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ENERGIE/191: Konzept für eine Solare Innovationsstrategie in Deutschland (Solarzeitalter)


Solarzeitalter 1/2010
Politik, Kultur und Ökonomie Erneuerbarer Energien

Die Photovoltaik innovativ fortentwickeln

Konzept für eine Solare Innovationsstrategie in Deutschland


In der Politik, in der Wirtschaft und in den Medien wird über die Förderung der Photovoltaik (PV), deren Höhe und mögliche Auswirkungen diskutiert. Die aktuell laufende Debatte ist leider isoliert auf die Fördersätze fokussiert. In dieser Form ist sie der weltweiten Bedeutung dieser Schlüsseltechnologie nicht angemessen. Sie schadet nicht nur den Perspektiven der Energie- und Klimapolitik. Sie betrifft auch die elektrotechnische Industrie, die Architektur und die Kommunen. Vor allem aber schwächt sie die Rolle Deutschlands als Vorreiter auf diesem Wirtschaftszweig. Wenn jetzt ein Absinken der garantierten Einspeisevergütungen ansteht, sollte deshalb zugleich eine offensiv ausgerichtete Weiterentwicklung der Photovoltaik-Forschung eingeleitet werden.


Die vielfältigen Möglichkeiten und Potenziale der Photovoltaik müssen dabei beachtet werden, sowohl national wie international. Deutschland steht mit der Förderung der Photovoltaik seit dem 100.000-Dächer-Programm von 1999 und dem EEG seit 2000 für den weltweiten Durchbruch und die Innovationsschübe dieser Technologie. Eine solche Leistung - gerade für den internationalen Technologietransfer - hat der UN-Weg gescheiterter internationaler Klimaschutzverhandlungen bis heute versäumt. Dieser Aspekt kommt auch bei der Diskussion um asiatische PV-Importe nach Deutschland zu kurz.

In dieser Darstellung zeige ich den über die pauschalen Vergütungssenkungen hinausgehenden Änderungsbedarf bei der Photovoltaik sowohl innerhalb als auch außerhalb der EEG-Förderung auf, die für die Innovations- und Technologieentwicklung elementar sind.

Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) war von Anfang an als lernendes Gesetz konzipiert. Groß angelegte Novellierungen im vierjährigen Turnus werden der rasanten Entwicklung der Erneuerbaren-Energien-Technologien nicht länger gerecht. Einerseits darf der Gesetzgeber nicht permanent diesen wichtigen gesetzlichen Rahmen verändern und somit Unruhe und Investitionsattentismus bei den Wirtschaftsakteuren stiften. Andererseits muss er bei offensichtlicher Notwendigkeit - wie z.B. aufgrund nicht beeinflussbarer Kostensteigerungen bei Rohstoffen (ich weise auf die Stahlpreisentwicklung der Jahre 2005 bis 2007 und die Auswirkungen auf den stockenden Zubau der Windkraft in Deutschland hin) - frühzeitig tätig werden und gegebenenfalls eine Gesetzesanpassung auch außerhalb des Überprüfungszeitraums vornehmen. Auch bei Technologiesprüngen und damit einhergehenden Kosteneinsparungen sollte das Parlament Selbstbewusstsein zeigen und Fachkenntnis beweisen und zeitnahe Anpassungen an den Vergütungssätzen vornehmen: je nachdem sowohl in die eine als auch in die andere Richtung. So gesehen ist auch eine aktuelle Anpassung der Vergütungssätze der Photovoltaik nicht von vornherein als ein Ausbremsen der Erneuerbaren Energien zu verstehen. Voraussetzung ist, dass gesenkte Vergütungssätze nicht zu Markteinbrüchen führen und dies mit praktischen politischen Schritten zum Ausbau der Erneuerbaren Energien, speziell der Photovoltaik, einhergeht.

