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BUCH/641: Joachim Radkau - Holz. Wie ein Naturstoff Geschichte schreibt (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 171 - Dezember 2012/Januar 2013
Die Berliner Umweltzeitung

Auf dem Holzweg?
Holz - Wie ein Naturstoff Geschichte schreibt

von Jörg Parsiegla



Aus der Buchreihe Stoffgeschichten des Wissenschaftszentrums Umwelt der Universität Augsburg ist ein weiterer Band erschienen: Holz. Verfasser Joachim Radkau (geboren 1943), Professor für Neuere Geschichte und Autor von Standardwerken zur Technik- und Umweltgeschichte, erzählt darin dessen wechselvolle Kulturgeschichte und nimmt den Leser mit auf eine Reise von den Jägern der Steinzeit hin zur globalisierten Gegenwart, in der der Naturstoff Holz eine ungeahnte Wiedergeburt erfährt.

Dabei fragt sich Radkau, ob "Holz" überhaupt ein historisches Thema abgibt: "Waldwirtschaft, Aufforstung, Holzschlag, Köhlerei, Holztransport, Holzverteilung, Holzhandwerk, Bauwesen, Brennholzwirtschaft, Pech-, Teer- und Pottaschegewinnung, dazu in moderner Zeit die Holzschliff- und Zellstoffindustrie... Ist es sinnvoll, diese Themen in einen Zusammenhang bringen zu wollen?"

Als Bindeglied zwischen den genannten Themen sieht der Autor die gemeinsame Ressource, den Wald. Ihm und der Mensch-Wald-Beziehung im Lauf der Geschichte ist das einführende Kapitel Holzwege in die Geschichte gewidmet. Insbesondere die Waldrodung zugunsten des Ackerbaus zieht sich wie ein roter Faden durch die Menschheitsgeschichte. Später, mit aufkommendem Handel, werden Holznöte durch den Schiffbau erzeugt. Aber auch Brennholz war schon im Altertum knapp - so wird zitiert, dass, als Buddah 483 v. Chr. starb, "es sich als schwierig (erwies), die zur Verbrennung des Leichnams erforderliche Menge Holz zusammenzukaufen." Dennoch, "deutliche Konturen bekommt das Mensch-Holz-Drama erst mit Beginn der Neuzeit" schreibt Radkau. Dementsprechend richtet der Autor die weitere Gliederung des Buches aus.

Mittelalter und beginnende Neuzeit: Im 16. Jahrhundert wird Holzverknappung zu einem Problem, dass besondere Lösungen erfordert. Es kommt zum ersten großen Schub von Forstordnungen mit der Tendenz, möglichst weite Waldgebiete unter (klein-)staatliche Kontrolle zu nehmen. Hinsichtlich Holzgewinnung und Holzverarbeitung gelangen Floß- und Triftwesen zur Blüte. Die Verarbeitung des Holzes zu Brettern erfolgt bereits in Sägemühlen.

Im Vorfeld der Industriellen Revolution, um 1800, wird der Höhepunkt der Holznot erreicht, gleichzeitig tragen technische Entwicklungen zur Holzeinsparung bei. Aufforstungsbewegungen erleben - zunächst in Deutschland, später fast überall in Europa - einen Durchbruch. Es wird versucht, nicht mehr nur den Holzeinschlag, sondern auch das Wachstum des Waldes zu steuern. Mit der Erfindung der Dampfmaschine gelingt hinsichtlich der Holzbe- und -verarbeitung stufenweise eine allmähliche Industrialisierung.

Die Zeit der Hochindustrialisierung. "Bevölkerungswachstum und weltweiter Raubbau (führen) zu einer neuen, diesmal globalen Holzverknappung" merkt Radkau zu dieser Epoche an. Aber auch neue Möglichkeiten der Holznutzung, insbesondere der Veredlung und der Verwertung von Holzabfällen, werden erschlossen und führen diesbezüglich zu einer Wirkungsgradsteigerung. Die Waldwirtschaft "lässt (gegenwärtig) eine neue Stufe der Waldreglementierung erkennen: ein Trend ... zur Züchtung neuartiger Wirtschaftswälder." Gleichzeitig vollziehen sich Sprünge in der Kommerzialisierung und Vermarktung des Holzes.

Kapitel fünf, der Blick über die Grenzen, macht den Leser schließlich mit der Holz- und Waldwirtschaftsgeschichte in außerwestlichen Kulturen bekannt, darunter der hohen japanischen Holzbau- beziehungsweise Zimmermannskunst des daiku.

Alle Kapitel sind reich mit Fakten und Geschichten unterlegt. Darin kommen zum Beispiel Schweinekriege, "faule Gesellen", die Erfindung der Kreissäge und der Thonet-Stuhl Nr. 14 vor. Last but not least spielt natürlich der Begriff Nachhaltigkeit eine Rolle, wurde er doch in seiner ursprünglichen Bedeutung durch die Forstwirtschaft erst geprägt.

Kurz: Mit dem neuen, 364 Seiten umfassenden Band der Stoffgeschichten (im knuffigen Hardcover) sind nicht nur Fachkundler, sondern auch natur- und umweltinteressierte Leser in der richtigen Spur - und nicht auf dem Holzweg!

Joachim Radkau
Holz. Wie ein Naturstoff
Geschichte schreibt
oekom verlag, München 2012
364 Seiten, 22,95 Euro
ISBN 978-3-86581-321-3

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Quelle:
DER RABE RALF - 23. Jahrgang, Nr. 171 - Dezember 2012/Januar 2013, S. 26
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 8, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
Redaktion DER RABE RALF:
Tel.: 030/44 33 91-47, Fax: 030/44 33 91-33
E-mail: raberalf@grueneliga.de
Internet: www.raberalf.grueneliga-berlin.de
 
Erscheinen: zu Beginn gerader Monate
Abonnement: jährlich, 20 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Januar 2013