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FORSCHUNG/1238: Bahnbrechende Entdeckung des ersten kunststoffabbauenden Bakteriums (idw)


Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald - 10.03.2016

Bahnbrechende Entdeckung des ersten kunststoffabbauenden Bakteriums


Ein Forschungsteam aus Japan beschreibt in der jüngsten Ausgabe der Zeitschrift "Science" (11. März 2016) den ersten bekannten Mikroorganismus, der in der Lage ist, den Kunststoff PET abzubauen und komplett stofflich zu verwerten (DOI: 10.1126/science.aad6359). Die Bedeutung dieser Entdeckung wurde von Prof. Dr. Uwe Bornscheuer (Universität Greifswald) in einem "Perspectives"-Beitrag, der gleichzeitig in Science erschien (DOI: 10.1126/science.aaf2853), als bahnbrechend gewürdigt und eingeordnet.

Jährlich werden über 300 Millionen Tonnen Kunststoff weltweit produziert, darunter etwa 50 Millionen Tonnen Polyethylenterephthalat, besser bekannt unter der Abkürzung PET. Hergestellt wird PET aus Erdöl. Diese Kunststoffart wird vor allem für Getränkeflaschen verwendet. Nur ein geringer Anteil davon wird später tatsächlich recycelt. Besonders problematisch ist die sehr lange Haltbarkeit von Kunststoffmaterialien, die bislang bis auf wenige Spezialkunststoffe nicht biologisch abbaubar sind. Das führt auf Mülldeponien, aber vor allem in den Weltmeeren, zu einer erheblichen Umweltbelastung. Es bildet sich (durch mechanische Zerstörung) über die Jahre Mikroplastik, was wiederum sehr negative Auswirkungen auf verschiedenste Lebewesen hat.

Das japanische Forscherteam aus Kyoto, Yokohama und Yamaguchi hat nun in Proben aus einer Recyclingstation für PET-Flaschen ein bislang einzigartiges Bakterium (Ideonella sakaiensis) in einem Konsortium mehrerer Mikroorganismen identifiziert, das in der Lage ist, PET-Kunststoff zu "knacken". In umfangreichen Experimenten konnten sie zeigen, dass Ideonella sakaiensis sich an PET-Oberflächen anheften kann und zunächst ein hochspezifisches Enzym (PETase) ausschleust, das die chemischen Bindungen im Kunststoff aufbricht. Die Abbauprodukte werden dann vom Mikroorganismus aufgenommen und von einem zweiten selektiven Enzym (MHETase) in der Zelle in die Monomere Ethylenglykol und Terephthalsäure gespalten. Diese Grundbaustoffe von PET können nun von Ideonella sakaiensis komplett verstoffwechselt werden und dienen folglich als alleinige Wachstumsquelle des Mikroorganismus.

"Die Entdeckung dieses besonderen Bakteriums ist aus mehreren Gründen bahnbrechend", sagt Uwe Bornscheuer. "Bislang waren nur ganz wenige Enzyme bekannt, die überhaupt und auch nur eine sehr geringe Aktivität im Abbau von PET zeigen. Besonders wichtig für ein Aufbrechen des Polymers ist vor allem die Zugänglichkeit der 'glatten' Kunststoffoberfläche. Hier scheint der Ideonella sakaiensis-Stamm besondere Mechanismen entwickelt zu haben, die das japanische Forscherteam aber noch nicht im Detail aufklären konnte." Prinzipiell könnte nun dieser Mikroorganismus genutzt werden, um den Kunststoff PET umweltfreundlich zu verwerten. Gleichzeitig wäre es aber nun bei Kenntnis der beteiligten Enzyme grundsätzlich möglich, Verfahren zu entwickeln, um das Monomer Terephthalsäure zu isolieren und für die Synthese von PET wieder einzusetzen. "Dies würde ohne Zweifel eine erhebliche Umweltentlastung darstellen, da auf den Einsatz von Erdöl zur Herstellung dieses Kunststoffes verzichtet werden könnte", schließt Professor Bornscheuer seine Einschätzungen ab.

Für die Grundlagenforschung wäre es sehr interessant herauszufinden, wie die beiden hochspezifischen Enzyme PETase und MHETase durch natürliche Evolution entstanden sind, da der Kunststoff PET erst seit ca. 70 Jahren in der Umwelt vorkommt. Folglich stand nur ein recht kurzer Zeitrahmen zur Anpassung des Bakteriums an dieses neue 'Substrat' zur Verfügung und offensichtlich ist diese Entdeckung der japanischen Arbeitsgruppe ein Beispiel für eine sehr rasante Evolution eines Mikroorganismus.


Weitere Informationen finden Sie unter
Prof. Dr. Uwe Bornscheuer
http://www.mnf.uni-greifswald.de/institute/institut-fuer-biochemie/biotechnologie-enzymkatalyse.html

Die gesamte Pressemitteilung erhalten Sie unter:
http://idw-online.de/de/news647581

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution65

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald,
Jan Meßerschmidt, 10.03.2016
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. März 2016

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