Aufgrund internationaler Veränderungen (ich erwähne den fast kompletten Wegfall des spanischen Marktes und den enormen Ausbau der Produktionskapazitäten in Asien) hat sich der PV-Markt in Deutschland vollständig gewandelt: Der bisherige Verkäufermarkt, der es selbst Experten und erst recht der Politik schwer machte, die Kostenstruktur exakt zu ermitteln, wurde zu einem Käufermarkt; die PV-Unternehmen mussten ihre Vertriebs- und Marketingaktivitäten verstärken, um ihren Absatz halten zu können; die früheren Quasi-"PV-Anlagen-Zuteilungsstellen" der Unternehmen wurden zu Vertriebsabteilungen. Und zum ersten Mal ließen sich über den Preis für Module und Gesamtsysteme Rückschlüsse auf die Herstellungskosten ziehen. Durch den erhöhten Konkurrenzdruck auf dem PV-Markt und durch technologische Weiterentwicklungen kam es zu enormen Preis- und Kostensenkungen, die größtenteils an Verbraucher und Betreiber weitergeben wurden.

All diese Entwicklungen kamen Anfang 2009 zusammen und sorgten für rapide Preissenkungen bei den Modulen und Gesamtsystemen, die daraufhin zu einem starken Ausbauschub führten. Der deutsche Photovoltaikmarkt und die Installationszahlen in Deutschland haben die Chance zur weiteren starken Ausweitung. Sie ist auch notwendig. Die heimische Nutzung der Solarenergie muss und kann mittel- und langfristig im deutschen Strommix hinter der Windkraft (Onshore) die zweitwichtigste Energiequelle werden. Allein 2008 wurden knapp 2.000 MW neue PV-Anlagen zugebaut. Die Schätzungen für das Jahr 2009 bewegen sich zwischen 3.000 und 4.000 MW. Dennoch wird der Photovoltaik in der Wahrnehmung der Menschen immer noch lediglich eine kleine Nische im Erneuerbare-Energien-Mix der Zukunft zugestanden. Dass die Photovoltaik gerade auf dem Sprung ist, einen maßgeblichen Anteil zum deutschen Strommix beizutragen, wird nicht nur von großen Teilen der Öffentlichkeit, sondern von vielen sogenannten "Energie-Experten" übersehen.

Der unumkehrbare Durchbruch der PV-Technologie muss nun aus energie-, verbraucher-, umwelt- und industriepolitischen Gründen intelligent flankiert werden. Dazu sind weitere gesetzgeberische und politische Änderungen inner- und außerhalb des EEG nötig. Nur über die folgenden Maßnahmen wird Deutschland seine Vorreiterrolle beim Ausbau, bei der Nutzung, aber auch bei der Entwicklung und Produktion der PV-Technologie erhalten bzw. wiedergewinnen können:

1. Kostensenkungen an Verbraucher weitergeben!

Bei der Anpassung der Vergütungssätze sind die aktuellen, zusätzlichen Kostensenkungen, die der Branchenverband der Solarwirtschaft BSW-Solar für das Jahr in einer Größenordnung von ca. 26 Prozent taxiert, an die Stromkunden weiterzugeben, die ja über die EEG-Umlage den Ausbau der Erneuerbaren Energien mitfinanzieren. Aber durch eine abrupte Einmalabsenkung darf der weitere Ausbau der Photovoltaik in Deutschland nicht gefährdet oder gebremst werden. Mit einer größeren einmaligen Absenkung der PV-Vergütungssätze sollte man auf den Pfad der Lernkurve (Kostensenkung synchron zur Produktionsausweitung) zurückkehren und damit der Industrie eine verlässliche Orientierung zum Ausbau ihrer Kapazitäten geben. Jährliche oder gar halbjährliche Diskussionen über weitere Anpassungen stören diese Zielsetzung. Eine wissenschaftliche Ermittlung des Absenkungspotenzials ist Grundvoraussetzung und sollte durch eine vertrauliche, die Geschäftsgeheimnisse wahrende Analyse fünf idealtypischer Unternehmen durch Wirtschaftsprüfungsunternehmen erfolgen.

