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ENTWICKLUNG/046: Biomasse überdenken - Afrikas Energieprobleme neu beleuchtet (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 3/2009

Afrikas Energieprobleme neu beleuchtet
Energiearmut, Abholzung und tödliche Rauchvergiftungen

Von Jürgen Maier


"Rethinking Biomass Energy in Sub-Sahara Africa" - es war ein viel versprechender Titel, unter dem das Forum Umwelt & Entwicklung und VENRO am 25. August ein Symposium veranstalteten. Im Rahmen des Venro-Projekts zur EU-Afrika-Partnerschaft ist Energie neben Handels- und Genderpolitik einer von drei Schwerpunkten, und Energiepolitik ist in Afrika undenkbar ohne Biomasse.

Traditionelle Biomasse stellt in Afrika nach wie vor den Hauptenergieträger, und weil diese vor allem in Form von Brennholz und Holzkohle inzwischen deutlich intensiver genutzt wird als sie nachwachsen kann, ist dieser Energieträger heute nur noch bedingt erneuerbar.

Vor diesem Tatsachenhintergrund wird die doppelte Notwendigkeit für die allermeisten afrikanischen Länder deutlich, die Grundlagen für eine moderne Energieversorgung zu legen. Der energiepolitische Status quo in Afrika erfüllt praktisch kein einziges Nachhaltigkeitskriterium, weder ökologisch noch sozial noch ökonomisch. Die Kosten importierter fossiler Brennstoffe als Alternative zu traditioneller Biomasse drohen für die meisten afrikanischen Länder zu einer enormen wirtschaftlichen Belastung zu werden. Als heimische Energiequellen kommen mit wenigen Ausnahmen (Ölstaaten wie Nigeria, Angola usw.) nur die erneuerbaren Energien in Frage.

Hindernisse für eine moderne Energieinfrastruktur

Der erste Beitrag von Amanda Luxande, Regionalkoordinatorin für das Südliche Afrika von REEEP(*), machte jedoch deutlich, was einer solchen modernen Energieinfrastruktur in Afrika im Weg steht. Wie rasch auch in armen Ländern Technologietransfer vonstatten gehen kann, zeige das Beispiel von Handy, Computer oder Internet. Warum setzen sich die heute längst auch in Entwicklungsländern in großem Stil produzierten Technologien erneuerbarer Energien so langsam durch, selbst in relativ entwickelten Ländern wie Südafrika? Luxande zufolge lähmen die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen die Eigeninitiative von Bürgern, Bauern und Unternehmen gleichermaßen: Regierungen und staatliche Energiemonopolisten hätten kein Interesse daran, dass sich an diesen zentralistischen Strukturen etwas ändere und aus Energie-Kunden auch Energie-Produzenten würden. Deutschen Zuhörern kam diese Analyse durchaus bekannt vor...offenbar ein in Industrie- wie Entwicklungsländern verbreitetes Phänomen.

Immerhin habe Südafrika, so Luxande, vor kurzem sogar ein Stromeinspeisegesetz für erneuerbar erzeugten Strom beschlossen. Wie die Umsetzung aussehen werde, sei aber noch offen. Die Regierung des Kohleexportlands Südafrika plane jedenfalls keine ökologisch motivierte "Energiewende", sondern denke in Großkraftwerks-Kategorien, auch wenn offensichtlich sei, dass mit dieser Strategie diejenigen, die heute in ländlichen Regionen noch nicht an das Stromnetz angeschlossen sind, darauf noch lange warten müssten. Angesichts der bevorstehenden Fußball-WM werden die notorischen Schwächen des südafrikanischen Stromnetzes nun allmählich auch von der Regierung als Achillesferse wahrgenommen.

