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FORSCHUNG/1168: Einzigartige Kooperation! Knöllchenbakterium ist Mikrobe des Jahres 2015 (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 185 - April/Mai 2015
Die Berliner Umweltzeitung

Einzigartige Kooperation!
Knöllchenbakterium ist Mikrobe des Jahres 2015

Von Jörg Parsiegla


Am 9. Februar wurde dem Knöllchenbakterium der Titel "Mikrobe des Jahres 2015" zuerkannt. Die Vereinigung für Allgemeine und Angewandte Mikrobiologie (VAAM) verschafft damit einer faszinierenden Gruppe von Mikroorganismen Aufmerksamkeit: Rhizobien, wie ihr wissenschaftlicher Name lautet, erleichtern zum Beispiel den Anbau von Leguminosen (Hülsenfrüchtlern) wie Bohnen, Erbsen, Linsen und Futtermitteln wie Klee, indem sie mit diesen Pflanzen eine Symbiose eingehen.

Dieser zunächst mit einer Wurzelanschwellung einhergehende Prozess wurde erstmals (am Beispiel der Lupine) 1866 durch den russischen Botaniker Michail Stepanowitsch Woronin beschrieben - als "Bakterienbefall". Woronin prägte auch den Begriff des Knöllchenbakteriums. Den symbiotischen Charakter der Beziehung zwischen Leguminosen und Bakterien entdeckten 20 Jahre später Hermann Hellriegel und Hermann Wilfarth.

Rhizobien verfügen über die Fähigkeit, elementaren Luftstickstoff in pflanzenverfügbare Stickstoffverbindungen umzuwandeln. Hierfür reduzieren sie den molekularen Stickstoff (N2) der Luft beziehungsweise des Bodens zu Ammoniak (NH3) beziehungsweise Ammonium (NH4+) und machen ihn damit biologisch für die Pflanzen verfügbar. Dies ist ihnen jedoch nur in der Symbiose mit Pflanzen möglich. Unter natürlichen Bedingungen können weder Leguminosen noch Rhizobien allein molekularen Stickstoff fixieren. Übrigens, Ammonium wird von den Pflanzen und überhaupt allen Lebewesen benötigt, um Proteine undandere Bausteine für ihr Erbgut herzustellen.

Komplizierter Mechanismus

Die Symbiose zwischen Pflanzen aus der Familie der Hülsenfrüchtler (Fabaceae) und stickstofffixierenden Knöllchenbakterien wird als eine der wichtigsten "Kooperationen" der Biosphäre unseres Planeten angesehen. Sie prägt nicht zuletzt den globalen Kreislauf von Stickstoff und Kohlenstoff auf der Erde. Ein internationales Forscherteam unter Beteiligung des Max-Planck-Instituts für Biogeochemie in Jena hat 2014 herausgefunden, dass der Grundstein hierfür wahrscheinlich nur ein einziges Mal - durch Mutation - vor rund 100 Millionen Jahren gelegt wurde. Anfangs entwickelte wahrscheinlich nur eine Pflanze durch eine oder mehrere Mutationen eine Veranlagung (Prädisposition) für diese Symbiose, die dann auf verschiedenen Wegen verändert und verfeinert wurde. "Die Prädisposition scheint dabeiweder einen deutlichen Nutzen noch einen Schaden für die Pflanze zu haben, denn sie wurde in einigen Arten erhalten und ging in anderen schnell wieder verloren", beschreibt Jens Kattge vom oben genannten Max-Planck-Institut ein Ergebnis der Untersuchungen. Der Grund für diese Einmaligkeit könnte in den äußerst komplexen Mechanismen dieser Symbiose liegen.

Rhizobien (altgriechisch: rhiza = Wurzel und bios = Leben, also "in den Wurzeln lebend") sind häufige und verbreitete Bodenbakterien. Der Prozess der Symbiose beginnt mit von der Pflanzenwurzel ausgehenden Signalen, welche die Rhizobien chemotaktisch anlocken. Voraussetzung für ein erfolgreiches Eindringen in die Pflanze (Infektion) ist stets eine kompatible und hoch spezifische Erkennung zwischen Bakterien und Pflanzenzellen auf molekularer Ebene (normalerweise wissen Pflanzen sich vor einer Infektion mit Bakterien zu schützen). Die Infektion beginnt immer an den so genannten Wurzelhaaren, setzt sich über den zentralen Wurzelkanal fort, und in wenigen Wochen entstehen die charakteristischen Wurzelknöllchen. In diesem "Wachstumsprozess" erfahren die ursprünglich schlanken, stäbchenförmigen Rhizobien umfassende physiologische Veränderungen hin zu verdickten, unförmigen und verzweigten Zellen, so genannten Bacteroiden. Diese werden von den infizierten Pflanzenzellen in Membranen eingehüllt und bilden Zellorganellen, die als Symbiosomen bezeichnet werden. Es gibt Hinweise darauf, dass jedes Wurzelknöllchen aus der Infektion durch ein einziges Bakterium hervorgeht. Die Bacteroide eines Knöllchens wären in diesem Falle Klone!

