Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → FAKTEN

ENERGIE/257: Windenergie im Wald - Energiewende gegen Naturschutz? (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 4/2012
Mehr, Mehr, Mehr?
Handelspolitik zwischen "Weiter so" und Nachhaltigkeit

Energiewende gegen Naturschutz?
Vorsicht mit der Windenergie im Wald

von László Maráz



Der Streit um die Errichtung von Windkraftanlagen in Wäldern zeigt, dass im Zuge der Energiewende auch Naturschutzbelange unter die Räder kommen können. Obwohl Windenergie eine effiziente Form der Energieerzeugung ist, ist sie auch dies mit Umweltgefahren verbunden. So stoßen immer wieder Vögel und Fledermäuse mit den Rotorblättern der Windräder zusammen, was in Gebieten mit vielen Windkraftanlagen zu erheblichen Beeinträchtigungen bei Populationen wichtiger Arten führt. Damit ist klar, dass nicht nur der Ausbau anderer Formen erneuerbarer Energien (zum Beispiel Biomasse, Wasserkraft) schädlich für den Erhalt der biologischen Vielfalt sein können, sondern auch die Nutzung der Windenergie. Die Umweltverbände befinden sich auch hier in einer Zwickmühle. Damit Klimaschutz und Artenschutz nicht gegeneinander ausgespielt werden, müssen Vorsorgemaßnahmen ergriffen werden.

Nach wie vor gilt das Ziel, einen möglichst schnellen Atomausstieg und die Verhinderung neuer Kohlekraftwerke zu erreichen. Die alternative Energieerzeugung auf Basis von Biomasse ist angesichts knapper Verfügbarkeit von Holz und agrarischen Rohstoffen nur in begrenztem Umfang möglich, sofern man die Grenzen einer nachhaltigen Landnutzung einhalten will. Viele Hoffnungen ruhen daher im Ausbau der Windkraft.

Die Umweltverbände wollen die Energiewende voranbringen und zugleich den Schutz der Natur sicherstellen. Protestieren sie gegen eines dieser Vorhaben, werden sie schnell als Blockierer abgestempelt. Wenn sich Umweltverbände aber für den Bau weiterer Windenergieanlagen aussprechen und bereit sind, dabei auch Beeinträchtigungen für den Naturschutz in begrenztem Umfang zu tolerieren, werden sie schnell wegen ihrer Kompromissbereitschaft kritisiert.

Warum muss es in den Wald?

Die meisten der für Windkraft besonders geeigneten exponierten Standorte, die sich auf weithin sichtbaren Hügeln und in Bergregionen befinden, sind bewaldet. Im küstenfernen Binnenland, insbesondere im Süden der Republik ist der Bedarf an erneuerbarem Strom groß, zumal man die Stromerzeugung in der Nähe wichtiger Verbraucher organisieren will. Dass dies den Bedarf für den Netzausbau verringert und dabei hilft, die Anlage von Stromtrassen durch Waldgebiete zu verringern, ist gut für den Waldschutz.

Darüber hinaus versprechen sich viele Waldbesitzer - ganz gleich ob im Privatwald, Kommunalwald oder im Staatswald - erhebliche Erträge aus dem Betrieb von Windkraftanlagen. Im Vergleich zu den immer noch bescheidenen Erträgen aus dem Holzverkauf lassen sich damit hohe Pachteinnahmen erzielen.

Gefahren für die biologische Vielfalt

Wie groß die Gefahr für Fledermäuse sein kann, darauf deutet eine Forschungsarbeit der Universität Hannover hin.[1] An knapp 200 Windkraftanlagen in Deutschland wurden im Jahr 2011 die getöteten Tiere gezählt. Im Durchschnitt starben an jeder Windkraftanlage zehn Fledermäuse pro Jahr. An besonders sensiblen Standorten kann die Zahl der Todesopfer um ein Fünffaches höher sein. Das tatsächliche Ausmaß des Einflusses der Windkraftanlagen auf die 24 bekannten Fledermausarten in Deutschland ist allerdings schwierig zu bestimmen und fundierte Bestandszahlen gibt es nicht. Experten weisen aber darauf hin, dass große Windparks zu erheblichen Beeinträchtigungen für ganze Populationen führen können. Der Bestand bestimmter Arten, zum Beispiel der Große und der Kleine Abendsegler oder die Zwerg-, Mücken-, Rauhaut-, Breitflügel- und Zweifarbfledermaus, könnten dramatisch zurückgehen, wenn Vorsorgeempfehlungen beim weiteren Ausbau der Windenergie nicht berücksichtigt würden.

Windkraftanlagen sind für viele Arten eine völlig neue Gefahr. Fledermäuse können sich nur im Nahbereich per Ultraschall orientieren - die sich schnell bewegenden Rotorblätter der Windräder nehmen sie nicht als Bedrohung wahr. Vor allem in Wäldern mit ihrem guten Futterangebot für Fledermäuse kommt es immer häufiger zu Todesfällen, da nicht nur die direkt von den Rotorblättern getroffenen Fledermäuse sterben, sondern auch diejenigen, die ihnen zunächst knapp entkommen. Sie sterben am sogenannten Barotrauma: Die großen Druckunterschiede und Luftverwirbelungen zerreißen die inneren Organe der federleichten Fledermäuse. Da sich Fledermäuse mit ein bis zwei Jungen pro Jahr nur langsam vermehren, sind solche Verluste besonders tragisch.