Fakten und Strategien

Südafrikas Energieprobleme sind jedoch für die meisten Länder des Kontinents Luxusprobleme. Dies wurde im Hauptimpulsreferat des Symposiums von Ewah Eleri von der nigerianischen NGO ICEED (International Centre for Energy, Environment and Development) deutlich. Er hatte für das Symposium eigens eine umfassende Studie angefertigt, die auf der Projektwebsite abrufbar ist. Eleri ist Hauptautor von Nigerias amtlicher Renewable Energy Strategy - Nigeria ist damit vermutlich das einzige Opec-Land, das eine solche Strategie überhaupt besitzt.

Eleri beleuchtete zunächst einige wenig bekannte, schockierende Fakten. In Afrika sterben mehr Menschen an Rauchvergiftungen durch die Verbrennung traditioneller Biomasse als an Aids - mehr als eine halbe Million jährlich. Trotzdem wird dagegen kaum etwas getan. Der Zugang zu modernen Energiedienstleistungen nehme in vielen Ländern Afrikas sogar seit einigen Jahren ab - von einem sowieso niedrigen Niveau: Nicht einmal 20% der Bevölkerung Afrikas südlich der Sahara hat Zugang zu Strom, mit sinkender Tendenz. In Krisenländern wie Sierra Leone, Kongo, Tschad ging der Prokopf-Stromverbrauch in den letzten Jahren um bis zu 50% zurück, aber selbst in stabilen Ländern wie Ghana (-22%) machen unterlassene Instandhaltungs-Investitionen das Stromnetz immer unzuverlässiger.

Auf dem Vormarsch ist insbesondere in Städten heute stattdessen die Holzkohle als Energiequelle - mit verheerenden Folgen nicht nur für den Waldbestand, sondern auch für die Luftqualität in den Städten. Aber die Politik der afrikanischen Staaten geht an diesen Problemen überwiegend vorbei. Haushaltsenergie - insbesondere für die Armen - taucht in den Staatshaushalten kaum auf, ganz im Gegensatz zu Erdöl, Benzin, Preissubventionen für Benzin oder Ausgaben für die Stromerzeugung für die Städte. Völlig ignoriert werden Eleri zufolge in Afrika Biogastechnologien, obwohl sie gleich mehrere Problem auf einmal lösen könnten: sie können nicht nur Energieträger aus lokal vorhandenem Biomasse-Material bereitstellen, sondern auch die sanitäre Situation verbessern, hochwertige Düngemittel erzeugen und die Nachfrage nach Brennholz und Holzkohle verringern - und natürlich Rauchvergiftungen reduzieren. Aber über Biogas werde noch nicht einmal diskutiert.

Selbst unterhalb der Ebene neuer Technologien könne eigentlich viel getan werden. Schon verbesserte Brennholz-Öfen könnten sehr viel voranbringen: Projekte wie das kenianische JIKO-Keramiköfen-Programm blieben jedoch isolierte Einzelprojekte. Diese Öfen steigern die Energieeffizienz dramatisch bis zum Vierfachen eines offenen Feuers, was dementsprechend den Brennholz- bzw. Holzkohlebedarf verringert. Die Kosten eines solchen Ofens von 2 Dollar sind auch für Arme erschwinglich. Dennoch haben diese Öfen selbst in Kenia nur Marktanteile von 50%. Eleri schlug eine "Global Biomass Cookstove Partnership" vor, die bereits mit wenig Geld viel erreichen könnte. Dafür brauche man weder Patentrechte noch langwierige Verhandlungen in den Vereinten Nationen, sondern lediglich Initiativen einiger wichtiger Akteure, vergleichbar den globalen Partnerschaften gegen Aids oder Malaria. Immerhin ist die GTZ bereits mit einem derartigen Programm seit Jahren aktiv, wie ihre Vertreter bei dem Symposium betonten.