2. Dezentralen Charakter der Photovoltaik stärken!

Durch die bisherige Größendifferenzierung bei der Förderung von PV-Anlagen geriet in den vergangenen Jahren der Ausbau der kleinen PV-Anlagen ins Stocken, mit denen mittelfristig z.B. Ein- und Zweifamilienhäuser ihre Stromversorgung sicherstellen können. Dies entspricht ideal dem dezentralen Charakter der Photovoltaik, die wie keine andere Technologie die Möglichkeit zur Stromproduktion am Ort des Verbrauchs bietet. Mit einer neuen Größendifferenzierung innerhalb der PV-Vergütungssätze des EEG müssen diese Anwendungen im Vergleich zu anderen Installationen gestärkt werden. Gleichzeitig führt die Zusammenlegung bisheriger Größenklassen zu einer Verschlankung des EEG und erleichtert somit die Umsetzung des Gesetzes. Dies muss Anspruch bei weiteren EEG-Änderungen sein. Dabei muss es darum gehen, die Degression der Vergütungssätze zu differenzieren. Für eine niedrigere Degression von Kleinanlagen spricht, dass sie kaum einen Bestellerrabatt bekommen. Außerdem wurde damit das Gros der Installationen auf dem handwerklichen Installateurssektor in regionale Breite gelenkt.


Gegenüberstellung der Größendifferenzierung

  EEG 2009
Änderungsvorschlag
0-30 kW
0-10 kW    
30-100 kW
100-1000 kW
10-1000 kW    

>1000 kW
>1000 kW    

Die im EEG 2009 eingeführte Regelung zur Förderung des Eigen- bzw. Direktverbrauchs sehe ich aus Rechtsgründen kritisch. Denn sie widerspricht der Grundphilosophie und Systematik des EEG im Sinne einer Kaufpflicht für das Umweltgut Erneuerbare-Energien-Strom. Nur wegen des formalen Kriteriums (keine Einbeziehung des öffentlichen Haushalts in die Finanzierungsförderung) ist sie nicht sofort als Sonderabgabe (was nicht verfassungskonform wäre) einzustufen. Keinesfalls darf sie ausgeweitet werden und muss bei einer neuen Größendifferenzierung auf die kleinste Klasse (0-10 kW) beschränkt bleiben.

3. Entlastung der Verbraucher durch faire Steuerregelungen!

Nicht nur aus Gründen der Kostenentlastung für die Stromverbraucher, sondern auch aus Gründen des Umwelt- und Klimaschutzes sowie der Steuergerechtigkeit sollte jeglicher Strom aus Erneuerbaren Energien von der Stromsteuer befreit werden. 1999/2000 war diese Initiative aus technischen und rechtlichen Gründen noch nicht möglich. Durch die 2001 eingeführten Herkunftsnachweise in Folge der Umsetzung der damaligen EU-Richtlinie zur Förderung der Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien gibt es keinerlei Hindernisse mehr. Auch die aktuellen Diskussionen zur Neugestaltung der EU-Energiesteuerrichtlinie, zur Einführung einer CO2-Komponente sowie über die bisher nicht vorhandene Lenkungswirkung des europäischen Emissionshandelssystems führen - international wie national - zu einer Bewertung von steuerlichen Anreizen. Durch die Befreiung der Erneuerbaren Energien von der Stromsteuer wird die Lenkungswirkung hin zu einem Umstieg weiter verstärkt. Der Verbraucher wird dadurch entlastet, und der Steuer- und damit Kostenanteil Erneuerbarer Energien in der Stromrechnung sinkt. Im Übrigen entspricht dieser Schritt dem Grundgedanken der ökologischen Steuerreform (Spreizung der Steuern nach Umweltqualität der Produkte).

4. Langfristige Sicherheit für Betreiber!

PV-Anlagen können länger als 20 Jahre in Betrieb sein und Strom produzieren. Aufgrund des noch "jungen Alters" der Technologie liegen hierzu aber keinerlei größere Erfahrungswerte vor, die sich verallgemeinern ließen. Untersuchungen einzelner Brancheninstitute zeigen eine unterschiedlich hohe Qualität der PV-Module (herkunftsunabhängig), die aber selbst keine Rückschlüsse auf die Lebensdauer zulassen. Um für die Besitzer, die mit der Anschaffung einer PV-Anlage nicht primär ein klassisches Finanzinvestoreninteresse verfolgen, mehr langfristige Sicherheit für den Betrieb einer PV-Anlage zu schaffen, sollten Hersteller verpflichtet werden, eine Gewährleistung von mindestens 20 Jahren zu garantieren.

