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PFLANZEN/161: Von wegen "eingehen wie 'ne Primel"... Blume des Jahres 2016 (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 191 - April/Mai 2016
Die Berliner Umweltzeitung

Von wegen "eingehen wie Primel"
Wiesen-Schlüsselblume ist Blume des Jahres 2016

Von Jörg Parsiegla


Die Loki Schmidt Stiftung Hamburg hat die Echte oder auch Wiesen-Schlüsselblume zur Blume des Jahres 2016 ernannt. Damit soll für den Schutz dieser selten gewordenen Pflanze geworben werden, die in vielen Bundesländern auf der Roten Liste der gefährdeten Arten steht. Der Grund hierfür ist ihr bedrohter Lebensraum: sonnige, eher trockene Wiesen und lichte Wälder auf kalkhaltigen Böden. Da letztere in der Norddeutschen Tiefebene eher selten sind, ist sie vor allem hier schutzbedürftig. Dennoch kommt sie als Charakterart magerer und trockener sowie halboffener oder offener Landschaften bundesweit vor - auf Wiesen und Magerrasen, in Wacholderheiden und Gebüschen. Primula veris, wie die Wiesen-Schlüsselblume mit botanischen Namen heißt, wächst auch in lichten Wäldern, die Beschattung darf hier allerdings nicht zu stark werden. Nimmt sie überhand, siedelt sich eher die nächste Verwandte der Wiesen-Schlüsselblume, die Hohe oder auch Wald-Schlüsselblume, an.

Alle Schlüsselblumen der Gattung Primula aus der Familie der Primelgewächse (Primulaceae) kommen in weiten Teilen Europas und Vorderasiens vor. Die attraktive, krautige Pflanze, die Wuchshöhen zwischen 10 und 30 Zentimetern erreicht, erfreut den aufmerksamen Spaziergänger mit ihren sattgelben Blüten vom März bis in den Juni hinein. Als Frühlingsbotin schmückt sie zur Osterzeit viele Gegenden Deutschlands - vor allem Wiesen, Wegränder und Böschungen. Wird die traditionelle Nutzung der Wiesen (für Grünfutter und/oder als Streuobststandort) aufgegeben, erobern schnell Büsche und Bäume das Terrain und verdrängen das lichtliebende Gewächs.

Jedes der Blütenblätter der Primel trägt ein orangefarbenes Saftmal (ein Unterscheidungsmerkmal, das bei der Wald- oder Hohen Schlüsselblume fehlt). Die Blüten stehen zu mehreren eng beieinander an einem Stiel und haben einen angenehmen Duft. Der Name der Blume leitet sich wahrscheinlich aus dieser Anordnung, die an ein Schlüsselbund erinnert, ab. Der bereits erwähnte lateinische Name Primula (die erste) veris (Frühling) bedeutet in etwa "erste Blume im Frühling". Wiesen-Schlüsselblumen sind auch im Garten ein Hingucker, viele Gärtnereien bieten die Pflanze an. Geeignete Standorte sind vor allem Gehölzgruppen, Rabatten und Steingärten in vollsonniger Lage. Auch als Schnittblume in Blumensträußen wird sie gern verwendet. Ein weiterer Verwendungszweck betrifft das Rhizom, also den Wurzelstock, der Pflanze. Aus diesem wurde früher Niespulver hergestellt.

Als Heilpflanze kommt die Echte Schlüsselblume aufgrund ihrer - allerdings geringen (oft nur wenige Prozent) - Gehalte von Saponinen, Flavonoiden und Carotinoiden in Betracht, ebenso enthält sie Spuren von ätherischem Öl. So werden Extrakte aus Schlüsselblumen vor allem bei Erkältungen mit verschleimtem Husten und Schnupfen als Begleitsymptomatik eingesetzt. Die hierbei wirksamen Triterpensaponine üben eine reizende Wirkung auf die Magenschleimhaut aus und sollen über Nervenfasern reflektorisch die Bronchialschleimhaut dazu anregen, mehr Schleim zu produzieren. Hierdurch verdünnt sich das Sekret und erleichtert das Abhusten. Als Nebenwirkung der Anwendung wurden allerdings auch schon Magenschmerzen und Übelkeit sowie allergische Hautreaktionen festgestellt. Frische, junge Schlüsselblumenblättchen eignen sich bedenkenlos zum Verzehr - zum Beispiel als Beigabe zu Salaten.

Was die kulturelle Bedeutung der Wiesen-Schlüsselblume betrifft, so galt sie im Volksglauben einst als Schutz- und Fruchtbarkeitsmittel. In der nordischen Mythologie sind es Elfen und Nixen, die die Pflanze lieben und schützen, möglicherweise weil sie als eines der himmelöffnenden Frühlingskräuter gilt - der Name Himmelsschlüsselblume war geboren. Als solche wird die Pflanze bildhaft auch im Text der Johannes-Passion von Johann Sebastian Bach (Bach-Werke-Verzeichnis 245, Nr. 31) in einem Bass-Arioso genannt.

Noch so viel: In einem von der Loki Schmidt Stiftung herausgegebenen Kalender für das Jahr 2016 wird die Wiesen-Schlüsselblume und ihr Lebensraum ausführlich vorgestellt. Der Kalender und die Samen der Blume des Jahres 2016 können unter info@lokischmidt-stiftung.de bestellt werden.

Weitere Informationen:
www.loki-schmidt-stiftung.de

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Quelle:
DER RABE RALF
27. Jahrgang, Nr. 191, April/Mai 2016, Seite 23
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 8, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
Redaktion DER RABE RALF:
Tel.: 030/44 33 91-47/-0, Fax: 030/44 33 91-33
E-mail: raberalf@grueneliga.de
Internet: www.raberalf.grueneliga-berlin.de
 
Erscheinen: zu Beginn gerader Monate
Abonnement: jährlich, 20 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. April 2016

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