

Von Jörg Gelbrecht


Etwa 2.400 verschiedene Schmetterlingsarten wurden bislang in Berlin und Brandenburg beobachtet. Viele von ihnen zählen zu den sogenannten Kleinschmetterlingen, wie beispielsweise die Kleider- und Dörrobstmotten, die wohl keiner in seiner Wohnung haben möchte. Aber auch viele Blattminierer, Wickler, Zünsler, Glasflügler und Widderchen - auch als Blutströpfchen bekannt -, bereichern die hiesige Schmetterlingsfauna. Andere, zu den Großschmetterlingen gehörende Gattungen sind die Spannerfalter (Geometridae), die Eulenfalter (Noctuidae), die Schwärmer (Sphingidae) und die Spinnerartigen, von denen in den vergangenen Jahren der Eichen-Prozessionsspinner wegen seiner giftigen behaarten Raupen eine gewisse Berühmtheit erlangt hat. Von den viel auffälligeren Tagfaltern wurden in Brandenburg und Berlin in den vergangenen 130 Jahren 118 Arten mit Sicherheit nachgewiesen, was nur etwa fünf Prozent aller in Brandenburg und Berlin gefundenen Schmetterlingsarten entspricht.


Schmetterlinge werden im allgemeinen Sprachgebrauch häufig mit Tagfaltern gleich gesetzt und lösen bei den meisten Menschen überwiegend positive Assoziationen aus - sei es als Frühlingsboten oder als Anzeiger einer (noch) gesunden Umwelt. Deutlich negativer werden von vielen Menschen jedoch die Präimaginalstadien der Schmetterlinge - die Raupen - bewertet, besonders, wenn sie im eigenen Garten auftreten. Aber wie sieht die Situation der Tagfalter in Brandenburg wirklich aus? Vergleicht man ältere Literaturangaben zum Vorkommen und zur Häufigkeit von Schmetterlingen in Brandenburg mit aktuellen Beobachtungen, kommt man zum Ergebnis, dass die Zahl und Vielfalt der Schmetterlinge in Brandenburg stark bis drastisch abgenommen haben. Allerdings muss man berücksichtigen, dass es oft nicht einfach ist, solche Angaben, die meist nie auf quantitativen Angaben beruhen, miteinander zu vergleichen. Deutlicher im Sinne starker Verluste werden die Ergebnisse, wenn noch aktive ältere Schmetterlingsforscher ihre früheren Aufzeichnungen aus den 1950er und 1960er Jahren mit ihren gegenwärtigen Beobachtungen vergleichen. Diese negativen Bestandsentwicklungen wurden schon durch U. v. Chappuis im Jahr 1942 in einer Publikation beklagt und erste Ursachen wie die Trockenlegung von Mooren oder die Intensivierung der Landwirtschaft benannt. Im Jahr 1973 belegt dann E. Urbahn aus Zehdenick in einer Fachpublikation anhand von zahlreichen Beispielen den nun immer deutlicher werdenden Verlust an Schmetterlingen. Diese also schon frühzeitig beobachteten Rückgänge setzen sich in der Folgezeit leider mit zunehmender Geschwindigkeit fort, was durch zahlreiche Publikationen dokumentiert ist, und das nicht nur in Brandenburg, sondern in ganz Europa. Das hat dazu geführt, dass verschiedene Schmetterlingsarten EU-weit unter besonderen Schutz gestellt wurden (FFH-Richtlinie). Dazu gehören der Große Feuerfalter, der Blauschillernde Feuerfalter, der Goldene Scheckenfalter, der Helle und Dunkle Wiesenknopf-Ameisenbläuling, der Lungenenzian-Ameisenbläuling und der Thymian-Ameisenbläuling, die in Brandenburg und Berlin noch vorkommen oder zumindest früher gefunden wurden (siehe unten).

Für eine umfassende und objektive Darstellung der Tagfalterfauna haben die Schmetterlingsforscher von Brandenburg und Berlin - die meisten von ihnen sind im Arbeitskreis Lepidoptera (= Schmetterlinge) des Landesfachausschusses Entomologie des NABU Brandenburg organisiert - ihre über Jahrzehnte gesammelten Daten in das Erfassungsprogramm InsectIS einfließen lassen. Diese wurden durch die Auswertung jeglicher verfügbarer Literatur und vieler Museums- und privater Sammlungen ergänzt. Dadurch haben wir aktuell einen sehr guten Überblick über die Situation der Tagfalter in Brandenburg und Berlin. Eine reich bebilderte Fauna der Tagfalter von Brandenburg und Berlin wird demnächst erscheinen. Hier fassen wir die Ergebnisse zusammen, gruppiert nach ihrer aktuellen Verbreitungssituation und den Trends ihres Auftretens, und wollen Hinweise geben, welche Schutzmaßnahmen für den Erhalt einer reichhaltigen Schmetterlingsfauna möglich und notwendig sind.

