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FORSCHUNG/1026: Negative Auswirkungen der EEG-Novelle auf Nutzung von Reststoffen und Abfällen (idw)


Deutsches Biomasseforschungszentrum - 17.03.2014

Geplante EEG-Neuregelungen lassen fast keinen wirtschaftlichen Betrieb von neuen Bioenergieanlagen

62 Forschungspartner aus der Bioenergiebranche warnen vor den negativen Auswirkungen der EEG-Novelle auf die Nutzung von Reststoffen und Abfällen



In den letzten Jahren wurden in vielen Forschungsvorhaben vielfältige Konzepte und Verfahren zur energetischen Nutzung von biogenen Reststoffen und Abfällen untersucht und erfolgreich demonstriert. So laufen bereits heute Pilotanlagen für die Nutzung von Landschaftspflegematerial, Stroh, Pferdemist und weiteren bisher ungenutzten Reststoffen, die auf Nachahmer warten. Würden die aktuellen Forderungen in der EEG-Novelle (BMWi Referentenentwurf Stand 04.03.14) umgesetzt, würden diese vielversprechenden Ansätze bereits im Keim erstickt.

62 Wissenschaftler aus 36 unterschiedlichen Forschungseinrichtungen aus dem Bereich der Bioenergie zeigen sich besorgt über den jetzt vorliegenden Vorschlag zur Novelle des EEG im Bioenergiebereich. In den vergangenen Jahren entstand ein dichtes Forschungsnetzwerk für den Bereich der Bioenergie. Gefördert wurde das Netzwerk unter anderem durch das BMUB-Förderprogramm "Energetische Biomassenutzung".

Viele Pilot- und Demonstrationsvorhaben mit hohem Marktpotenzial für die Erschließung von biogenen Rest- und Abfallstoffen sind in diesem und anderen Forschungsvorhaben entwickelt worden.

Die entwickelten Konzepte und Anlagen leisten durch hohe Effizienz und/oder hoher Treibhausgasreduktionswirkung einen Beitrag zur Transformation des Energiesystems. Dies wird durch die Substitution fossiler Energieträger, hohe Verstromungswirkungsgrade bei gleichzeitiger Wärmenutzung, Erhöhung der Substratflexibilität oder auch durch Regelbarkeit für eine bedarfsgerechte Stromerzeugung erreicht. Bisher haben 90 Verbundprojekte bzw. 225 Einzelprojekte mit Wissenschaftlern und Praxispartnern aus ca. 60 Klein- und Mittelständischen Unternehmen bereits vielversprechende am Markt orientierende Konzepte für die Umsetzung der Ziele auf den Weg gebracht.

Mit den Forschungsprojekten konnten in vielen Bereichen wie Emissionsminderung bei Kleinfeuerungs- und Biogasanlagen, Energieerzeugung aus Reststoffen und der zunehmend wichtigeren Flexibilisierung der Stromerzeugung und neuer Wärmeerzeuger kontinuierlich Verbesserungen erreicht werden. Die Wissenschaftler im Förderprogramm "Energetische Biomassenutzung" zeigen sehr besorgt über den jetzt vorliegenden Vorschlag zur Novelle des EEG im Bioenergiebereich. Mit den geplanten deutlichen Kürzungen ist keine weitere Entwicklung im Bereich der Stromerzeugung aus Biomasse mehr zu erwarten.


Zum Hintergrund:

Mit dem EEG 2012 wurde für die Biomasse bereits die erkannte Überförderung abgebaut. Die Vielzahl der Boni wurde abgeschafft, die Anforderungen an die Anlagen erhöht und die Vergütung stark gekürzt. Die detaillierte Analyse der Effekte des EEG 2012 liegt der Bundesregierung in der Form des EEG-Monitoringberichtes zur Stromerzeugung aus Biomasse vor. Die Einspeiseregelungen des EEG 2012 geben bereits vor, dass die untersuchten Anlagenkonzepte für Biogas, Biomethan und Festbrennstoffe (Holzvergasungsanlagen im untersten Leistungsbereich) nur unter ausgewählten günstigen Randbedingungen wirtschaftlich sind.

Der derzeitige Referentenentwurf zum EEG 2014 (Stand 04.03.14) sieht die Streichung der Einsatzstoffvergütungsklassen (gezielte Förderung erwünschter Biomassesubstrate) und des Einspeisebonus für Biogas in das Erdgasnetz sowie höhere Anforderungen an einen flexiblen Betrieb vor. Die Einspeisevergütung der typischerweise bisher betriebenen Bioenergieanlagen würde damit um rund 35% reduziert(*).