Deshalb bietet sich für den Gesetzgeber an, zeitgleich mit der Verabschiedung eines einmaligen Abschlags der PV-Vergütungssätze den Vergütungsanspruch an eine Gewährleistung von 20 Jahren durch den Anlagenhersteller zu koppeln. Durch diese verbraucherpolitisch erwünschte und wirksame Maßnahme kann verhindert werden, dass durch die stärkere Vergütungsabsenkung eine Art "Race-to-the-bottom" losgetreten wird, bei dem zuerst die Qualität und Lebensdauer der PV-Anlagen sinken und am Schluss die Betreiber auf "stranded investments" sitzen bleiben. Im Rahmen einer Herstellerzertifizierung (siehe unten) könnte man über die Einführung von weitergehenden Gewährleistungen von 30 oder 40 Jahren unterschiedlich anspruchsvolle Kategorien des Zertifikats einführen, die den potentiellen Betreibern mehr Informationen und Entscheidungsmöglichkeiten bieten.

5. Ressourcen- und Umwelteffizienz steigern!

Zwar stellen die national und international installierten Mengen von PV-Modulen noch keine überbordenden Mengen dar - gerade auch vor dem Hintergrund, dass die Anlagen mindestens 20 Jahre in Betrieb bleiben. Trotzdem muss die Politik frühzeitig bei der Herstellung und Nutzung von Photovoltaik die Weichen in Richtung Ressourcen- und Umwelteffizienz stellen. Durch die im EEG angelegte Degression gibt es Mindestanreize zur Steigerung des effizienten Ressourceneinsatzes bei der Produktion von Solarsilizium, Ingots, Wafern, Zellen und Modulen. Trotzdem sind weitergehende Instrumente erforderlich, damit auf allen Herstellungsstufen sowohl die Ressourcen- wie auch die Umwelteffizienz gesteigert wird. Die industriepolitische Bedeutung der Einführung einer solchen Zertifizierung ist nicht zu unterschätzen.

Die Bundesregierung sollte deshalb eine herkunftsunabhängige Herstellerzertifizierung auf den Weg bringen, die die gesamte Produktionskette umfasst. Aufgrund des Bekanntheitsgrades in Deutschland würde sich hierzu der "Blaue Engel" anbieten. Dies wird die Marktchancen der PV-Produkte, die unter umweltgerechten Bedingungen produziert werden, verbessern.

In einem weiteren Schritt sollte dann die gesetzliche Verankerung einer solchen Zertifizierung im EEG als Voraussetzung für einen Vergütungsanspruch vorgenommen werden - ähnlich wie bei der EEG-Förderung von Strom aus Pflanzenölen, bei der Förderung von Biokraftstoffen nach Energiesteuergesetz bzw. Bundesimmissionsschutzgesetz oder bei der Förderung von Solarthermieanlagen nach dem Marktanreizprogramm (MAP).

Die verbindliche Vorschrift zum Recycling von PV-Modulen sollte im EEG und darüberhinaus EU-weit angestrebt werden. Nur durch frühzeitige und umfassende Maßnahmen kann sich die Photovoltaik als wahre Umwelttechnologie profilieren und kritischen Diskussionen, wie sie zurzeit in Kalifornien beginnen, zuvorkommen. Die dafür notwendigen technischen Neuerungen können dabei gerade den deutschen Unternehmen zugute kommen, in dem sie ihren teilweise noch vorhandenen Standort-und Technologievorteil nutzen und sich permanent einen kleinen Vorsprung vor möglichen Wettbewerbern erarbeiten. Somit wird mit den oben beschriebenen Maßnahmen der Technologiewettbewerb zwischen deutschen und asiatischen Herstellern aufgenommen und in richtige Bahnen gelenkt. Protektionistische Regelungen sind hiermit nicht verbunden.