(1) Arten, die trotz aller Eingriffe des Menschen immer noch allgemein verbreitet sind (Ubiquisten)

Noch weit verbreitet sind viele bekannte Tagfalterarten, wie beispielsweise Kohlweißlingsarten, Zitronenfalter, Tagpfauenauge, Kleiner Fuchs, Großes Ochsenauge, Kleiner Heufalter und Schachbrett - insgesamt 28 Arten, also knapp ein Viertel der heimischen Tagfalter. Sie sind in geeigneten Lebensräumen überall zu finden. Im Vergleich zu früher treten jedoch auch sie vielfach schon lokaler auf und ihre Individuenzahl ist in den meisten Fällen deutlich geringer als noch vor 50 oder mehr Jahren. Gefährdet sind sie jedoch zum Glück nicht.

(2) Arten, die noch relativ verbreitet sind, aber nur noch auf lokal begrenzten Habitaten vorkommen, vor allem auf extensiv genutzten trockenen oder feuchten Offenländern (z.B. Heiden, Trassen, Röhrichte) oder an Waldsäumen

Auf begrenzten Arealen vergleichsweise häufig kommen noch Arten wie der Malven-Dickkopf vor, der auch in der Gartenlandschaft anzutreffen ist. Außerdem gehören in diese Gruppe: Schwalbenschwanz, Baumweißling, Dukatenfalter, Kleiner Schillerfalter, Wachtelweizen-Scheckenfalter, Großer Perlmutterfalter, Rostbraunes Ochsenauge und Rostbinde - insgesamt sind es 32 Arten, also gut ein Viertel der Gesamtartenzahl. Alle diese Arten weisen in den vergangenen Jahrzehnten jedoch deutliche Rückgänge auf, einige Arten müssen inzwischen zu den gefährdeten Arten gerechnet werden.

(3) Wanderfalter und Arten, die ihr Verbreitungsgebiet zeitweilig bis nach Brandenburg ausdehnen

Diese Arten treten in Brandenburg und Berlin sehr selten oder regelmäßig auf, sind hier aber nicht dauerhaft heimisch. Sie können entweder in keinem ihrer Entwicklungsstadien den mitteleuropäischen Winter überstehen oder ihre Populationen erlöschen schon nach wenigen Jahren wieder, wobei die Besiedlung meistens aus Osten her erfolgte. Sehr bekannte Vertreter dieser Arten sind der in manchen Jahren in größter Häufigkeit auftretende Distelfalter oder der seltenere Postillon. Auch der auffällige Admiral, der im Spätsommer gern in Gärten an faulem Obst saugt, gilt als Wanderfalter. Er überwintert aber in jüngster Zeit immer erfolgreicher bei uns und kann inzwischen als heimische Art angesehen werden. Der Östliche Große Fuchs ist nach jahrzehntelangem Fehlen in jüngster Zeit wieder häufiger in Berlin und Brandenburg nachgewiesen worden, westwärts sogar bis England, scheint aber nun wieder zu verschwinden. Insgesamt können wir sieben Arten dieser Gruppe zurechnen, was etwa sechs Prozent der hiesigen Tagfalterfauna entspricht.

(4) Arten mit starkem Rückgang und inzwischen oft nur noch einem bekannten Vorkommen in Brandenburg

