ROBIN WOOD magazin - Nr. 163/4.2024
Die Rot-Eiche
Baum des Jahres 2025
von Rudolf Fenner
Die Rot-Eiche stammt aus Nordamerika. Bei uns wächst sie in Parks, bildet schöne Alleen und wird seit über 100 Jahren auch forstwirtschaftlich genutzt.
Ihr offizieller Name lautet Amerikanische Rot-Eiche und damit wird klar: Sie ist nicht von hier. Sie stammt aus den Nadel- und Laubmischwäldern in der östlichen Hälfte Nordamerikas. Ihr Vorkommen dort reicht vom Ostrand der zentral gelegenen Prärien bis an die Atlantikküste und vom südlichen Rand der kanadischen Taiga bis fast an die Küsten des Golfs von Mexiko.
Unter den zahlreichen dort vorkommenden Eichenarten zählt sie zu den häufigsten und am weitesten verbreiteten. Sie ist in den meisten Waldtypen dieses großen Gebiets als Mischbaumart vertreten. Nur in zweien davon ist sie die dominierende Baumart.
Eindrucksvoll sind ihre in Rottönen schwelgenden Blätter im Herbst. In den nördlichen Regionen ihres Verbreitungsgebietes ist sie maßgeblich an der Farbenpracht des berühmten Indian Summer beteiligt.
Die Rot-Eiche ist vor 300 Jahren über Frankreich nach Europa gekommen und wurde zunächst vor allem in Parks, botanischen Gärten und herrschaftlichen Alleen angepflanzt. Ein holz- und forstwirtschaftliches Interesse war zunächst recht gering und nahm erst ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts allmählich zu.
Heute ist sie als Forstbaum in weiten Teilen Europas anzutreffen: in den holzwirtschaftlich genutzten Wäldern von Südskandinavien bis nach Nordspanien, Norditalien und bis in die Balkanregion sowie von Südengland bis in die Ukraine und noch weiter östlich im angrenzenden russischen Wolgagebiet.
Die Rot-Eiche ist ein Baum, der - wenn er frei steht - um die 25 Meter hoch werden kann. In dichteren Waldbeständen schafft sie aber durchaus auch 35 Meter. Ihre Krone fällt in jüngeren Jahren eher kegelförmig aus, geht aber bei frei stehenden Bäumen mit zunehmendem Alter deutlich in die Breite.
Ihr augenfälligstes Erkennungsmerkmal sind ihre langstieligen, recht großen, spitz gelappten Blätter (20 bis 25 Zentimeter, gelegentlich auch 30 bis 35 Zentimeter lang), wobei der Rand der einzelnen Lappen noch mit wenigen unregelmäßig verteilten kleinen spitzen Zähnen besetzt ist. Auf den ersten Blick wirken diese Blätter fast schon bizarr. Nicht jeder erkennt sofort die Ähnlichkeit im Bauplan mit den kleineren und rundgelappten Blättern unserer heimischen Eichen.
Allerdings ist die Blattform durchaus variabel. Die Blätter der Lichtkrone sind tiefer eingebuchtet und lassen deshalb mehr Licht zu den flächiger geformten Blättern der Innenkrone durch. Zur herbstlichen Rotfärbung der Blätter ist noch zu ergänzen, dass sie bei alten Bäumen und auf Standorten mit schlechter Wasserversorgung schwächer oder gänzlich ausfällt und die Blätter sich direkt braun färben.
Es gibt noch einige weitere aus Nordamerika stammende Rot-Eichenarten bei uns - nicht in den Wäldern, aber in unseren Parks, städtischen Grünanlagen und als Straßenbäume: die Sumpf-Eiche, die Scharlach-Eiche und die Färber-Eiche. Deren Blattarchitektur ist zumindest ähnlich und ebenfalls variabel. Und Rotfärbungen im Herbst zeigen sie auch alle. Da sind dann zur exakten Bestimmung doch schon eher die Spezialist*innen gefragt.
Ungewöhnlich ist auch die Rinde der Rot-Eiche. Die typische Eichenborke, wie wir sie hier von unseren heimischen Eichen kennen, gibt es bei der Rot-Eiche nicht. Deren Rinde ist zumindest in den ersten zwei, drei Jahrzehnten glatt und grau, ähnlich der Rinde der Rot-Buche. Später reißt sie dann nach und nach in senkrechte parallel verlaufende, tiefe Rillen und in unregelmäßig große, flächige Borkenbereiche auf.
Die neuen Triebe, die Blätter und die nach Geschlecht
getrennten Blüten treiben gleichzeitig oder nur wenige Tage
zeitversetzt aus, gelegentlich schon ab Mitte April, meist erst ab
Anfang Mai. Die männlichen Kätzchenblüten hängen in Büscheln meist am
Ende des Vorjahresaustriebs, während die weiblichen Blüten einzeln
oder in kleinen Gruppen eher unscheinbar klein in den Achseln der
Blätter am Neuaustrieb stehen. Im Zeitraum der Empfängnisbereitschaft
fällt allerdings ihr tiefrot gefärbter Stempel auf.
