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VÖGEL/1054: Trappenland Brandenburg (naturmagazin)


naturmagazin
Berlin - Brandenburg
Ausgabe 3/2016

Trappenland Brandenburg

Von Jürgen Herrmann


Aus dem 18. Jahrhundert ist ein Schreiben märkischer Bauern an den preußischen König überliefert. Darin bitten sie Friedrich den Großen, gegen die zahlreichen Großtrappen etwas zu unternehmen. Die Trappen würden ständig auf ihren Feldern fressen und dadurch die Ernte schmälern. Gegen die Trappen selbst vorzugehen, war den Bauern untersagt. Großtrappen gehörten zur "hohen Jagd" und waren dem König und dem Adel vorbehalten. 1753 erteilte Friedrich II. die Genehmigung, Großtrappen zu bekämpfen.


Im 18. Jahrhundert hatten Großtrappen in Mitteleuropa ihre größten Bestandszahlen und weiteste Verbreitung. Sie lebten in der offenen Feldlandschaft bis an die Ränder der Dörfer. Wie kaum eine andere Vogelart sind Großtrappen nahezu ausschließlich auf den bewirtschafteten Wiesen und Feldern anzutreffen. Trotz ihrer Häufigkeit, auffälligen Größe und ganzjährigen Anwesenheit wurden sie keine volkstümlichen Vögel, sondern eher durch ihre Scheu und Wachsamkeit bekannt. Ornithologen berichteten in den 1970er Jahren von ihrer enormen Fluchtdistanz: Schon bei einer Annäherung auf 500 Meter flog die gesamte Gruppe auf und davon - wohl eine Folge der starken Bejagung der Großtrappen durch die Jahrhunderte.

Etwa um 1850 begann der dramatische Rückgang der Art, zunächst kaum registriert. Die Verbreitungsgebiete schrumpften, Großtrappen "verschwanden" aus einer deutschen Provinz nach der anderen. Die letzten Beobachtungen datieren aus Hessen um 1850, Niedersachsen 1885, Schleswig-Holstein 1916, Baden-Württemberg 1935 und Thüringen 1948. Brandenburg blieb noch für Jahrzehnte das Land mit der größten Trappendichte in Deutschland: "Dieser stattliche Vogel bewohnt trotz aller Einschränkung und Verminderung seiner Brutgebiete noch immer in sehr großer Menge die Provinz Brandenburg. In dichten und individuenreichen Scharen, die aus hunderten von Vögeln bestehen, wie sie oft in den steppenartigen Wiesenniederungen um die Buschdörfer am nördlichen Fuß des Fläming beobachtet werden, wird der Trappe im Frühjahr, Herbst und Winter in den flachen weiten Getreidegebieten angetroffen, die die Mark speziell im mittleren, westlichen und südwestlichen Teile in großer Anzahl aufweist", schreibt Hermann Schalow 1919 in den "Beiträgen zur Vogelfauna der Mark Brandenburg".

Genauere Zahlen über die Großtrappenpopulation hatte damals keiner. Im Jahr 1934 erfolgte eine erste Bestandsaufnahme durch Befragung von Jägern und Ornithologen. Für das heutige Gebiet des Landes Brandenburg wurden ca. 3.700 Großtrappen gemeldet. Neue Zählungsergebnisse und Bestandsschätzungen wurden 1965 vorgelegt. Nur in Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg lebten noch etwa 900. Bald zeigte die Linie der Bestandsentwicklung steil nach unten: 1976/77 gab es noch 600 bis 650. Im Februar-März 2000 wurden in Brandenburg nur noch 66 bis 70 Großtrappen angetroffen. 1996/97 war der Tiefpunkt erreicht: Es gab nur noch 57 freilebende Großtrappen in Deutschland. Die Großtrappe, einst als sehr häufiger Vogel und Ernteschädling bezeichnet, war auf der Roten Liste der Vögel Brandenburgs (Kategorie 1: Vom Aussterben bedroht) gelandet.

Jeweils im Spätwinter erfolgt die Zählung der Brandenburger und Sachsen-Anhaltinischen Großtrappen durch Experten des Fördervereins Großtrappenschutz e. V. Die scheuen Vögel verteilen sich auf die Gebiete Havelländisches Luch, Belziger Landschaftswiesen und Fiener Bruch. Seit 1998 ist ein deutlicher Bestandszuwachs zu beobachten. Im Februar 2016 waren es - nach dem Sommer 2015 mit überdurchschnittlichem Aufzuchterfolg - insgesamt 232 Großtrappen. Der Geschäftsführer des Fördervereins, Henrik Watzke, freut sich über diese Entwicklung. Er weist auf die langjährigen Anstrengungen hin, den Personaleinsatz und Kostenaufwand, der diesen Erfolg ermöglicht hat. "Seit 1997 verbessern großräumige Flächenmanagementprogramme, u. a. durch eine extensive Nutzung der Landwirtschaftsflächen, und zusätzliche Brachenprogramme die Lebenssituation der Großtrappen. Auch die Auswilderung handaufgezogener Großtrappen aus gefährdeten oder verunglückten Gelegen wurde optimiert und der Schutz der Gelege vor tierischen Nesträubern. Unverändert hoch sind die Verluste an Hochspannungs-Freileitungen. Das ist nach wie vor die Haupttodesursache für erwachsene Trappen." An Windenergie-Anlagen in Deutschland sind noch keine Todesfälle mit Großtrappen registriert worden. Bisher drei Totfunde an Windrotoren wurden von den spanischen Großtrappengebieten gemeldet.

Henrik Watzke weist auf die mehrtägige Regenperiode im Juni dieses Jahres hin. In der Folge wurden mehrere Gelege verlassen, aber auch Ersatzgelege gezeitigt. Er rechnet für das laufende Jahr mit einem geringeren Aufzuchterfolg im Vergleich zu 2015: "Exakte Zahlen können wir erst im Februar 2017 nennen."


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

- Großtrappenhenne
- Großtrappengelege sind sehr durch Prädatoren (z.B. Fuchs) gefährdet.
- Großtrappen sind Nestflüchter, werden anfangs jedoch von der Henne gefüttert.

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Quelle:
naturmagazin, 30. Jahrgang - Nr. 3, August bis Oktober 2016, S. 36-37
Herausgeber: Naturschutzzentrum Ökowerk Berlin
Naturschutzbund Deutschland (NABU) e.V., Landesverband Brandenburg
Naturschutzfonds Brandenburg/Naturwacht
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. September 2016

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