Für den Biogasbereich lässt sich zusammenfassen, dass mit den Regelungen für Neuanlagen - abgesehen von sehr vereinzelten kleinen Gülleanlagen ein wirtschaftlicher Betrieb der verschiedenen Anlagenkonzepte nicht mehr möglich ist.

Landwirtschaftliche Reststoffe und Nebenerzeugnisse, aber auch andere Reststoffe können mit der geringeren Einspeisevergütung nicht erschlossen werden. Effiziente und umweltorientierte Konzepte zur Verwertung von Abfällen und Nebenprodukten werden damit verhindert.

Die vom Koalitionsvertrag und vom Eckpunktepapier anvisierte Erschließung von Rest- und Abfallstoffen wird damit sicher verfehlt. Dies hat dramatische Auswirkungen für die Branche, aber auch für die Forschung und Entwicklung in diesem Bereich. Die technologische Weiterentwicklung von Bioenergiekonzepten bleibt damit auf halbem Wege stehen.

Auch im Bereich der energetischen Holznutzung bedeutet die Streichung der Einsatzstoffklassen, dass ein Zubau von Neuanlagen unwahrscheinlich ist. Besonders die gerade neuetablierte Vergasertechnologie im kleinen Leistungsbereich wäre betroffen.

Mit den geplanten Neuregelungen dürfte der gesamten Bioenergiebranche, die sich mit der gekoppelten Strom und Wärmeproduktion beschäftigt, die Existenzgrundlage entzogen werden. Die weitere Erschließung internationaler Märkte mit deutschen Technologien sowie internationale Forschungskooperationen können dadurch nicht weiterentwickelt werden.

In der Branche ist daher mit massivem Stellenabbau zu rechnen.

Die Experten fordern daher die Bundesregierung auf die vollständige Streichung der zusätzlichen Einsatzstoffvergütungen zu überdenken, da dadurch das einzige in der bisherigen EEG-Systematik effiziente Instrumentarium zur Erschließung der politisch gewünschten Reststoffe und Abfälle wie Landschaftspflegematerial, Gülle und Stroh aus der Hand gegeben wird!

Die Forschungspartner weisen darauf hin, dass die Erforschung wirtschaftlich tragfähiger Lösungen von Industrie, Entwicklern und Planern auf vielen Ebenen verfolgt wird. Anstehende Veränderungen, wie zum Beispiel zukünftig von Anreizen wie dem EEG unabhängig zu werden, brauchen mehr Vorlaufzeit - verbunden mit kontinuierlicher Forschung und Entwicklung. Übergangsregelungen für Systemänderungen sind eine weitere wichtige Notwendigkeit, die in der gegenwärtigen EEG-Debatte nicht ausreichend berücksichtigt wird. Auch die Weiterentwicklung des Bestandes, die durch die derzeitige Flexibilitätsprämie im Biogasbereich sinnvoll angeregt wird, wird unter den jetzt zur Diskussion stehenden Neuregelungen hinter den Möglichkeiten zurückbleiben.

Die neue Flexibilitätsprämie für Biogas-Bestandsanlagen (§32 c) setzt nur für wenige große Anlagen Anreize für einen flexiblen Betrieb. Die Neuregelung verhindert, dass die bereits aufgebauten Produktionskapazitäten umfassend für die Flexibilisierung genutzt werden können.

(*) Beispiel: Flexible Biogasanlage 1.000 kWel installierte Leistung und 455 kW Bemessungsleistung mit 60% GPS und 40% Rindergülle. Vergütung EEG 2012 inkl. Flexibilitätsprämie nach §33i 21,0 ct/kWh. Vergütung nach Referentenentwurf EEG 2014 13,4 ct/kWh.