6. Energieforschung für Photovoltaik ausbauen!

Die Bundesregierung muss im Rahmen ihrer Forschungspolitik die Innovationsfähigkeit der Photovoltaikunternehmen fördern und weiter steigern.

Hierzu verweise ich auf die von Eicke Weber, dem Direktor des Freiburger Frauenhofer Instituts für Solare Energiesysteme, unterbreiteten Vorschläge. Von besonderer Bedeutung sind hierzu Systemlösungen in der PV-Anwendung: z.B. kombinierte PV- und solarthermische Anlagen für Gebäude, PV-Anlagen als komplette Dach- oder Fassadenhaut, die die bisherige Fassaden- und Dachkonstruktion und deren Kosten ablösen. Diese FuE-Förderung sollte vor allem Unternehmen zugutekommen, die auf diesem Gebiet tätig sind und ihre Praxisnähe einbringen. Von großer Relevanz ist die Forschungsförderung für neue Solarzellenmaterialien, nicht zuletzt nach den Kriterien der Materialeinsparung und des Umweltschutzes, sowie für umweltfreundliche Produktionstechnik in der Wafer- und Zellenproduktion.

7. Vorbildwirkung des Staates und öffentlicher Einrichtungen umfassend nutzen!

Um zu demonstrieren, welche Möglichkeiten die Photovoltaik bietet, sollte sich der Bund verpflichten, in seinen jeweiligen Zuständigkeiten den Umstieg auf die Photovoltaik zu forcieren. So muss das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) sicherstellen, dass bei Förderprogrammen zur Sanierung von Bahnhöfen oder zur Errichtung von Bahnsteigsüberdachungen, die Einplanung von Photovoltaikanlagen zur Grundvoraussetzung wird. Auch die Verwendung der Photovoltaik bei Lärmschutzwänden und -wällen muss in Förderprogrammen für Lärmschutzmaßnahmen vorgeschrieben werden, sofern nicht schwerwiegende, übergeordnete Interessen dem entgegenstehen. Erst hierdurch würde der von der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) endlich zu veröffentlichende "Leitfaden zur Erhöhung der Wirksamkeit von Lärmschutzwänden durch PV" seine Wirkung entfalten.

Das Bundesministerium für Verteidigung (BMVg) sollte verpflichtet werden, in Kasernen und sonstigen Gebäuden der Bundeswehr PV-Anlagen einbauen zu lassen.

Das Bundesministerium für Finanzen (BMF) hat dafür Sorge zu tragen, dass sämtliche Bundesliegenschaften mit Solaranlagen ausgestattet werden. Über Solarkataster können die Standorte mit den besten Einstrahlungsbedingungen ermittelt werden.

Mit der Vorbildwirkung des Staates würden nicht nur neue Absatzmärkte für die PV erschlossen und der Durchbruch der PV beschleunigt. Durch die lange Nutzungsdauer von PV-Anlagen kann sich auch die öffentliche Hand frühzeitig von der sich weiterdrehenden Kostenspirale fossiler Energieträger unabhängig machen.

8. "Grid-Parity-Märkte" auf kommunaler Ebene erschließen!

Um zu vermeiden, dass durch die noch nötige Förderung der Photovoltaik die Stromkunden unnötig belastet werden, sind Märkte und Marktsegmente für die Photovoltaik zu erschließen, in denen keine oder geringe Unterstützung erforderlich ist. Vor dem Hintergrund, dass die Herstellungskosten der Photovoltaik in jüngster Zeit stark gefallen sind, steht die Photovoltaik-Technologie kurz vor dem Erreichen der "Grid-Parity", also der Kostengleichheit zwischen PV-Strom und Haushaltsstrom. Natürlich würde ein alleiniges Abheben auf die "Grid-Parity" die Realitäten des Stromverbrauchs beim Normalbürger verkennen: Erzeugungs- und Lastprofil stimmen nicht überein, so dass eine Zwischenspeicherung des selbst produzierten Stroms nötig ist. Mit der Anschaffung eines Speichers (etwa einer Lithium-Ionen-Batterie) würde die "Real Grid-Parity" zeitlich wieder aufgeschoben.

