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FORSCHUNG/1188: Meßnetz für Bodenfeuchte - Der mit den Teilchen aus dem All jongliert (UFZ-Newsletter)


Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
UFZ-Newsletter Juli 2015

UFZ-Nachwuchswissenschaftler
Der mit Teilchen aus dem All jongliert

Von Tilo Arnhold


Was hat der heimische Acker mit dem Weltall zu tun? Wenn Martin Schrön in den Blaumann eines Kleingärtners schlüpft, die Slam-Bühne betritt und mit Gießkanne, Kartoffeln und Tischtennisbällen in der Hand die Zusammenhänge erklärt, dann ist zu spüren, wie sehr er für seine Forschung brennt und andere damit ansteckt. Der UFZ-Doktorand siegte 2013 beim FameLab Sachsen und gewann 2015 die Science-Slams in Braunschweig und Dresden. "Ein komplexes Fachgebiet unterhaltsam zu präsentieren, war anfangs auch für mich Neuland", gibt der 29-jährige Physiker zu, der trotz seiner Showqualitäten im Alltag eher bescheiden und bodenständig wirkt. "Aber die Resonanz ist überwältigend, alle Menschen sind so dankbar, an aktueller Forschung teilhaben zu dürfen."

Und sein Thema hat es in sich: Wer kann sich schon vorstellen, Teilchen zu zählen, die durch die kosmische Strahlung aus der Explosion von Sternen entstanden sind und hier auf der Erde dann durch nahezu alles hindurch fliegen? Zumindest fast, denn Wasserstoff hat die Fähigkeit, diese Neutronen abzubremsen. Treffen Neutronen beispielsweise auf trockenen Boden, prallen die meisten von ihnen wie Tischtennisbälle davon ab und landen kurz darüber in Martin Schröns Neutronenfalle. Je feuchter der Boden, desto weniger schaffen das. Der Teilchendetektor - die Neutronenfalle - besteht aus zwei Helium-Röhren, die beim Kontakt mit Neutronen einen sternschnuppenartigen Stromfluss erzeugen, und der aktiviert einen Zähler. "Nach dem Diplom in theoretischer Astrophysik suchte ich nach praktischen Anwendungen für aktuelle Probleme in der Gesellschaft. Da kam die Doktorandenstelle am UFZ wie gerufen." Hier baut er seit 2013 ein Messnetz mit Cosmic-Ray-Sensoren auf, um Bodenfeuchte zu messen.

Herkömmliche Sensoren können die Bodenfeuchte nur an einem Punkt messen. Da diese jedoch schon innerhalb weniger Meter stark variieren kann, ist es schwer, diesen wichtigen Wasserspeicher großflächig zu quantifizieren. Doch Informationen darüber sind wichtig für Landwirte, Klimaforscher und Hochwasserschützer. Für solche Anwendungen sind moderne Satelliten-Messungen oft zu großflächig. Außerdem erfassen diese nur das Wasser in den obersten Zentimetern. Die Lücke könnten nun jene Geräte füllen, die Martin Schrön testet. Da sich Neutronen schnell in der Luft durchmischen, geben sie Auskunft über die durchschnittliche Feuchte in einer Umgebung von 10 Hektar. Wie groß und wie tief genau, wird er in Kürze zusammen mit Kollegen vom UFZ sowie aus Heidelberg und Arizona veröffentlichen.

Erfunden wurde diese Hilfe aus dem All 2008 in den USA. Inzwischen sind aber weltweit mehr als 100 Sensoren im Einsatz, darunter auch mehrere in den TERENO-Observatorien der Helmholtz-Gemeinschaft. Schrön betreut das einzige mobile Gerät in Europa und will damit seinen Messbereich vergrößern. "Unser Cosmic-Ray-Rover ist ein ganz normaler Geländewagen", sagt Schrön. "Da die Neutronen auch durch die Karosserie fliegen, können wir das Gerät einfach in den Kofferraum legen. Lediglich der Sensor darin ist etwas größer als bei stationären Geräten. Das erhöht die Trefferquote beim Neutronen-Einfang während der Fahrt."

Vom Boden zieht es ihn daneben auch in luftige Höhen. Am 50 Meter hohen Messturm des TERENO-Standortes "Hohes Holz" bei Oschersleben sind ebenfalls zwei Sensoren im Einsatz - einer über und einer unter den Baumkronen. "Bäume hindern Regenwasser daran, den Boden zu erreichen, und beeinflussen damit maßgeblich den Abfluss nach Starkregen oder die Grundwasserneubildung. Die Wassermenge in den Baumkronen ist schwer zu messen, aber mit Neutronen gelingt es vielleicht", erklärt Martin Schrön. An Ideen und Anwendungsmöglichkeiten herrscht also kein Mangel. Und das weiß auch die wissenschaftliche Gemeinde: Mitte 2014 traf sie sich zu einem internationalen Cosmic-Ray-Workshop am UFZ, bei dem sich führende Wissenschaftler aus aller Welt über aktuelle und zukünftige Projekte austauschten. Schließlich könnten diese neuen Instrumente viele Lücken im großen Bereich zwischen aufwendigen Punktmessungen und sehr großräumigen Satellitenbeobachtungen schließen.

Ganz gleich wie es nach der Promotion weiter gehen wird, in einem Punkt wird Schrön sich aber wohl immer treu bleiben: "Die Gesellschaft muss verstehen, wozu Wissenschaft gut ist, und meine beiden Kinder wollen verstehen, warum Papa den ganzen Tag weg ist. Wir müssen einfach drüber reden!"



Nachwuchswissenschaftler:
Martin Schrön
Depts. Monitoring- und Erkundungstechnologien
sowie Hydrosystemmodellierung
e-mail: martin.schroen@ufz.de

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Quelle:
UFZ-Newsletter Juli 2015, Seite 9
Herausgeber:
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Permoserstraße 15, 04318 Leipzig
Tel.: 0341/235-1269, Fax: 0341/235-450819
E-mail: info@ufz.de
Internet: www.ufz.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. August 2015

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