Zu den gefährdeten Vogelarten zählen vor allem größere Arten wie der Rotmilan, aber auch viele größere Zugvogelarten. Sie sind vor allem durch die Kollision mit den Rotorblättern gefährdet. Nicht zu unterschätzen ist, dass Vögel und Fledermäuse in ihren natürlichen Verhaltensabläufen beeinträchtigt werden. Für andere Arten dürfte der Bau der Infrastruktur problematischer sein, da Schneisen und die Öffnung des Kronendaches zur Zerschneidung von Waldgebieten führen.

Windkraftanlagen können optisch und akustisch negative Auswirkungen auf den Erholungswert der Landschaft und des Waldes haben. Gerade in naturnahen, unzerschnittenen und ästhetisch wertvollen Natur- und Kulturlandschaften droht die Errichtung vieler solcher Anlagen zur Bebauung der Gegend mit Wegen, Fundamenten und den immer höheren Masten, die manche Landschaft zu verschandeln. Die Unversehrtheit großer Waldgebiete ist aber ein hoher Wert.

Wälder müssen Ausnahme für Windkraft bleiben

Gerade weil wir noch zu wenig über das tatsächliche Ausmaß des Einflusses der Windkraftanlagen etwa auf die Fledermausarten in Deutschland wissen, sollte das Vorsorgeprinzip angewandt werden. Denn solche Anlagen bleiben ja lange in Betrieb. Vor der Genehmigung von Windkraftanlagen in Wäldern außerhalb von Schutzgebieten sollen daher Umwelt- und Naturschutzbelange besonders umfassend geprüft und vorrangig berücksichtigt werden.

Folgende Tabuzonen sind von Windkraftanlagen freizuhalten:
Nationalparke, Naturschutzgebiete, Naturwaldreservate, Natura2000-Gebiete (EU-Vogelschutz- und FFH-Gebiete), andere Schutzgebiete, soweit der Schutzzweck durch Windenergienutzung gefährdet wird, alte Laubmischwälder, flächenhafte Naturdenkmale, Kern- und Pflegezonen (A und B) von Biosphärenreservaten und Flugkorridore von Zugvögeln zu Rastgebieten.

Neben diesen absoluten Tabuzonen sollten nach Auffassung der Umweltverbände Prüfzonen mit besonderen Anforderungen an eine Verträglichkeitsprüfung im Einzelfall beachtet werden. Dazu zählen unter anderen u.a. Landschaftsschutzgebiete, Waldgebiete mit alten naturnahen Wäldern, Nahrungshabitate von Großvögeln, Gebiete mit markanten landschaftsprägenden Strukturen und sonstige ornithologisch oder für bestimmte Fledermaus-Arten besonders bedeutsame Gebiete (RAMSAR- und IBA-Gebiete).

Um das Landschaftsbild möglichst zu schonen, sollten durch Infrastruktur bereits belastete Flächen vorrangig genutzt werden. Die untere Rotorhöhe soll einen Mindestabstand zum Kronendach von mindestens 60 Metern aufweisen. Wenn technische Schutzmaßnahmen nicht ausreichen, ist von der Möglichkeit der Abschaltung in den Hauptgefährdungszeiten speziell gefährdeter Arten Gebrauch zu machen. Fledermäuse sind in den Monaten Juli bis Oktober besonders gefährdet. In dieser Zeit müssten die Anlagen nachts abgeschaltet werden, wenn dadurch die Schlagopferzahlen reduziert werden können.

Fazit

Bei allen Bestrebungen und berechtigtem Interesse, den Ausbau der Windenergie im Binnenland voranzutreiben, muss auch im Wald der Schutz anderer wichtiger Umweltbelange gesichert bleiben. Ebenso wie beim Anbau nachwachsender Rohstoffe sind auch dem Bau von Windenergieanlagen Grenzen gesetzt. Durch vorsorgende Berücksichtigung der Belange von Natur- und Landschaftsschutz in Raumordnung und Bauleitplanung können zwar viele Konflikte vermieden oder zumindest minimiert werden. Doch spätestens wenn deutlich wird, dass Waldgebiete keinen zusätzlichen Beitrag zur Energiewende mehr leisten können, so wie dies bei der Nutzung von Energieholz längst der Fall ist, darf der verstärkte Bau und Betrieb von Windenergieanlagen im Wald nicht dazu dienen, andere Maßnahmen beim Klimaschutz zu vernachlässigen. Wollen wir Wälder, deren biologische Vielfalt und die Landschaft für unsere Nachkommen erhalten, müssen wir unseren Energie- und Rohstoffverbrauch drastisch verringern. Damit anfangen müssen wir schon heute.[2]

Der Autor ist Koordinator der Plattform »Nachhaltige Biomasse« und der AG Wälder des Forums Umwelt und Entwicklung.

[1] Thomas Stillbauer: Windräder massakrieren Fledermäuse. Frankfurter Rundschau vom 26. Oktober 2012
http://www.fronline.de/frankfurt/naturschutz-windraeder-massakrierenfledermaeuse,1472798,20722496.html

[2] Für mehr Informationen siehe auch das Thesenpapier zur DNR-Kampagne »Windkraft im Visier«
http://www.dnr.de/publikationen/veroeffentlichungen/positionspapiere/windenergie.html


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V.

*

Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 4/2012, Seite 32-33
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
Marienstr. 19-20, 10117 Berlin
Telefon: 030/678 1775 93, Fax: 030/678 1775 80
E-Mail: info@forumue.de
Internet: www.forumue.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. März 2013