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PILZ/009: Origineller Pilz des Jahres 2015 (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 188 - Oktober/November 2015
Die Berliner Umweltzeitung

Die Becherkoralle
Origineller Pilz des Jahres 2015

Von Jörg Parsiegla


Mit der Wahl der Becherkoralle zum Pilz des Jahres möchte die Deutsche Gesellschaft für Mykologie (DGfM) auf den Umstand aufmerksam machen, dass aus deutschen Wäldern immer mehr abgestorbenes Holz zum Heizen entnommen wird - zu dem zwar noblen Zweck, die Vorräte an fossilen Brennstoffen zu schonen, jedoch mit der Folge, dass dadurch der natürliche Lebensraum für viele wichtige und auch seltene Organismen verlorengeht. Wie zum Beispiel das Habitat für die Becherkoralle. Die schöne und ungewöhnliche Pilzart aus der Gruppe der Korallenpilze braucht das Totholz von abgestorbenen Baumstämmen zum Überleben. Die Gesellschaft warnt daher, dass der Mehrbedarf an Holz zur biologischen Verarmung der Wälder führen könnte.

Prognosen lassen erwarten, so die DGfM, "dass unsere Wälder in naher Zukunft wieder so aufgeräumt aussehen werden, wie dies in der Umgebung größerer Städte kurz nach dem zweiten Weltkrieg der Fall war, als nahezu die gesamte Bevölkerung auf Holz als Heizmaterial angewiesen war."

Heimische Verbreitung

Allerdings ist die Becherkoralle im Moment noch keine vom Aussterben bedrohte Pilzart - als wärmeliebende Art kommt ihr der Klimawandel zugute. Sie ist sogar recht weit verbreitet, allerdings überall extrem selten. Das heißt, man muss schon etwas suchen, um ihr auf die Spur zu kommen - oft sind es verschattete Plätze, die auf den ersten Blick keinen Fund erwarten lassen. In den letzten zehn bis fünfzehn Jahren konnte sie sich insbesondere auf Kiefernholz in der norddeutschen Tiefebene ausbreiten, auch um Berlin gibt es einige Standorte. Die überwiegende Zahl der Funde liegt in Stromtälern an wärmebegünstigten, nicht unbedingt sonnigen Stellen.

Die Becherkoralle ist in allen gemäßigten Zonen der Nordhalbkugel verbreitet, sie kommt also auch in Asien und Nordamerika vor.

Allgemein besiedelt Artomyces pyxidatus (Synonym Clavicorona pyxidata) meist schon sehr morsches Totholz sowohl von Nadel- als auch Laubbäumen, unter letzteren vor allem an Buche, Pappel oder Weide. Aus Österreich sind Vorkommen in Nadelwäldern auch an Tannen bekannt. Im Fall eines Antreffens sollten, zum Schutz der Art, auf keinen Fall alle Fruchtkörper abgeräumt werden - nicht nur aufgrund des ohnehin umstrittenen Speisewertes (von "ungenießbar/kein Speisepilz" bis zu "essbar, wenn frisch"), sondern auch, um eine Weiterverbreitung der Sporen beziehungsweise des Myzels zu fördern. Die Fruchtkörper erscheinen in Mitteleuropa hauptsächlich von Juli bis September.

Äußere Merkmale

Die Becherkoralle, der in ihrer Bezeichnung oft auch der Zusatz "verzweigt" vorangesetzt wird, ist eine Pilzart aus der Familie der Ohrlöffelstachelingsverwandten (Auriscalpiaceae) innerhalb der Täublingsordnung. "Typisch sind die korallenähnlichen Fruchtkörper, deren Äste sich quirlartig verzweigen", heißt es bei Wikipedia. Die oberen Verzweigungen seien becherartig vertieft, "was dem Pilz seinen deutschen Namen eingebracht hat". Weil die Verzweigungen Kandelabern ähneln, wird der Pilz auch Kandelaberkoralle genannt. Im englischen Sprachraum ist, wie könnte es anders sein, die Bezeichnung Crown Coral (Kronenkoralle) oder Crown-tipped Coral Fungus (kronenbestückter Korallenpilz) weit verbreitet.

Zu den Größenverhältnissen: "Die schmutzigweißlich, hell- bis ockergelblich oder gelbbräunlich gefärbten Fruchtkörper der Becherkoralle sind zwei bis acht (selten bis 15) Zentimeter hoch. Ihre dicht stehenden Äste steigen fast senkrecht auf und erweitern sich oben becherförmig. Sie verzweigen sich kandelaberartig in vier bis sechs dünnere Äste, das kann sich je nach Größe mehrmals wiederholen, die obersten Spitzen der Zweige sind ebenfalls becherförmig." Man würde daher auch vom pyxidaten Verzweigungstyp (siehe lateinischer Name) sprechen. Das etwas zähe, elastische Fleisch der Becherkoralle wird als mild im Geschmack, beim Kauen zunehmend pfefferig scharf beschrieben.

Als wichtigen Schritt zum Schutz der Becherkoralle, wie auch aller anderen totholzliebenden, seltenen Organismen befürwortet die DGfM die Herausnahme von Waldflächen aus der Bewirtschaftung und die Ausweisung von Altholzinseln. Der Erhalt wertvoller, natürlicher Waldbestände, wie zum Beispiel Naturwaldreservate, wäre ebenfalls ein wichtiger Beitrag zum Schutz holzbewohnender Artengemeinschaften.


Weitere Informationen:

www.dgfm-ev.de

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Quelle:
DER RABE RALF
26. Jahrgang, Nr. 188, Seite 22
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 8, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
Redaktion DER RABE RALF:
Tel.: 030/44 33 91-47/-0, Fax: 030/44 33 91-33
E-mail: raberalf@grueneliga.de
Internet: www.raberalf.grueneliga-berlin.de
 
Erscheinen: zu Beginn gerader Monate
Abonnement: jährlich, 20 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Dezember 2015

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