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VÖGEL/757: Illegale Greifvogelverfolgung (Vogelschutz)


Vogelschutz - 4/2011
Magazin für Arten- und Biotopschutz

Illegale Greifvogelverfolgung

von Hannelore Summer


Sämtliche in Europa vorkommenden Greifvogel- und Eulenarten sind sowohl nach dem Bundesnaturschutzgesetz als auch nach der EU-Artenschutzverordnung geschützt. Sie dürfen nicht getötet, gefangen oder auf andere Art und Weise verfolgt werden. Nach dem Jagdrecht sind sie ganzjährig geschont. Der Paragraph 71 des Bundesnaturschutzgesetzes droht dem, der einem Tier einer streng geschützten Art nachstellt, es fängt, verletzt oder tötet, bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe oder eine Geldstrafe an.


"Da stimmt etwas nicht", hat sich Naturschutzwächter Anton Biebl im Landkreis Rottal-Inn gedacht. Seit 2005 ist der Habichtshorst im Tattenbacher Wald in der Gemeinde Egglham verwaist. Das kleine Wäldchen mit altem Fichtenbestand in gut strukturierter Agrarlandschaft ist ein ideales Brut- und Jagdgebiet. Hin und wieder fand Biebl einzelne Federn von Junghabichten - sonst nichts. Und weil er den Grund dafür wissen wollte, ist er im März losgezogen. Er hat einen weiten Bogen geschlagen vom Tattenbacher Wald, immer den Höhenrücken entlang, und bald fand er, was er befürchtet hatte: Einen Fasanenschenkel, der mit blau-violettem Granulat bestreut war, und ein paar Meter weiter auf dem gleichen Feldweg noch zwei blau bestreute Kaninchenteile. Die toxikologische Untersuchung durch das Landeskriminalamt zeigte, dass die Köder mit dem seit 31.12.2007 verbotenen hochgiftigen Insektizid Carbofuran präpariert waren. Da bekam das vom Jagdpächter aufgestellte Schild: "Vorsicht beim Verlassen der Wege! Wildfallen aufgestellt!!!" eine makabre Bedeutung.

Die Polizei hat dann mit Hilfe der Unteren Naturschutzbehörde und der freiwilligen Feuerwehr 17 mit Gift präparierte Köder gefunden und fünf Opfer: einen jungen Habicht und zwei Mäusebussarde mit Ködern im Schlund sowie die Reste einer Waldohreule und ein Gerippe eines Mäusebussards. Eine Spaziergängerin fand in der Nähe eine Kornweihe und einen roten Milan, beide vergiftet.


Straftat

Sämtliche in Europa vorkommenden Greifvogel- und Eulenarten sind sowohl nach dem Bundesnaturschutzgesetz als auch nach der EU-Artenschutzverordnung geschützt. Sie dürfen nicht getötet, gefangen oder auf andere Art und Weise verfolgt werden. Nach dem Jagdrecht sind sie ganzjährig geschont. Der Paragraph 71 des Bundesnaturschutzgesetzes droht dem, der einem Tier einer streng geschützten Art nachstellt, es fängt, verletzt oder tötet, bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe oder eine Geldstrafe an. Nach Paragraph 2 des Bundesjagdgesetzes droht bei Jagdwilderei nach dem Strafgesetzbuch (§ 292) eine Strafe von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe. Das gleiche Strafmaß fordert auch § 17 des Tierschutzgesetzes für den, der ein Wirbeltier ohne vernünftigen Grund tötet.

Ganz klar: Wer Greifvögel tötet, begeht eine Straftat, und doch passiert es immer wieder. Hans-Joachim Fünfstück von der Vogelschutzwarte Garmisch-Partenkirchen hat in Zusammenarbeit mit dem LBV für Niederbayern eine Liste zusammengestellt:

• 19.02.2011: ein mit Carbofuran vergifteter Mäusebussard im Landkreis Landshut
• 17.02.2010: zwei mit Carbofuran vergiftete Mäusebussarde im Landkreis Straubing-Bogen
• Frühjahr 2010: über 100 vergiftete Vögel an einem Maisfeld im Landkreis Straubing-Bogen
• 2009: eine mit E605 vergiftete Rabenkrähe im Landkreis Straubing-Bogen
• Juni 2008: ein mit Carbofuran vergifteter Mäusebussard im Landkreis Deggendorf
• seit Ende der 1990er Jahre: im Landkreis Dingolfing-Landau gibt es 39 bekannt gewordene Vergiftungsfälle.


Wie groß das Problem ist, kann man nur ahnen

Naturfreunde finden die toten Vögel zufällig, manchmal stolpert jemand bei einem Spaziergang oder wenn er seinen Hund ausführt über einen verendeten Greifvogel, eine Falle oder Köder.

Greifvogelverfolgung ist eine Straftat, und um das Problem konkret erfassen zu können, sammelt Hans-Joachim Fünfstück in Zusammenarbeit mit dem LBV Daten konkreter, auch zurückliegender Fälle. Kontakt: jochen.fuenfstueck[at]lfu.bayern.de