Die Bestände vieler Tagfalterarten, die in früheren Jahrzehnten noch weit verbreitet waren, sind während der zurückliegenden 40 bis 50 Jahren regelrecht zusammengebrochen. Bekannte Ursachen sind die Trockenlegung von Mooren ("Komplexmelioration") und die allgemeine Grundwasserabsenkung, die Intensivierung der Landwirtschaft mit einhergehender Eutrophierung der Landschaft einschließlich der atmosphärischen Stickstoffdeposition sowie der großflächige Einsatz von Insektiziden. Besonders verheerend wirkte sich diesbezüglich Anfang der 1980er Jahre offenbar die "Nonnenbekämpfung" aus, aber auch der heutige Einsatz von Herbiziden und Insektiziden lässt Arten schwinden. Hinzu kommen die zunehmende Bebauung, die Aufgabe extensiver Mahdnutzung auf schwach entwässerten Niedermooren und die Sukzession auf ehemaligen Truppenübungsplätzen und Binnendünen sowie die immer stärker werdende Zerschneidung letzter vorhandener Lebensräume. Einige wenige Arten konnten wir nach jahrzehntelangem Verschollensein allerdings in jüngster Zeit auch wiederentdecken. Zu dieser Gruppe müssen wir 21 Arten zählen - ca. 18 Prozent des Artenbestandes. Beispiele sind die FFH-Arten Heller und Dunkler Wiesenknopf-Ameisenbläuling und Thymian-Ameisenbläuling sowie der Lilagold-Feuerfalter Lycaena hippothoe, Großer Eisvogel, Mittlerer Perlmutterfalter, Hochmoor-Bläuling und Hochmoor-Scheckenfalter, Großes Wiesenvögelchen, Baldrian-Scheckenfalter, Kleiner Waldportier oder Eisenfarbener Samtfalter (Hipparchia statilinus). Für alle diese Arten müssen dringend Schutzmaßnahmen im Sinne einer Habitatverbesserung und der Habitatvernetzung ergriffen werden, um zunächst ein Aussterben zu verhindern und mittelfristig eine Erholung der Bestände anzustreben. In manchen Fällen sind dazu auch noch grundlegende Forschungen zu den Habitatansprüchen erforderlich. Auf jeden Fall sind die für Brandenburg so typischen Sand-Trockenrasen und Calluna-Heiden, extensiv genutzten Feuchtwiesen auf Niedermooren, Offenbereiche in den oligotroph-sauren Mooren, lichte, nährstoffarme und blütenpflanzenreiche Waldrandstrukturen bzw. innere Waldsäume zu erhalten und durch gezieltes Management zu fördern. Herbizid- und Insektizideinsätze in solchen Lebensräumen müssen grundsätzlich unterbleiben.

(5) Ausgestorbene oder verschollene Arten

"Ausgestorben" oder "verschollen" sind Arten, die mindestens seit 20 bis 25 Jahren trotz Suche nicht mehr nachgewiesen werden konnten, obwohl sie früher eine meist große Verbreitung aufwiesen. Die hohe Zahl von 21 Arten - ca. 18 Prozent der Arten - zeigt, wie sehr sich die Bedingungen aus den bereits beschriebenen Gründen für die heimischen Schmetterlinge in den vergangenen Jahrzehnten (seit etwa 1950) verschlechtert haben. Die verschwundenen Arten sind durchweg sehr anspruchsvoll hinsichtlich ihrer besiedelten Habitate und oft sind ihre Raupen auf bestimmte Nahrungspflanzen angewiesen. Die Arten waren an extensiv genutzte blütenreiche Trockenrasen verschiedener Ausprägung (einschließlich ausgedehnter kurzrasiger Sandthymianbestände), an nährstoffarme Mähwiesen (insbesondere artenreiche Pfeifengraswiesen), an lichte, luftfeuchte und ebenfalls blütenpflanzenreiche Wälder oder an saure Moore mit Moor-Heidelbeere gebunden. Beispiele sind Steppenheiden-Würfel-Dickkopffalter, Hochmoorgelbling, Himmelblauer Bläuling, Lungenenzian-Ameisenbläuling, Blauschillernder Feuerfalter, Silberfleck-Perlmutterfalter, Goldener Scheckenfalter, die Scheckenfalter Melitaea britomartis und M. aurelia oder der Waldteufel. Zwei der hier genannten Arten (Goldener Scheckenfalter und Blauschillernder Feuerfalter) konnten seit etwa zehn Jahren bislang erfolgreich wiederangesiedelt werden - nachdem durch ein aktives Naturschutzmanagement auf Feuchtwiesen diese wieder in einen für die Arten nutzbaren Habitatzustand "überführt" wurden.