Die Unterzeichner

Folgende 62 führende deutsche Bioenergieforscher, die im Förderprogramm "Energetische Biomassenutzung" an der Weiterentwicklung der Bioenergietechnologien arbeiten, unterzeichnen die obige Forderung:

  1. Dr.-Ing. Wilhelm Althaus (Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT)
  2. Dr.-Ing. Siegfried Bajohr (Akademischer Oberrat, Engler-Bunte-Institut, Bereich Chemische Energieträger - Brennstofftechnologie)
  3. Prof. Dr. Dr. h.c. Albrecht Bemmann (Technische Universität Dresden, Professur für Forst- und Holzwirtschaft Osteuropas)
  4. Dipl.-Ing. Samir Binder (Fraunhofer UMSICHT, Institutsteil Sulzbach-Rosenberg)
  5. Dipl.-Ing. Manuel Brehmer (Technische Universität Berlin, Fakultät III - Prozesswissenschaften - Institut für Prozess- und Verfahrenstechnik - Fachgebiet Verfahrenstechnik)
  6. Dr.-Ing. Dominic Buchholz (DVGW-Forschungsstelle am Engler-Bunte-Institut des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT))
  7. Dipl.-Ing. agr. Peter Deumelandt (Institut für Nachhaltige Landbewirtschaftung e.V.)
  8. Vw. M. A. Matthias Edel (Deutsche Energie-Agentur GmbH (dena))
  9. Dr. sc. agr. Ludger Eltrop (Universität Stuttgart, IER Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung)
  10. Dr.-Ing. Burkhardt Fassauer (Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme (IKTS), Abtlg. Biomassetechnologien und Membranverfahrenstechnik)
  11. Dipl.-Phys. Uwe Fritsche (IINAS-Internationales Institut für Nachhaltigkeitsanalysen und -strategien GmbH)
  12. Prof. Dr. Roger Gläser (Universität Leipzig, Institut für Technische Chemie)
  13. Prof. Dr.-Ing. Markus Goldbrunner (Institut für neue Energie-Systeme, Technische Hochschule Ingolstadt)
  14. Dr.-Ing. Frank Graf (DVGW-Forschungsstelle am Engler-Bunte-Institut des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT))
  15. Dr.-Ing. Ingo Hartmann (DBFZ Deutsches Biomasseforschungszentrum gGmbH)
  16. Prof. Dr. Bernd Hirschl (IÖW - Institut für ökologische Wirtschaftsforschung gGmbH)
  17. Dipl. Ing. (FH) Uwe Holzhammer (Gruppenleiter: Bedarfsorientierte Energieproduktion am Fraunhofer Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik IWES)
  18. Dr.-Ing. Stefan Junne (Technische Universität Berlin, Fakultät III - Prozesswissenschaften, Institut für Biotechnologie, Fachgebiet Bioverfahrenstechnik)
  19. Prof. Dr. agr. habil. Norbert Kanswohl (Universität Rostock, Agrar- und Umweltwissenschaftliche Fakultät)
  20. Prof. Dr.-Ing. Alfons Kather (Technische Universität Hamburg-Harburg, Institut für Energietechnik (IET))
  21. Dr.-Ing. Anne Kleyböcker (Helmholtz-Zentrum Potsdam - Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ, Zentrum für CO2-Speicherung, Mikrobielles Geoengineering)
  22. Prof. Dr.-Ing. Thomas Kolb (Institutsleiter Engler-Bunte-Institut, Bereich Chemische Energieträger - Brennstofftechnologie)
  23. Dr.-Ing. Marco Klemm (DBFZ Deutsches Biomasseforschungszentrum gGmbH)
  24. Dr.-Ing. Bernd Krautkremer
  25. Dipl. Geogr. Alexander Krautz (DBFZ Deutsches Biomasseforschungszentrum gGmbH)
  26. Prof. Dr.-Ing. Isabel Kuperjans (FH Aachen, Campus Jülich - NOWUM-Energy)
  27. Dr.-Ing. Volker Lenz (DBFZ Deutsches Biomasseforschungszentrum gGmbH)
  28. Dipl.-Phys. Christian Leuchtweis (C.A.R.M.E.N. e.V.)
  29. Dr.-Ing. Jan Liebetrau (DBFZ Deutsches Biomasseforschungszentrum gGmbH)
  30. Dipl.-Biol. Tobias Lienen (Helmholtz-Zentrum Potsdam - Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ, Zentrum für CO2-Speicherung, Mikrobielles Geoengineering)
  31. Dipl.-Ing. Stefan Majer (DBFZ Deutsches Biomasseforschungszentrum gGmbH)
  32. Dr. rer. nat. Dietrich Meier (TI - Johann Heinrich von Thünen-Institut Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei, Institut für Marktanalyse und Agrarhandelspolitik)