Eleri beleuchtete auch die Rolle flüssiger Bioenergie und die Kontroversen um Biokraftstoffplantagen. Obwohl die Anwendung von Pflanzenöl als Energieträger unzweifelhaft positive Beiträge zur ländlichen Entwicklung leisten kann, fehlten in Afrika fast flächendeckend politische Ansätze, dies voranzutreiben. Regierungen sehen in Kleinbauern allenfalls Rohstofflieferanten für Großanlagen. Nur wenn man Pflanzenöle auch in lokalen Gemeinschaften einsetzen könne, könnten sie ihren potenziellen Beitrag zur ländlichen Entwicklung leisten. Eleri beklagte ebenfalls die dominante Rolle schwerfälliger, zentralistischer Staatsmonopole im Energiesektor, die völlig auf fossile Brennstoffe fokussiert seien und Entwicklung eher behindern als fördern würden. Wer Afrikas Energieversorgung voranbringen wolle, müsse sich nicht nur um technische Lösungen bemühen, sondern die politische Ökonomie des Energiesektors ändern. Auch die Entwicklung von Mikrofinanzierungssystemen sei von hoher Bedeutung, wenn Bioenergie zur ländlichen Entwicklung beitragen solle.

Probleme groß angelegter Projekte

Andrew Scott von der britischen NGO "Practical Action" wies im nachfolgenden Beitrag auf die Probleme hin, die mit großflächigen Biokraftstoffplantagen verbunden sind, unabhängig von der Frage ob sie von ausländischen oder einheimischen Investoren realisiert werden. Für die ländliche Entwicklung brächten sie mehr Probleme als Nutzen, sie folgten dem üblichen Schema anderer Cash Crops. Allerdings bezweifelte er auch, dass Kleinbauern allein für eine groß angelegte Erdöl-Substitutionsstrategie ausreichende Mengen Pflanzenöle oder Ethanol liefern könnten.

Eigentliche Herausforderungen erkennen

In der Diskussion gab es viel Übereinstimmung in der Problemanalyse, allerdings blieben eine Reihe Fragen unbeantwortet. Insbesondere wie man die öffentliche Diskussion auf die Fragen lenken kann, die im Alltagsleben der meisten Menschen in Afrika die größten Probleme darstellen, blieb offen: allen voran die effizientere Nutzung traditioneller Biomasse, oder wie die politischen Reformen zu erzielen sind, mit denen die lähmende Wirkung zentralistischer Gesetze und Energiemonopolisten überwunden werden kann. Deutlich wurde jedenfalls, dass die Art, wie in Europa - aber auch in Afrika selbst - über Afrikas Energie-Herausforderungen diskutiert wird, weitgehend abstrakte Symboldiskussionen sind. Weder gigantische Solarprojekte in der Sahara noch französische Atomkraftwerke, weder zusätzliche weltbankfinanzierte Kohlekraftwerke noch flächendeckende Biokraftstoffplantagen werden Afrikas Entwicklung voranbringen - da sie überwiegend das Planungs- und Ankündigungsstadium nie verlassen werden, stehen sie ihr aber auch nicht wirklich im Weg. Ihr größtes Problem ist allenfalls, dass sie die Diskussion auch unter den NGOs dominieren, an den existierenden politisch-wirtschaftlichen Strukturen nichts ändern und deshalb von den eigentlichen Herausforderungen ablenken. Das Symposium hat hoffentlich dazu beigetragen, daran etwas zu ändern.

Der Autor ist Geschäftsführer des Forums Umwelt und Entwicklung.


(*) REEEP = Renewable Energy and Energy Efficiency Partnership, www.reeep.org

Die Projektwebseite zur EU-Afrika-Partnerschaft ist www.afrikas-perspektive.de - dort finden sich auch die Studie von Ewah Eleri und die Präsentationen der Tagung.


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V. Diese Publikation wurde vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) offiziell gefördert. Der Inhalt gibt nicht unbedingt die Meinung des BMZ wieder.

Der Rundbrief des Forums Umwelt & Entwicklung, erscheint vierteljährlich, zu beziehen gegen eine Spende für das Forum.

http://www.forum-ue.de/fileadmin/userupload/rundbriefe/200903.pdf


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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 3/2009, S. 21-22
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Oktober 2009