(6) Arten mit aktueller Zunahme der Häufigkeit und/oder der Verbreitung

Nur neun Arten - ca. sieben Prozent des Artenbestandes - zeigen während der vergangenen 10 bis 20 Jahre deutliche Ausbreitungstendenzen und Häufigkeitszunahmen, die auch in anderen Regionen Mitteleuropas beobachtet werden. Zum einen sind es Arten, die in früheren Zeiten - zum Teil vor 50 oder 100 Jahren - schon weit verbreitet waren, dann aber immer seltener wurden und nun wieder deutlich zunehmen, ohne dass wir die Ursachen kennen. Beispiele hierfür sind der Kurzschwänzige Bläuling und der Große Fuchs. Wenige andere Arten profitieren von den großräumigen Flächenstilllegungen seit Anfang der 1990er Jahre und besiedeln diese Flächen nach einer Aushagerungsphase - beispielsweise der Wegerich-Scheckenfalter, der bis etwa 1995 nur noch wenige Populationen in Brandenburg aufwies, jetzt aber wieder recht verbreitet auftritt. Der auffällige, wärmeliebende Segelfalter profitiert von der Entstehung der Braunkohlebergbau-Folgelandschaft und wohl auch von dem für ihn günstigen Klima der vergangenen Jahre. Inzwischen wird er im Südosten Brandenburgs wieder verbreitet und regelmäßig gefunden. Auffällig ist auch die Zunahme des noch um 1990 nur sehr lokal vorkommenden und Feuchtlebensräume bevorzugenden Großen Feuerfalters (FFH-Art). Seine Raupen haben ihr Nahrungsspektrum seit neuestem auf andere Ampferarten erweitert und dadurch auch mesophile, eutrophe Standorte besiedelt, z.B. Pferdekoppeln. Aufgrund der klimatisch bedingt inzwischen verlängerten Vegetationsperiode bildet die Art regelmäßig zwei Generationen aus (früher nur in Ausnahmefällen), was der Art weitere Vorteile bringt. Sie ist jetzt in der gesamten Osthälfte Deutschlands weit verbreitet und auch wieder im Berliner Stadtgebiet heimisch.

Wie können wir die Tagfalter in Brandenburg und Berlin schützen?

Der dramatische Rückgang der Artenvielfalt bei den Schmetterlingen wurde bislang nur unzureichend dokumentiert und ist weder im Bewusstsein der Bevölkerung noch der zuständigen Behördenvertreter angelangt. Um ihn zu stoppen - mehr als ein Drittel der Arten sind bereits verschollen bzw. ausgestorben oder vom Aussterben bedroht - sind dringend folgende Schritte notwendig:

• Fortsetzung des Projektes "Erfassung der schmetterlingsbedeutsamen Lebensräume in Brandenburg" aus den Jahren 2007-2009. - In diesem Projekt zwischen dem damaligen Landesamt für Umwelt und Verbraucherschutz und dem LFA Entomologie im NABU Brandenburg wurden von den Schmetterlingsforschern die Vorkommen von Schmetterlingen der Roten Liste (vom Aussterben bedrohte oder stark gefährdete Arten) sowie geschützte Arten flächenscharf auf topografischen Karten eingezeichnet, die dann digitalisiert wurden. Zusätzlich wurden in Tabellen Informationen zum Arteninventar, zu einem fachlichen Ansprechpartner für die Behörden oder zu Hinweisen zum Biotopmanagement zusammengetragen. Damit konnte der dringend notwendige Informationsfluss hinsichtlich des Wissens der Entomologen und den Handlungsträgern deutlich verbessert werden ("Wissenstransfer"). Diese Informationen wurden den Landkreisen zur Verfügung gestellt, um sie in der praktischen Arbeit zu nutzen. Das wurde nach unseren Erfahrungen in den verschiedenen Landkreisen im Land Brandenburg recht unterschiedlich verwendet. Inzwischen sind die Kenntnisse der Entomologen hinsichtlich Verbreitung und Lebensraumgefährdung deutlich gestiegen. Daher sehen wir in einer Aktualisierung des ehemaligen Projektes eine gute Chance für die Verbesserung des Wissenstransfers und damit die Möglichkeit, Habitatschutzmaßnahmen durch die entsprechenden Behörden und die Naturschutzverbände sowie interessierte Bürger zu ergreifen.