  33. Prof. Dr. Michael Mertig (Kurt-Schwabe-Institut)
  34. Dr.-Ing. Franziska Müller-Langer (DBFZ Deutsches Biomasseforschungszentrum gGmbH)
  35. Prof. Dr. mont. Michael Nelles (DBFZ Deutsches Biomasseforschungszentrum gGmbH, Universität Rostock, Lehrstuhl für Abfall- und Stoffstromwirtschaft)
  36. Prof. Dr. Peter Neubauer (Technische Universität Berlin, Fakultät III - Prozesswissenschaften, Institut für Biotechnologie, Fachgebiet Bioverfahrenstechnik)
  37. Dipl.-Ing. Yves Noel (RWTH Aachen, Lehr- und Forschungsgebiet Technologie der Energierohstoffe)
  38. Dr. sc. agr. Oechsner (Universität Hohenheim, Landesanstalt für Agrartechnik und Bioenergie)
  39. Dipl.-Ing. Maik Orth (1. Vorsitzender des IBZ Hohen Luckow e.V. IBZ Innovations- und Bildungszentrum Hohen Luckow e.V.)
  40. Dr.-Ing. Jürgen Pröter (DBFZ Deutsches Biomasseforschungszentrum gGmbH)
  41. Dipl.-Ing. Thomas Raussen (Witzenhausen-Institut für Abfall, Umwelt und Energie GmbH)
  42. Prof. Dr.-Ing. Ulrich Riebel (Brandenburgische Technische Universität - Fakultät Umweltwissenschaften und Verfahrenstechnik)
  43. Dr. Ulf Roland (Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), Department für Umwelttechnologie)
  44. M.A. Sandra Rostek (Deutsche Energie-Agentur GmbH (dena))
  45. Dr. Chantal Ruppert-Winkel (Zentrum für Erneuerbare Energie, Albert-Ludwig-Universität Freiburg)
  46. Dr. agr. Swantje Schlederer (Universität der Bundeswehr)
  47. Dr. Matthias Schlegel (Universität Rostock, Agrar- und Umweltwissenschaftliche Fakultät)
  48. Dipl.-Ing. Tim Schulzke (Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT)
  49. PD Dr. Thomas Senn (Universität Hohenheim, Institut für Lebensmittelwissenschaft und Biotechnologie)
  50. M.Phil. Matthias Sonnleitner (Institut für neue Energie-Systeme, Technische Hochschule Ingolstadt)
  51. Prof. Dr.-Ing. Herbert Sonntag (Technische Fachhochschule Wildau - University of Applied Science)
  52. Prof. Dr.-Ing. Daniela Thrän (DBFZ Deutsches Biomasseforschungszentrum gGmbH, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH)
  53. Dr. Christoph Trinkl (Institut für neue Energie-Systeme, Technische Hochschule Ingolstadt)
  54. Dipl.-Volksw. Marcus Trommler (DBFZ Deutsches Biomasseforschungszentrum gGmbH)
  55. Dr. Armin Vetter (Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft (TLL) - Thüringer Zentrum Nachwachsende Rohstoffe)
  56. Prof. Dr. Winfried Vonau (Kurt-Schwabe-Institut)
  57. Prof. Dr. Christof Wetter (Fachhochschule Münster - Abt. Steinfurt - Fachbereich Energie - Gebäude - Umwelt)
  58. Dr.-Ing. Janet Witt (DBFZ Deutsches Biomasseforschungszentrum gGmbH)
  59. Dr. Andreas Zehnsdorf (Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), Umwelt- und Biotechnologisches Zentrum (UBZ))
  60. Prof. Dr.-Ing. Tobias Zschunke Hochschule Zittau/Görlitz, FB Maschinenwesen (FH Zittau, FB Maschinenwesen)
  61. Prof. Dr.-Ing. Wilfried Zörner (Institut für neue Energie-Systeme, Technische Hochschule Ingolstadt)
  62. Dr. Jens Zosel (Kurt-Schwabe-Institut)


Weitere Informationen finden Sie unter
https://www.dbfz.de/web/presse/pressemitteilungen-2014/geplante-neuregelungen-im-eeg-lassen-nahezu-keinen-wirtschaftlichen-betrieb-von-neuen-bioenergieanlagen-zu.html
http://www.energetische-biomassenutzung.de

Die gesamte Pressemitteilung erhalten Sie unter: http://idw-online.de/de/news577836
Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter: http://idw-online.de/de/institution1389

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Deutsches Biomasseforschungszentrum, Paul Trainer, 17.03.2014
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. März 2014