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Veteranen
Die vermutlich älteste in Deutschland stehende Rot-Eiche steht im 1778
angelegten Schlosspark von Dresden-Pillnitz. Sie ist etwa 250 Jahre
alt und hat einen Stammumfang von 5,40 Meter. Ebenfalls bei Dresden,
allerdings im nicht öffentlich zugänglichen Schlosspark von Nöthnitz,
steht auch die mächtigste Rot-Eiche Deutschlands. Ihr Stammumfang
beträgt 7,2 Meter. Ihr Alter ist allerdings unbekannt und wird eher
auf nur 185 Jahre geschätzt. In der Karlsruher Weststadt wächst die
zweitmächtigste und noch vollkommen vital erscheinende Rot-Eiche
Deutschlands. Ihr Stammumfang beträgt 6,17 Meter, ihr Alter wird mit
205 Jahren angegeben (siehe Bild unten).
In ihrer nordamerikanischen Heimat wird das Höchstalter der Rot-Eiche
mit 300 bis 500 Jahren angegeben. Ein so extrem hohes Alter von 800
Jahren und mehr, wie es unserer heimischen Stiel-Eiche zugetraut wird,
kann die deutlich schneller wachsende Rot-Eiche demnach keinesfalls
erreichen.
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Rot-Eichen fruchten, wenn sie frei stehen, etwa ab 25 Jahren,
innerhalb des Waldes und im gesamten Kronenraum aber erst ab etwa 50
Jahren. Die abgerundet tonnenförmigen und bis zu drei Zentimeter
langen Eicheln stehen in einem relativ flachen Becher. Sie
reifen - darin unterscheiden sie sich von unseren heimischen Eichen -
nicht im selben Jahr, sondern erst im Verlauf des folgenden Jahres ab
Ende August.
In städtischen Grünanlagen, Parks und auf Friedhöfen ist die Rot-Eiche schon lange regelmäßig anzutreffen und bereichert dort maßgeblich das alljährliche herbstliche Farbenspiel der Baumkronen. Auch als Alleebaum - innerorts und an Landstraßen - hat die Rot-Eiche ihren Platz gefunden, da sie wenig empfindlich auf Streusalz reagiert. Sie wird dort auch künftig noch gepflanzt werden können, denn sie gilt als recht trockenheitstolerant und wird auch mit den sicherlich noch steigenden Temperaturen vorerst gut zurechtkommen.
Erst Mitte des 19. Jahrhunderts, also etwa hundert Jahre nach ihrer Einführung in Deutschland, erwachte hier ein breiteres Interesse, die Rot-Eiche auch forstwirtschaftlich anzubauen. Seit 1880 wurden dann zunächst mehr und mehr wissenschaftlich begleitete Versuchspflanzungen angelegt, von denen viele auch heute noch bestehen und beobachtet werden. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts ist die Rot-Eiche endgültig Bestandteil der hiesigen Forstpraxis. Heute ist sie mit einem Anteil von 0,5 Prozent die zahlenmäßig häufigste nichtheimische Laubbaumart in unseren Wäldern.
Zunächst meist in Reinkulturen angepflanzt, wird die Rot-Eiche heute eher in Mischbeständen kultiviert - zusammen mit Buchen, aber auch mit Hainbuchen, Winter-Linden oder Berg-Ahorn. Das entspricht zum einen eher ihrer natürlichen Lebensweise in ihrer nordamerikanischen Heimat, hat aber auch noch weitere Vorteile: Die im Vergleich zu heimischen Eichen auffallend geringe Biodiversität blattfressender Insektenarten bei in Mitteleuropa wachsenden Rot-Eichen ist in Mischbeständen deutlich erhöht. Auch die Zersetzung des Rot-Eichenherbstlaubs, die in Reinkulturen zumindest auf sehr armen Böden zu langsam verläuft und dort eine geschlossene Rohhumus-Auflage bilden kann, verläuft in Mischkulturen ohne große Probleme.
Die Rot-Eiche wächst vergleichsweise schnell, deutlich schneller als ihre hiesigen Artgenossen. In den ersten hundert Jahren schafft sie 10 bis 14 Meter mehr an Wuchshöhe. Entsprechend schneller nimmt auch ihr Stammdurchmesser zu. Ihr Holz gilt trotzdem als von annähernd gleicher Qualität, allerdings nur bei der Verwendung im Innenbereich, also für Möbel, Wandvertäfelungen, Treppen, Türen, Fenster und besonders gern für Dielen- und Parkettfußböden. Für die Herstellung von Fässern für Wein und andere Flüssigkeiten eignet es sich nicht, da anders als bei unseren heimischen Eichen die ehemaligen Leitungsgefäße im Kernholz der Rot-Eichen nicht durch sogenannte Thyllen verstopft werden. Das Holz ist also für Flüssigkeiten durchlässig. Aus dem gleichen Grund lässt es sich dann aber umso wirkungsvoller bis tief ins Innere imprägnieren und kommt dann auch für die Verwendung im Freiland infrage.