Für die erfolgreiche Stickstoff-Fixierung muss die Sauerstoffkonzentration in den Wurzelknöllchen genau ausbalanciert sein. Denn zum einen funktioniert die Maschinerie der Bakterien nur in einer sauerstoffarmen Umgebung (das wichtigste Enzym für die Stickstoff-Fixierung, die molybdänhaltige Nitrogenase, ist in hohem Maße sauerstoffempfindlich), zum anderen können die Bacteroide nicht völlig ohne Sauerstoff leben. Den Part der Ausbalancierung des Sauerstoffgehalts übernimmt nun ein bestimmter Typ von Pflanzenzellen, die ein eisenhaltiges Protein in den Knöllchen bilden. Dieses Leghämoglobin bindet überschüssigen Sauerstoff, hält dessen Niveau konstant und erfüllt somit eine Sauerstoffpuffer-Funktion. Das Leghämoglobin ähnelt in seinem Aufbau stark dem gleichfalls sauerstoffbindenden Bluthämoglobin und färbt daher das Gewebe aktiver Wurzelknöllchen blassrosa bis blutrot.

Kurz gesagt entstand hier also ein komplexes Kommunikationssystem, mit dem sich Pflanzen und Bakterien so verständigen, dass ein Zusammenleben zum beiderseitigen Nutzen gelingt: Die Bakterien können sich geschützt vermehren und mit Nährstoffen über die Pflanze versorgen lassen, die Pflanze wiederum profitiert von zusätzlich verfügbarem Stickstoff und kann so auch karge Böden besiedeln. Letztendlich eine Win-Win-Situation!

Unschätzbarer Nutzen

Die beschriebene Symbiose ist von hoher ökologischer und wirtschaftlicher Bedeutung, sichert sie doch einerseits die pflanzliche Vielfalt, andererseits aber auch unsere Ernährung mit gesundem Gemüse sowie die Futtermittelproduktion. Rhizobien liefern bestimmten Pflanzen das für ihr Wachstum notwendige Ammonium auf natürlichem Weg und ersetzen damit künstlichen Dünger. Der Anbau von Hülsenfrüchtlern (als Gründung) - wie Rotklee, Lupine und Ackerbohne - ist zum Beispiel die Grundlage für eine hohe Bodenqualität. Und seit die Menschen Ackerbau betreiben, haben sie gelernt, durch Fruchtfolgen die Ertragsfähigkeit von Böden zu erhalten. Nach Schätzungen binden Bakterien jährlich 170 Millionen Tonnen Stickstoff im Boden und in Pflanzen, davon etwa ein Viertel auf Agrarflächen. Anders als künstlicher Dünger belastet dies nicht die Gewässer mit entstehendem Nitrat (NO3)-Verbindungen. Forscher suchen daher intensiv nach einem Weg, die Zusammenarbeit zwischen Rhizobien und Hülsenfrüchtlern auf Getreidesorten zu übertragen. Dazu müssen diese für die Welternährung so wichtigen Pflanzen jedoch die "Sprache" lernen, um mit stickstoffversorgenden Bakterien kommunizieren und Wurzelknöllchen bilden zu können.

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Wer mit wem

Mit Rhizobium (und Verwandten) wachsen vor allem Schmetterlingsblütler (Fabokleae), insbesondere Hülsenfrüchtler (Leguminosen/Fabaceae). Unter den Nutzpflanzen sind dies: Soja. Erbse, Linse, Kichererbse, Bohne, Ackerbohne, Klee, Erdnuss und Luzerne. Unter den Wild-, Heil- und Zierpflanzen -: Winke, Wundklee, Hornklee, Platterbse, Goldregen, Ginster, Robinie, Lupine. Außerdem gehen manche Johannisbrot- und Mimosengewächse Symbiosen mit dem Bakterium ein.

Wichtige Rhizobien-Arten außer Rhizobium leguminosarum sind R. tropici, R. loti, R. trifolii, R. meliloti, R. fredii, Bradyrhizobium japonicum (mit Soja) B. elkanii, Azorhizobium caulinodans (tropisch, bildet Stängelknöllchen).



Weitere Informationen: www.mikrobe-des-jahres.de

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Quelle:
DER RABE RALF
26. Jahrgang, Nr. 185, Seite 12
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 8, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
Redaktion DER RABE RALF:
Tel.: 030/44 33 91-47/-0, Fax: 030/44 33 91-33
E-mail: raberalf@grueneliga.de
Internet: www.raberalf.grueneliga-berlin.de
 
Erscheinen: zu Beginn gerader Monate
Abonnement: jährlich, 20 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Mai 2015

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