"Wer einen toten Greifvogel findet und den Verdacht hat, dass hier etwas Illegales passiert ist, soll unbedingt die Polizei rufen", sagt Jochen Fünfstück. Sie muss bei Verdacht auf eine Straftat die Beweise sichern und auch die Vögel zur Untersuchung einschicken. Nimmt man den gefundenen Greifvogel selbst mit, so ist das rein rechtlich gesehen Wilderei. Deshalb muss man in diesem Fall der Polizei anzeigen, dass man einen Greifvogel zum Zwecke der Untersuchung mitgenommen hat. Dies ist nach dem bayerischen Jagdgesetz möglich. Die Kosten übernimmt dann die Staatsanwaltschaft. Verdächtig ist es, wenn mehrere tote Vögel auf engem Raum liegen, die möglicherweise noch Nahrungsreste im Schnabel haben, wenn die Schnabelschleimhaut blau- oder rotviolett verfärbt ist oder die Greifvögel verkrampfte Fänge haben. Verdächtige Köder oder tote Fliegen auf den Kadavern sind Alarmzeichen, die zu höchster Vorsicht raten, denn die Gifte sind auch für den Menschen gefährlich. Damit die Gifte noch nachgewiesen werden können, sollten Kadaver und Köder schnell eingeschickt werden. "In der Regel liefert uns die Polizei die Fälle und wir leiten dann Ermittlungsverfahren ein", erläutert Ralph Reiter, Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Landshut. "Wenn ein konkreter Verdacht besteht, könne gegen einen Verdächtigen ermittelt und auch ein Durchsuchungsbefehl erwirkt werden. Und es werden auch hohe Strafen ausgesprochen, wenn jemandem Vogelmord nachgewiesen werden kann." Im Straubinger Fall wurde ein Landwirt in erster Instanz zu einer Geldstrafe über 90 Tagessätze á 50 Euro wegen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz verurteilt. Meist aber kann kein Täter ermittelt werden, auch wenn Verdachtsmomente gegen Landwirte, die Zugang zu Pestiziden haben, Jäger und Kleintierzüchter, die die Greife als unliebsame Konkurrenz empfinden, bestehen.

Unter www.lbv.de/Greifvogelverfolgung kann man weitere Informationen und Hinweise zur Vorgehensweise bei der Meldung bekommen, einen Erfassungsbogen herunterladen oder die Fälle online melden. Informationen und Hilfe erhalten Sie natürlich auch bei den Mitarbeitern des Artenschutzreferats in Hilpoltstein.


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Verhalten bei Verdachtsfällen von Greifvogelverfolgung:

• Verändern Sie die Auffindesituation nicht und dokumentieren Sie diese möglichst umfassend durch Film- oder Fotoaufnahmen.

• Suchen Sie die Umgebung nach weiteren Opfern ab.

• Informieren Sie die nächste Polizeidienststelle und fordern Sie Beweisaufnahme vor Ort. Nach §163 Strafprozessordnung ist die Polizei verpflichtet, bei Verdacht auf eine Straftat Beweise zu sichern und Ermittlungen aufzunehmen.

• Bei Verdacht auf eine Vergiftung müssen die Kadaver und Köder zur Untersuchung eingeschickt werden.

• Notieren Sie Name und Dienststelle des aufnehmenden
Polizeibeamten sowie die Tagebuchnummer.

• Stellen Sie bei Erstattung einer Anzeige unbedingt Strafantrag - dies signalisiert das Interesse an der Strafverfolgung. Formulierungsvorschlag: "Ich stelle Strafantrag wegen aller in Betracht kommender Delikte" (nach Naturschutzrecht, Jagdrecht, Tierschutzgesetz, Waffenrecht, Zivilrecht u.a.).

• Notieren Sie das Aktenzeichen und weisen Sie darauf hin, dass Sie über Ermittlungsergebnisse und den Ausgang des Verfahrens informiert werden wollen.

• Informieren Sie ggf. die Presse, um das öffentliche Interesse zu wecken und die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass das Verfahren nicht eingestellt wird. Informieren Sie die Presse über den Ausgang des Verfahrens.

Hinweise auf Straftaten ergeben sich bei

• der Auffindung von Fallen (Verdacht auf illegalen oder nicht tierschutzgerechten Fang)

• der Auffindung von Kadaverteilen mit auffälliger Färbung sowie ein oder mehreren verendeten Tieren (Greifvögel, Krähenvögel, Marder, Igel u.a.) evtl. in unmittelbarer Umgebung von Ködern (Verdacht auf Vergiftung) und verletzten Vögeln (Verdacht auf Abschuss). Die Verletzungen können sich die Vögel aber auch auf Straßen oder an Stromleitungen zugezogen haben.


DIE AUTORIN

Hannelore Summer
Geschäftsstelle Niederbayern
Maxmühle 3, 94554 Moos
Tel. 09938-9500-20
E-mail: niederbayern[at]lbv.de


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:
Fotos links: Mäusebussarde sind wohl die häufigsten Opfer illegaler Greifvogelverfolgung
Unten: Noch immer betrachten einige schwarze Schafe unter Landwirten und Jägern die Greifvögel als Konkurrenten im Revier
Selbst seltene Greife wie der Seeadler werden verfolgt
Unten: Dieser Seeadler wurde mit abgtrenntem Kopf und Ständern Anfang diesen Jahres im Aischgrund bei Nürnberg gefunden (siehe VOGELSCHUTZ 2/11)
Unten: Auch in Unterfranken gab es eine große Zahl vergifteter Vögel zu beklagen



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Quelle:
Vogelschutz - 4/2011, S. 10-13
Magazin für Arten- und Biotopschutz
Herausgeber:
Landesbund für Vogelschutz in Bayern e.V. -
Verband für Arten- und Biotopschutz
LBV-Landesgeschäftsstelle
Eisvogelweg 1, 91161 Hilpoltstein
Tel.: 09174 / 47 75-0, Fax: 09174 / 47 75-75
E-Mail: info@lbv.de
Internet: www.lbv.de

Vogelschutz ist das Mitgliedermagazin des LBV
und erscheint vierteljährlich


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. November 2011