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FORSCHUNG/1065: Bürgerforschung - Wie zuverlässig sind die Naturgucker-Beobachtungsdaten? (Naturschutz heute)


NATURSCHUTZ heute - Heft 2/14
Mitgliedermagazin des Naturschutzbundes (NABU) e.V.

NATURGUCKER

Wie zuverlässig sind Beobachtungsdaten?



Tausende Beobachter, Millionen Datensätze - die Beobachtungssammlung des NABU-Naturguckers ist jetzt schon ein bedeutendes Projekt der Bürgerforschung (Citizen Science). Aber Skeptiker fragen sich, was die Daten, die von Laien eingegeben werden, eigentlich wert sind. Fragen an Olaf Strub, Geschäftsführer des NABU Rheinland-Pfalz und Stefan Munzinger, Initiator von naturgucker.de.


Der Naturgucker ist ein soziales Netzwerk für Naturbeobachter und Naturfreunde, das seit Februar 2008 online ist. Wie hat es sich seither entwickelt?

Munzinger: Heute machen bereits über 16.000 Beobachter mit, die rund 4,8 Millionen Beobachtungen und mehr als 350.000 Naturbilder veröffentlicht haben.

Strub: Schon kurz nach dem Start ist auch der NABU eingestiegen. Für uns war besonders wichtig, dass sich hier erfahrene und weniger erfahrene Naturbeobachter zusammen finden. Aber auch der riesige Datenfundus, der wichtige Hinweise bei Stellungnahmen zu Planungen liefern kann, hat uns überzeugt.

Stellen nicht gerade die weniger erfahrenen Beobachter ein Problem für die Zuverlässigkeit der Daten dar?

Munzinger: Bei uns sind die Beobachter selbst für ihre Daten verantwortlich. Wir bieten ihnen mehrfache Unterstützung an: Bereits bei der Eingabe gibt es einen Fachhinweis, wenn eine Beobachtung unwahrscheinlich erscheint. So kann der Beobachter selbst entscheiden, ob er etwas meldet oder eben nicht. Eine zweite Ebene stellt die Gemeinschaft aller Beobachter dar. Da alle Beobachtungen und Bilder direkt kommentiert werden können, erhält ein Beobachter in Zweifelsfällen schnell eine Rückmeldung von anderen.

Strub: Viele unsichere Beobachter fragen auch erfahrene Beobachter um Rat. Und gerade weil sich Anfänger in den allermeisten Fällen ihrer erst entstehenden Kenntnisse bewusst sind, liefern sie überwiegend sehr gute Daten. Die zunächst skeptischen NABU-Artkenner waren überrascht, auf welchem hohen Niveau in den Kommentaren Bestimmungsmerkmale diskutiert werden.

Die Naturgucker-Daten sind also fehlerfrei?

Strub: Der NABU in Rheinland-Pfalz stellt über den sogenannten Artenfinder Naturgucker-Daten dem Land Rheinland-Pfalz für naturschutzfachliche Planungen zur Verfügung. Dabei waren von 40.000 Beobachtungen nur knapp zwei Prozent so, dass wir diese nicht ohne Nachfrage weiter geben konnten.

Munzinger: Das ist ein guter Wert, den beispielsweise auch das unter anderem von der Cornell University betriebene große US-Beobachtungsnetzwerk "eBird" für seine Daten angibt.

Damit setzt NABU-Naturgucker.de auf ein Wikipedia-ähnliches System der gegenseitigen Kontrolle im Netz.

Munzinger: In der Hauptsache ja. Ein solches Modell ist leistungsfähiger als jeder personengebundene Ansatz. Tausende Köpfe wissen halt mehr als einige wenige.

Strub: Trotzdem gibt es zusätzlich einen Fachbeirat, in dem sich auch viele NABU-Aktive engagieren. Dieses Gremium steht für knifflige Nachfragen zur Verfügung, wird aber auch von sich aus tätig.

Munzinger: Und wie die erreichte Datenqualität zeigt, ist das Drei-Ebenen-Modell des NABU-Naturguckers mit seiner Offenheit und durchgängigen Transparenz ein erfolgreiches Konzept.


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Wie wertvoll die durch Naturbeobachter gesammelten Daten sind, zeigt die Dokumentation zu der neuen Zugroute der östlichen Kraniche bei NABU-Naturgucker.de auf Basis von rund 30.000 Beobachtungsdaten. Schon immer zogen einige Kraniche auf der blauen Route am nördlichen Alpenrand durch die Schweiz, seit drei Jahren wurden aus den Wenigen nun aber Tausende. Interessant wird es sein, wie die Entwicklung sich in den nächsten Jahren fortsetzt.

Olaf Strub (rechts), Geschäftsführer des NABU Rheinland-Pfalz und Stefan Munzinger (links), Initiator von naturgucker.de.

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Quelle:
Naturschutz heute - Heft 2/14, Seite 47 - 48
Verlag: Naturschutz heute, 10108 Berlin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Juli 2014