• Durchführung von Sofortmaßnahmen zum Habitatschutz von besonders gefährdeten Arten. - Solche Maßnahmen beinhalten die Flächensicherung, den Schutz vor Einsatz von Pflanzenschutzmitteln (Insektizide, Herbizide) und die Durchführung von Biotopmanagementmaßnahmen in Zusammenarbeit mit Spezialisten mit dem Ziel der Stabilisierung und Entwicklung der noch vorhandenen Populationen der besonders bedrohten Schmetterlingsarten. Solche Maßnahmen sind klassische Artenhilfsprogramme. Hier ist es ebenfalls essentiell, dass Flächeneigentümer und Nutzer (Forst, Landwirtschaft) in solche Maßnahmen einbezogen werden. Zeigen sich positive Entwicklungen, sollten mittel- bis langfristige Maßnahmen zum Erhalt des Zustandes der Flächen einschließlich von solchen für ein Biotopverbundverfahren eingeleitet werden. Schwerpunktmäßig ist es notwendig, Offenflächen auf nährstoffarmen Mooren, nährstoffarmen Mähwiesen, Heiden, Sandtrockenrasen sowie Magerrasen besonders im Odertal und der Uckermark zu erhalten. Auch sollte dringend geprüft werden, wie in der besonders reichhaltigen Bergbaufolgelandschaft der Lausitz langfristig extensiv oder nicht genutzte Offenländer erhalten werden können.

• Wiederansiedlungsprojekte. - Da inzwischen viele Arten nicht mehr in Brandenburg und in angrenzenden Regionen vorkommen, ist selbst bei Vorhandensein geeigneter Habitatstrukturen eine eigenständige Wiederbesiedlung wenig wahrscheinlich. Deshalb sollten bisherige erste erfolgreiche Wiederansiedlungsprojekte von Schmetterlingen unter Beachtung gesetzlicher Rahmenbedingungen fortgesetzt werden, soweit ein entsprechendes Habitatmanagement langfristig gesichert ist. Ein erstes EU-LIFE-Projekt zur Wiederansiedlung des Goldenen Scheckenfalters wurde vor wenigen Jahren in Schleswig-Holstein bewilligt (www.life-aurinia.de).

• Langzeitmonitoring. - Eine wesentliche Grundlage für zukünftige, fachlich begründete Entscheidungen ist die dringend notwendige Fortführung der ehrenamtlichen kontinuierlichen Erfassung von faunistischen Daten. Jeder Interessierte ist hier aufgerufen, Daten zu melden. In den nächsten Jahren wird es möglich sein, aktualisierte Verbreitungskarten der Schmetterlinge für ganz Deutschland im Internet aufzurufen.


INFO
Systematik der Tagfalter Berlin/Brandenburgs

Die Tagfalter von Berlin und Brandenburg gehören folgenden Gattungen an: Dickkopf-Falter (Hesperidae) mit 13 Arten, Ritterfalter (Papilionidae) mit 2 Arten (Schwalbenschwanz und Segelfalter), Weißlinge (Pieridae) mit 13 Arten, zu denen unter anderen Kohl-Weißling, Zitronenfalter und Aurorafalter gehören, Bläulinge (Lycaenidae) mit 35 Arten, zu denen der häufige blaugefärbte Hauhechel-Bläuling, der metallig-orangerot gefärbte Dukaten-Feuerfalter oder der eine grüne Unterseite aufweisende Brombeer-Zipfelfalter gehören, und schließlich die Edelfalter (Nymphalidae) mit 54 Arten. Hierzu zählen viele allgemein bekannte Arten wie Tag-Pfauenauge, Admiral, Distelfalter, Großer und Kleiner Schillerfalter, Kaisermantel, Kleiner Perlmutterfalter und verschiedene, oft schwer unterscheidbare Scheckenfalter sowie der häufige Kleine Heufalter oder das Schachbrett. Der Schlüsselblumen-Würfelfalter als letzte Art gehört zu den Würfelfaltern (Erycinidae) und ist in Brandenburg mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgestorben.


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

ZITRONEN FALTER
(Gonepteryx rhamni)

Flügelspannweite (Fsw) 55-60 mm. In Europa häufig und verbreitet. Auffälliger Vorfrühlingsbote, der als einer der ersten Tagfalter schon an sonnigen, milden Spätwintertagen fliegt. Lebt in lichten Wäldern und an Waldrändern. Lebensdauer einschließlich der Überwinterung durchschnittlich 10 Monate - einer unserer langlebigsten Falter. Überwintert in Bodenstreu und an niedrigen Sträuchern. Die Raupen ernähren sich von Faulbaum- und Kreuzdorn-Blättern. Mitte Juni schlüpft die neue Falter-Generation. In Brandenburg und Berlin nicht gefährdet.

