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KOHLEALARM/050: Klimakampf und Kohlefront - Ungehorsam zivil, Hausbesetzung (Hubert Perschke)


Klimacamp im Rheinland - Hausbesetzung in Manheim

von Hubert Perschke, 25. August 2013


Hausbesetzer auf dem Dach eines Einfamilienhauses - am Giebel ein Transparent 'Wir nehmen uns Raum' - Foto: © 2013 by r-mediabase / Hubert Perschke

Hausbesetzer
Foto: © 2013 by r-mediabase / Hubert Perschke

Zum dritten Mal findet seit den 23.08.2013 in Manheim, einem Ortsteil von Kerpen, ein Klimacamp statt. Das Klimacamp richtet sich gegen den extrem klimaschädlichen Abbau von Braunkohle im Rheinischen Braunkohlerevier durch den RWE-Konzern. Im Unterschied zu den vergangenen Jahren haben Kreispolizeibehörde und Stadt Kerpen den Veranstaltern Auflagen erteilt, die es äußerst schwer, wenn nicht sogar unmöglich machen, das Camp in der geplanten Art und Weise durchzuführen. Da die Veranstalter das Camp als Versammlung gemäß § 14 Versammlungsgesetz angemeldet haben, untersagt ihnen die Polizei das Aufstellen von Zelten zu Übernachtungszwecken und die Einrichtung von Kochgelegenheiten. Bei einer Anmeldung als Veranstaltung bei der Stadt Kerpen soll ein professioneller Sicherheitsdienst engagiert werden. Die Vermutung, dass dies alles auf Druck von RWE passiert, liegt nah, hatte das Unternehmen den Veranstaltern doch schon vorher die Nutzung der sanitären Anlagen auf dem Sportplatz in Manheim verboten, die im letzten Jahr noch problemlos möglich war. Jetzt verweigert RWE auch noch den Zugang zu einem Hydranten, über den das Camp mit Wasser versorgt werden soll.

Dass das Verhalten von Polizei und Stadt fast zwangsläufig eine Konflikteskalation zur Folge haben wird, hat Wilfried Meisen in seinem Kommentar in der Onlineausgabe des Kölner Stadt-Anzeigers an 20.08.2013 deutlich gemacht. Er schreibt: "Es wäre deshalb von den Behörden klug, den Camp-Organisatoren den Aufbau einer eigenen Infrastruktur wie in den Vorjahren zu erlauben, damit die Veranstaltung in geregelten Bahnen verläuft. Wenn dies im Rahmen des Demonstrationsrechtes nicht geht, hätten sich Polizei, Stadt und Organisatoren frühzeitig über eine andere Art der Anmeldung des Camps - etwa als "normale" Veranstaltung - verständigen müssen.

An der Hauswand steht u.a. 'Programm: Workshop 'Macht macht Umwelt kaputt' (im Garten)', 'Love + Respect', 'Wir bleiben hier' - Foto: © 2013 by r-mediabase / Hubert Perschke

Das besetzte Haus
Foto: © 2013 by r-mediabase / Hubert Perschke

Erst an Pfingsten hat es in Manheim schon ein Zeltlager der katholischen Jugend mit rund 200 Teilnehmern gegeben, ohne dass man von hohen Auflagen - etwa der Forderung nach einem professionellen Sicherheitsdienst - gehört hätte. Wenn alle Beteiligten an einem Strang ziehen, geht es also. Beim Klimacamp ist das natürlich nicht so: Denn es ist im Rheinischen Braunkohlerevier vielen ein Dorn im Auge, so dass man gerne mal zu Schikanen greift. Auch illegale Aktionen wie die Blockade der Hambachbahn dürfen hierfür nicht als Rechtfertigung herangezogen werden. Sie müssen gesondert juristisch aufgearbeitet werden. So ist es ja auch bei anderen Veranstaltungen: Keiner würde etwa ein Fußballspiel absagen oder behindern, weil ein paar wenige im Stadion mit Feuerwerk zündeln.

Unter dem Motto "Wir nehmen uns Raum" haben dann auch einige Besucher des Klimacamps am 24.08.2013 in Manheim ein leerstehendes Haus besetzt. "Schluss mit der Schikane. Tagelang schon drangsalieren Polizei und Stadt Kerpen das Klimacamp mit unmöglichen Auflagen, ständiger Überwachung und Kontrollen. Am Freitag nun mussten auch die Workshopzelte auf der Obstwiese abgebaut werden, da die Polizei sie nicht genehmigt. Das Campgelände ist auf ein Minimum geschrumpft. Es soll auf dem Klimacamp scheinbar keinen Raum geben, um sich auszutauschen, Workshops zu besuchen, zu essen und zu schlafen. Wir haben es satt, uns von den Behörden an der Nase herumführen zu lassen. Wir nehmen uns den Raum, den wir brauchen! Aus diesem Grund wurde heute in Manheim von unabhängigen Aktivist*innen eins der zahlreichen leeren Häuser besetzt. Hier findet sich genug Platz für die vielen Workshops und Diskussionsrunden. Die Besetzung hat auch symbolischen Charakter, da Manheim eins der Dörfer ist, die von der Zwangsumsiedlung betroffen sind.", schreiben die Klimaaktivisten auf der Homepage (http://hambacherforst.blogsport.de/ siehe auch http://www.klimacamp.ausgeco2hlt.de/). "Wir werden erst runter kommen, wenn das Klimacamp seine Zelte auf die Obstwiese stellen kann!", ist ihre Forderung. Heruntergeholt wurden sie zwangsweise, ohne auf die Forderung einzugehen, mit einer Hebebühne in der Nacht gegen 23.00 Uhr.

Dass die Polizei sich in Manheim auf keine Verhandlungen einließ, war zu erwarten. Seit der Räumung des besetzten Hambacher Forstes im November 2012 kennt sie kein Pardon. Ihr Vorgehen gegenüber den Waldbesetzern, die jetzt auf einer Wiese neben dem Hambacher Forst leben, hat die Kompromisslosigkeit und auch Härte in mehreren Einsätzen gezeigt.

Zwei Clownsaktivisten mit Kindertelefonen agieren direkt vor der Polizeikette vor dem besetzten Haus - Foto: © 2013 by r-mediabase / Hubert Perschke

Die Clowns im Einsatz
Foto: © 2013 by r-mediabase / Hubert Perschke

Es ist fast anzunehmen, dass die Hausbesetzung im Sinne von RWE und den Ordnungsbehörden ist, da sich ja mit der Hausbesetzung scheinbar bestätigt hat, dass die Aktivisten vor keinen kriminellen Handlungen zurückschrecken. In der hiesigen Region gibt es viele Bürgerinitiativen und Einzelpersonen, die RWE und der Braunkohle kritisch gegenüber stehen. Die Bürger und Initiativen sind aufgerufen, sich hinter das Klimacamp zu stellen und deutlich zu machen, dass es ein berechtigtes Interesse für das Camp und die Diskussion der Klimafrage gibt. RWE, die Polizei und die Stadt Kerpen müssen sehen, dass sie in ihren Handlungen kritisch gesehen werden und Toleranz gegenüber Braunkohlegegnern notwendig ist.


Anmerkung:
[1] http://www.ksta.de/kerpen/hambachbahn-polizei-raeumt-die-gleise,15189188,16823958.html

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Quelle:
© 2013 für Text und Fotos by Hubert Perschke, Kerpen
mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. August 2013