Aber bereits mit dem Erreichen der simplen "Grid-Parity" ergeben sich z.B. für Stadtwerke neue Geschäftsmöglichkeiten. Seit einiger Zeit findet eine neue Rekommunalisierungswelle im Energie- und im Stromsektor statt: Stadtwerke kaufen ihre Stromnetze zurück oder führen diese nach Ablauf der Konzessionsverträge in eigener Regie. Dabei wird meistens übersehen, dass nicht alle Stadtwerke selbst eigene Kraftwerke besitzen. Auch aufgrund der finanziellen Haushaltslage der Kommunen ist aber nicht damit zu rechnen, dass in den nächsten Jahren vermehrt Stadtwerke in neue zentrale, fossil-befeuerte Großkraftwerke investieren, weil deren wirtschaftliche Kostenbasis keine Investitionssicherheit gibt. Aber gerade Erneuerbare-Energien-Technologien und hier vor allem die Photovoltaik würden solchen Stadtwerken enorme Möglichkeiten bieten, jenseits des oligopolistisch strukturierten Elektrizitätsmarktes ihre Stromversorgung durch Eigenerzeugung zu decken. - Sie würden somit wirklich unabhängig von E.ON, RWE, EnBW und Vattenfall!

Sie haben die Chance, aus der Rolle des bloßen Verteil-Unternehmens auszusteigen, den Strom selbst zu produzieren und für die innerstädtische Vermarktung die Übertragungskosten zu vermeiden, die bei geliefertem Strom aus Kraftwerken außerhalb des eigenen Verteilnetzes zwangsläufig anfallen. Über mit Biomasse oder Biogas betriebene Blockheizkraftwerke (oder auch ein zentrales BHKW im Außenbereich samt Schaltwarte) kann eine bedarfsgerechte Verstetigung des Stromangebots zu wechselnden Lastzeiten sichergestellt werden. Damit werden auch die Verteilnetze endlich "intelligent".

Deshalb sollte die neue Bundesregierung möglichst rasch Demonstrationsvorhaben für energieautarke Gemeinden finanziell unterstützen, damit zum einen mögliche rechtliche und administrative Hemmnisse (im Bau-oder Versicherungsrecht etc.) solcher "Grid-Parity"-Geschäftsmodelle identifiziert und beseitigt werden können und zum anderen über den Leuchtturm-Charakter solcher Projekte weitere Stadtwerke und Akteure animiert werden, ebenfalls als Vorreiter tätig zu werden. Je schneller diese neuen Märkte erschlossen und ausgeweitet werden, desto schneller können die Stromverbraucher von zusätzlichen Förderkosten entlastet werden. Gleichzeitig wird durch den somit beschleunigten Ausbau der Photovoltaik auch die Technologieentwicklung angeregt. Kosten können alleine schon aufgrund der Größeneffekte bei der Produktion gesenkt werden.

Mit der Einführung eines Bonus für Kombi-Kraftwerke und die intelligente Verknüpfung von Erneuerbaren Energien nach der Verordnungsermächtigung in § 64 Abs. 1 Nr. 6 EEG-2009 kann diese Entwicklung einen weiteren Anschub erhalten. Die gleichzeitige Verabschiedung der Verordnung zur Einführung eines Kombikraftwerksbonus zusammen mit der Änderung der PV-Vergütungssätze wäre - wie oben beschrieben - ein sichtbares Signal und eine bedeutende politische Maßnahme zum weiteren Umstieg auf erneuerbare Energien. Umfangreiche Vorarbeiten sind im Bundesumweltministerium bereits in der vorigen Legislaturperiode geleistet worden.

Die Möglichkeit, ein geschlossenes Konzept für eine Solare Investitionsstrategie zu entwerfen, besteht jetzt.

http://www.eurosolar.de/de/index.php?option=com_content&task=view&id=1281&Itemid=338


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Quelle:
Solarzeitalter 1/2010, 22. Jahrgang, S. 26-31
Politik, Kultur und Ökonomie Erneuerbarer Energien
Redaktion: EUROSOLAR e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Mai 2010