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FORSCHUNG/1082: Ballon über Ontario - Forscher messen ozonschädliches Brom (idw)


Karlsruher Institut für Technologie - 08.09.2014

Ballon über Ontario: Forscher messen ozonschädliches Brom



Wie viel Brom befindet sich in der Stratosphäre, und wie schädlich sind Bromverbindungen für die Ozonschicht? Diese Fragen zu beantworten, ist Ziel einer am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) koordinierten Messkampagne: In Timmins (Ontario/Kanada) startete gestern (Sonntag, 7.9.) ein Ballon, dessen Gondel eine einzigartige Kombination von Fernerkundungsinstrumenten beherbergt. Diese ergänzen sich optimal bei der Messung stratosphärischer Substanzen. An der Kampagne sind auch das Deutsche Zentrum für Luft und Raumfahrt (DLR) und die Universität Heidelberg beteiligt.

Ballon auf dunklem Startfeld, von drei Lampen beschienen - Foto: © Hermann Oelhaf, KIT

Der Ballon am Start. In der Gondel sind drei komplexe
Fernerkundungsinstrumente, die einen breiten Teil des
elektromagnetischen Spektrums abdecken
Foto: © Hermann Oelhaf, KIT

Substanzen, die Brom enthalten, können die Ozonschicht abbauen. Ihre Emission ist etwa zur Hälfte natürlichen Ursprungs und zur Hälfte vom Menschen verursacht, beispielsweise über Brandschutzmaterialien, Feuerlöscher, Pestizide und Fungizide. Obwohl die Konzentration von Brom in der Stratosphäre - der zweiten Schicht der Erdatmosphäre - mehr als hundertmal geringer ist als die Konzentration von ebenfalls ozonschädlichem Chlor, ist die Wirkung auf die Ozonschicht vergleichbar. Denn Brom wird unter dem Einfluss von Licht viel leichter aus seinem Reservoir Bromnitrat in eine aktive Form umgewandelt als Chlor aus seinem Reservoir Chlornitrat.

Dank des Montrealer Protokolls über die Reduzierung der Produktion Ozon-schädlicher Stoffe, das 1989 in Kraft trat, nimmt die Gesamtmenge von Chlor in der Stratosphäre seit den 1990er-Jahren ab. Die Gesamtmenge von Brom hingegen hat erst vor einigen Jahren ihr Maximum erreicht und beginnt nun langsam zu sinken. Dadurch hat die relative Ozongefährlichkeit von Brom gegenüber Chlor noch zugenommen. Die Menge von Brom in der Stratosphäre sowie wichtige Details seiner Photochemie sind bis jetzt weniger gut als bei Chlor erforscht. So gibt es bisher keine simultane Messung der wichtigsten Bromsubstanzen Bromoxyd (BrO) und Bromnitrat (BrONO2). Dies erschwert die Bestimmung der Gesamtmenge von Brom in der Stratosphäre sowie die Einschätzung der Gefährlichkeit von Brom.

Meßgeräteaufbau in einem Stahlgerüst - Foto: © Hermann Oelhaf, KIT

MIPAS-Gondel mit Fernerkundungsmessinstrumenten
Foto: © Hermann Oelhaf, KIT

Der nun in Timmins (Ontario/Kanada) gestartete Ballon ist rund 400 000 Kubikmeter groß, trägt eine Nutzlast von rund 760 Kilogramm und steigt bis nahezu 40 Kilometer Höhe auf. Die Gondel beherbergt drei komplexe Fernerkundungsinstrumente, die einen breiten Teil des elektromagnetischen Spektrums abdecken und sich bei der Messung stratosphärischer Substanzen ideal ergänzen: das Infrarot-Spektrometer MIPAS-B des KIT-Instituts für Meteorologie und Klimaforschung - Atmosphärische Spurengase und Fernerkundung (IMK-ASF), das Fernes-Infrarot-/Sub-mm-Spektrometer TELIS des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) und das UV-/vis-Spektrometer mini-DOAS der Universität Heidelberg. "Neben Temperatur und Wolkenparametern kann diese weltweit einzigartige Kombination von Instrumenten rund 40 ozon- und klimarelevante Spurengase simultan messen", erklärt der Leiter der Kampagne, Hermann Oelhaf vom IMK-ASF des KIT. Fernerkundung bedeutet, dass die Gase vor Ort nicht direkt gemessen werden, sondern elektromagnetische Strahlung detektiert wird. Aus dieser werden dann die atmosphärischen Parameter extrahiert, da diese mit der solaren und/oder terrestrischen Strahlung wechselwirken

Die am IMK-ASF des KIT entwickelte Lagestabilisierung der Gondel sorgt dafür, dass alle drei Instrumente dieselben Luftmassen erfassen. Die Fernerkundungsmethode ermöglicht außerdem die zwei- und dreidimensionale tageszeitabhängige kontinuierliche Erfassung der Spurengase. So lassen sich die photochemischen Reaktionen der beteiligten Spezies untersuchen - eine wichtige Voraussetzung zur Verbesserung von Atmosphären- und Klimamodellen. Die Kampagne ist in eine internationale Ballonkampagne unter dem Dach einer Kooperation zwischen den französischen und kanadischen Raumfahrtbehörden CNES und CSA eingebunden.

Primäres Ziel der weltweit einzigartigen Messungen ist die genaue höhenabhängige Erfassung der Bilanz des reaktiven Broms in der Stratosphäre samt der wichtigsten Verbindungen der Bromfamilie, besonders BrO und BrONO2. Darüber hinaus untersuchen die Forscher, wie realistisch die verfügbaren numerischen Modelle die Bromchemie simulieren und wie zuverlässig die im Labor gemessenen Reaktionskonstanten bei allen für Brom wichtigen Reaktionen sind.

Da die MIPAS-B/TELIS/mini-DOAS-Kombination praktisch alle ozon- und klimarelevanten Gase erfassen kann, dient das Projekt auch dazu, Bilanzen, Verteilung und photochemische Kopplung für alle chemischen Familien zu untersuchen sowie die Vertikalprofile wichtiger klimawirksamer Gase zu erfassen. Überdies werden die Messungen zur Validierung der noch aktiven Satellitengeräte MLS/AURA (USA) und ACE-FTS (Canada) verwendet.

Die Lebensbedingungen auf der Erde verändern sich im 21. Jahrhundert so einschneidend wie nie zuvor. Die Klima- und Umweltforschung steht damit vor großen Herausforderungen. Mit mehr als 650 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus über 30 Instituten entwickelt das KIT-Zentrum Klima und Umwelt Strategien und Technologien zur Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen.

Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts nach den Gesetzen des Landes Baden-Württemberg. Es nimmt sowohl die Mission einer Universität als auch die Mission eines nationalen Forschungszentrums in der Helmholtz-Gemeinschaft wahr. Thematische Schwerpunkte der Forschung sind Energie, natürliche und gebaute Umwelt sowie Gesellschaft und Technik, von fundamentalen Fragen bis zur Anwendung. Mit rund 9 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, darunter mehr als 6.000 in Wissenschaft und Lehre, sowie 24.500 Studierenden ist das KIT eine der größten Forschungs- und Lehreinrichtungen Europas. Das KIT verfolgt seine Aufgaben im Wissensdreieck Forschung - Lehre - Innovation.

www.kit.edu

Die gesamte Pressemitteilung inkl. Bilder unter:
http://idw-online.de/de/news602299
Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution1173

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Karlsruher Institut für Technologie, Monika Landgraf, 08.09.2014
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. September 2014