SCHWALBENSCHWANZ
(Papilio machaon)

Fsw 72-90 mm. in Europa nordwärts bis zum Nordkap, in Großbritannien nur lokal vorkommend. Aktuell in Brandenburg und Berlin weit verbreitet, doch seine Bestände gehen deutlich zurück. Die Falter fliegen von Mitte April bis Juni, die der 2. Generation von Ende Juni bis Mitte August. Falter bevorzugen bei der Nektarsuche Blüten von Disteln, Rot-Klee, Flieder, Natternkopf und Sommerflieder. Die auffälligen grün-schwarz-roten Raupen leben auf Doldengewächsen (Dill, Wilde Möhre, Gartenmöhre) und überwintern im Puppenstadium. In Brandenburg und Berlin derzeit nicht gefährdet.

DISTELFALTER
(Vanessa cardui)

Fsw 52-59 mm. Regelmäßig und häufig auftretender Wanderfalter, nahezu weltweit verbreitet. Als einzige Großschmetterlingsart wurden Distelfalter sogar auf Spitzbergen nachgewiesen. In manchen Jahren erfolgen im Mai-Juni Masseneinflüge in Brandenburg und Berlin mit Massenvermehrungen im Sommerhalbjahr. Die Raupen ernähren sich u. a. von Blättern der Distelarten, von Beifuß und Natternkopf Die Falter der 2. Generation können bis Oktober bei uns beobachtet werden. Doch weder als Falter, Raupe oder Puppe kann diese Art den mitteleuropäischen Winter überleben. Im Herbst erfolgt die Rückwanderung der Distelfalter in den Süden.

THYMIAN-AMEISENBLÄULING
(Maculinea arion)

Fsw 29-35 mm. Ein kleiner Tagfalter, der von Spanien ostwärts bis Sibirien verbreitet ist. In Europa hoch gefährdet (geschützt nach Anhang IV der FFH-Richtlinie der EU); nur noch wenige stabile Vorkommen. Lebt in Brandenburg in kargen Kiefernwäldern mit Thymianvorkommen, letzte Nachweise dotierten von 1976. 2015 wurde die Art bei Brieskow-Finkenherd wiederentdeckt. Arttypische komplizierte Fortpflanzungsstrategie: Die Weibchen legen die Eier an die Knospen der Nahrungspflanzen (Thymian), von denen die Raupen fressen. Ältere, noch kleine Raupen suchen den Boden auf und werden von Ameisen ihrer Wirtsart aktiv in deren Nester getragen und dort bis zur Verpuppung gefüttert. Im Frühjahr verlassen die geschlüpften Falter das Ameisennest. Die Art kann ihre Raupenentwicklung außerhalb des Nestes ihrer Wirtsameise nicht abschließen.

GOLDENER SCHECKENFALTER
(Euphydryas aurinia)

Fsw 33-45 mm. In Eurasien (fehlt in Norwegen und auf den Mittelmeerinseln) bis Südsibirien vertreten. War früher weit verbreitet, heute bis auf wenige Restpopulationen ausgestorben. Einst in allen Regionen Brandenburgs - nachgewiesen. 7983 letzte Beobachtungen bei Erkner und Brandenburg/Havel. Feuchte, nährstoffarme Mähwiesen mit Beständen des Teufelsabbisses, der einzigen Raupennahrung in Brandenburg, bildeten den Lebensraum der Art. 2005 begann in Brandenburg die erfolgreiche Wiederansiedlung mit Faltern und Raupennestern aus Mecklenburg, u.a. im NSG Wernsdorfer See, NSG Löcknitztal und NSG Ruhlsdorfer Bruch.

GROSSER FEUERFALTER
(Lycaena dispar)

Fsw 35-39 mm. In Europa und bis Sibirien verbreitete-Art, fehlt auf der Iberischen Halbinsel, im Mittelmeerraum und Skandinavien. In England ausgestorben. Geschützt nach europäischem Recht (FFH-Richtlinie). Die Raupen ernähren sich von Ampfer-Arten (Fluss-und Wasser-Ampfer). Der Große Feuerfalter galt zu Beginn der 1990er Jahre in Brandenburg und Berlin als stark gefährdet. Seit 1995-2000 ist vor allem im östlichen Brandenburg eine deutliche Zunahme dieser Art zu beobachten. Aktuell ist sie hier lokal häufig vertreten und gilt heute als kaum gefährdet.

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Quelle:
naturmagazin, 30. Jahrgang - Nr. 3, August bis Oktober 2016, S. 4-11
Herausgeber: Naturschutzzentrum Ökowerk Berlin
Naturschutzbund Deutschland (NABU) e.V., Landesverband Brandenburg
Naturschutzfonds Brandenburg/Naturwacht
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. November 2016

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