Wegen der eingeschränkten Verwendbarkeit des Rot-Eichenholzes
unterscheidet der Holzhandel übrigens zwischen Roteichen und
Weißeichen, wobei die Farbangaben sich allein auf die unterschiedliche
Färbung des Splintholzes, dem schmalen Bereich zwischen Borke und dem
inneren Kernholz, beziehen. Der ist nämlich bei den Weißeichen, zu der
unsere europäischen, aber auch viele der amerikanischen Eichen
gehören, weiß bis hellgrau. Bei den Roteichen, zu denen die Rot-Eiche
und ihre näheren Verwandten in Nordamerika gehören, ist das Splintholz
hellgrau bis blassrosa.
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Sonderaufgaben
Da die Rot-Eichen auch auf armen Böden noch gut zurechtkommen, werden
sie schon seit langem auch zur Renaturierung von stillgelegten
Tagebauen und Abraumhalden eingesetzt.
Als bestens geeignet erweisen sie sich aber für eine ganz andere
Aufgabe: nämlich Waldbrände in den ausgedehnten, auf sandigen Böden
stehenden Kiefern-Kulturen auszubremsen oder gar zu stoppen. In
breiten, dicht bepflanzten Streifen zwischen den Kiefernbeständen
behindert die schwer entzündliche Belaubung der Rot-Eichen die
Ausbreitung eines Feuers über die Baumkronen. Und die geringe
Bodenvegetation sowie die schwer brennbare, dichte Laubstreu unter den
Rot-Eichen verlangsamen die Ausbreitung eines Bodenfeuers derart
stark, dass eine erfolgreiche Brandbekämpfung möglich wird. Und noch
ein Plus haben diese "Feuerriegel": Rot-Eichen haben sich im Verlauf
ihrer Evolution gegen die in ihrer nordamerikanischen Heimat sehr viel
häufiger auftretenden Waldfeuer gewappnet. Sie können, selbst wenn sie
stark durch ein Feuer in Mitleidenschaft gezogen wurden, aus tief in
ihrem Stammfuß und Wurzelhals ruhenden Knospen gleich nach dem Brand
wieder austreiben. So muss kein neuer Riegel aufgeforstet werden.
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Das Bundesamt für Naturschutz hat die Rot-Eiche als invasiv eingestuft. Die Entscheidung beruht auf einem Fall im Waldgrenzbereich des Elbsandsteingebirges: In den dortigen sehr lichten Felswäldern der Sächsischen Schweiz werden die vereinzelt auf Felsplateaus und in Felsspalten wurzelnden heimischen Trauben-Eichen von Rot-Eichen verdrängt.
Diese Rot-Eichen, eingeschleppt von Eichelhähern aus ein bis anderthalb Kilometern entfernten forstlichen Rot-Eichenbeständen, können sich mit ihren Wurzeln besser in den Felsen verankern und so auch effektiver Nährstoffe und Wasservorräte erschließen. Sie überwachsen die Trauben-Eichen dort mit der Zeit und bringen sie letztlich zum Absterben.
Der Verband Forstlicher Forschungsanstalten widerspricht dieser Einstufung anhand dieses Einzelfalls und weist darauf hin, dass es in den Waldgebieten in Deutschland keine weiteren Fälle gibt, in denen sich die Rot-Eiche unkontrolliert breitgemacht hat. Der Eichelhäher ist der Einzige, der die Rot-Eiche überhaupt über größere Distanzen ausbreiten könnte. Der zieht aber die Eicheln der heimischen Eichen vor.
Außerdem wachsen keimende Rot-Eichen genauso wie die heimischen Eichen innerhalb des Waldes langsam, sind wenig schattentolerant und werden gern vom Wild verbissen. Die allerwenigsten überleben die ersten Jahre. Auch aus städtischen Parkanlagen ist eine massive Ausbreitung nicht bekannt.
Aber auch wenn bislang kein eindeutig invasives Vordringen der Rot-Eiche in unseren Wäldern festgestellt wurde - dies kann kein Freibrief dafür sein, die Rot-Eiche als idealen Ersatzbaum uneingeschränkt im klimagestressten Wald zu propagieren. Dagegen spricht die im Vergleich zu heimischen Eichen auffallend geringe Biodiversität an blattfressenden Insektenarten, die sich bislang an den hiesigen Rot-Eichen eingestellt hat. Dagegen spricht auch, dass beispielsweise im benachbarten belgischen Flandern, wo der Anteil der Rot-Eichen in den Wäldern deutlich höher liegt als hier, die Rot-Eiche in lichte Kiefernwälder einwandert. Auch in anderen direkt angrenzenden Nachbarländern - in den Niederlanden, in Polen und in Tschechien - sind die Rot-Eichen als invasiv beziehungsweise potenziell invasiv eingestuft.
Rudolf Fenner vertritt ROBIN WOOD im Kuratorium Baum des Jahres (KBJ): Fachbeirat der Baum des Jahres - Dr. Silvius Wodarz-Stiftung
*
Quelle:
ROBIN WOOD-Magazin Nr. 163/4.2024, Seite 16-23
Zeitschrift für Umweltschutz und Ökologie
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