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FORSCHUNG/1023: Wo kein Kraut mehr wächst (idw)


Friedrich-Schiller-Universität Jena - 10.03.2014

Wo kein Kraut mehr wächst

Geographen der Uni Jena gehen typischer Landschaftsform der Toskana auf den Grund



Riesige Sonnenblumenfelder, ausladende Pinien und schlanke Zypressen sowie Weinberge soweit das Auge reicht - wer einmal die Toskana bereist hat, wird sie vermutlich so oder ähnlich in Erinnerung haben. Prof. Dr. Beate Michalzik von der Friedrich-Schiller-Universität Jena und ihre Kollegen interessieren sich dagegen für die eher kargen Seiten der Region in Mittelitalien: Die Jenaer Geographen haben in einer Studie die Bodenbeschaffenheit der durch Erosion geprägten Hügel erforscht, die die als "Crete Senesi" bekannte Landschaft zwischen Florenz und Grosseto typischerweise prägen.

Foto: © Beate Michalzik/FSU

Die als "Crete Senesi" bekannte Landschaft in der Toskana mit ihren durch Erosion geprägten Hügeln.
Foto: © Beate Michalzik/FSU

Jedenfalls noch. Denn die sogenannten Badlands der Toskana sind akut bedroht. "Den vielen kleinen, aufgrund ihrer weißlichen Färbung als Biancane bezeichneten Erhebungen, die sich durch eine kahle, stark abfallende Südseite und eine weniger steile, dafür von Kräutern bewachsene, Nordseite auszeichnen, setzt die Erosion stark zu", erklärt Prof. Michalzik. Ein bis zwei Zentimeter des lockeren nackten Bodens an der Südseite der Hänge werden jedes Jahr von Wind und Wetter abgetragen. Doch warum, so fragte sich die Inhaberin des Lehrstuhls für Bodenkunde, findet sich auf der einen Seite der Hügel eine schützende Decke aus Beifuß, Knäuelgras, Quecke oder Currykraut und nicht ebenso auf der anderen? Dieser Frage sind Michalzik und zwei ehemalige Jenaer Studierende nun buchstäblich auf den Grund gegangen: Wie Peggy Bierbaß, Michael Wündsch und Beate Michalzik in der Fachzeitschrift Catena schreiben, resultiert diese typisch toskanische Landschaft aus dem engen Wechselspiel von Bodenbeschaffenheit und Vegetation (DOI: 10.1016/j.catena.2013.08.003).

Foto: © Beate Michalzik/FSU

Jenaer Studierende bei der Feldarbeit in der Toskana.
Foto: © Beate Michalzik/FSU

Im Val d'Orcia, rund 30 Kilometer südlich von Siena, haben die Jenaer Studierenden und ihre Betreuer im Rahmen eines Geländepraktikums insgesamt 12 Bodenproben eines Biancana-Hügels genommen und im heimischen Labor ihre chemischen, physikalischen und hydrologischen Eigenschaften analysiert. Dabei hat das Wissenschaftlerteam herausgefunden, dass der Gehalt an Natrium im Boden entscheidend dessen Stabilität beeinflusst. "Im kahlen Teil der Hügel ist der Natriumgehalt des Bodens deutlich höher als auf der bewachsenen Seite", erläutert Michael Wündsch ein zentrales Ergebnis. Aufgrund des hohen Natriumgehalts ist der Zusammenhalt der einzelnen Tonschichten des Bodens verringert, so dass diese leichter durch Regen angreifbar sind. Die Folge: weniger Stabilität und mehr Erosion.

Eine weitere Ursache liegt in der Vegetation selbst. "Wo einmal etwas wächst, gelangt organisches Material in den Boden, das als Kitsubstanz dient und den Boden vor Abtrag schützt", so Peggy Bierbaß. Der Bewuchs führe zudem zu einer besseren Wasserbenetzung des Bodens, was die weitere Begrünung begünstigt und so den Boden schützt.

Eine gezielte Begrünung der kahlen Flächen der Biancane-Hügel könnte diese folglich langfristig stabilisieren. Allerdings, so macht Beate Michalzik deutlich, könne auch das das allmähliche Verschwinden dieser Landschaftsform nicht aufhalten. Das zeige die zunehmende landwirtschaftliche Nutzung der Region. "In den zurückliegenden Jahrzehnten sind immer größere Flächen für den Weizenanbau nutzbar gemacht worden, was dieser Landschaft ihren unverwechselbaren Charakter nimmt", so Michalzik. In 35 bis 40 Jahren, so heutige Schätzungen, werden die Badlands aus der Toskana vollständig verschwunden sein.


Original-Publikation:
Bierbaß P et al. The impact of vegetation on the stability of dispersive material forming biancane badlands in Val d'Orcia, Tuscany, Central Italy, Catena 113 (2014), 260-266,
DOI: 10.1016/j.catena.2013.08.003

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.uni-jena.de

Die gesamte Pressemitteilung inkl. Bilder erhalten Sie unter:
http://idw-online.de/de/news576662
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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Friedrich-Schiller-Universität Jena, Dr. Ute Schönfelder, 10.03.2014
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. März 2014