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FORSCHUNG/1239: Forscher entdecken Feenkreise in Australien (UFZ)


Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
Pressemitteilung, 15. März 2016

Forscher entdecken Feenkreise in Australien

Geheimnisvolle Vegetationslücken bislang nur im südlichen Afrika bekannt


Die kreisrunden, kahlen Stellen, die in einem sehr regelmäßigen Muster das trockene Grasland Namibias überziehen, galten bisher als weltweit einmalig. Sind sie aber nicht, zeigt eine neue Studie im Fachjournal PNAS: Gemeinsam mit israelischen und australischen Kollegen haben Wissenschaftler vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig die rätselhaften Strukturen nun auch im menschenleeren Outback Australiens entdeckt. Die dortigen Untersuchungen liefern auch neue Indizien dafür, dass solche Feenkreise bei Wassermangel durch eine Selbstorganisation der Pflanzen entstehen.


Foto: © Kevin Sanders

Aus der Vogelperspektive wird ersichtlich, dass sich die Feenkreise homogen über die Landschaft verteilen.
Foto: © Kevin Sanders

Aufmerksam geworden sind die Forscher auf das Naturphänomen in Australien durch das Foto einer australischen Kollegin in Newman. Diese hatte ihnen ein Luftbild aus der Umgebung der Stadt geschickt. Darauf waren Pflanzenformationen zu sehen, die den Feenkreisen, die sonst nur im südlichen Afrika zu finden sind, sehr ähnlich schienen.

In der Fachwelt gibt es verschiedene Theorien darüber, wie diese kahlen, von Gras gesäumten Kreise entstehen: Einige Forscher haben dabei vor allem Termiten oder Ameisen in Verdacht. Diese Insekten sollen der Theorie zufolge an den Wurzeln der Gräser knabbern und sie dadurch zum Absterben bringen. Andere Wissenschaftler vermuten dagegen, dass unter den Kreisen Kohlenmonoxid als giftiges Gas aus dem Erdinneren aufsteigt und die Vegetation abtötet. Und eine dritte Fraktion geht davon aus, dass die kahlen Stellen unter bestimmten Bedingungen ganz von selbst entstehen. Am Übergang zwischen Wüste und Grasland reicht das Wasserangebot demnach nicht für eine geschlossene Vegetationsdecke aus. Also konkurrieren die einzelnen Gewächse um die kostbare Flüssigkeit und bilden dabei durch Selbstorganisation den charakteristischen, löchrigen Grasteppich.


Foto: © Dr. Stephan Getzin

Ein großer Feenkreis mit einer harten Bodenschicht, die das Wachstum von Pflanzen verhindert. Australische Feenkreise haben im Schnitt Durchmesser von vier Metern, aber einige können auch größer als sieben Meter werden.
Foto: © Dr. Stephan Getzin

Feenkreis-Experte Dr. Stephan Getzin vom UFZ favorisiert seit Jahren die dritte Theorie. Vor allem Luftbilder von den entsprechenden Landschaften haben ihn davon überzeugt. Darauf hat er in früheren Studien die genaue Lage der kahlen Stellen analysiert. "Das Besondere an Feenkreisen ist, dass sie sich auch über größere Gebiete erstaunlich regelmäßig und homogen verteilen, aber nur innerhalb eines engen Niederschlagsbereichs", erläutert der Forscher. Ein solches Muster, das an die sechseckige Struktur von Bienenwaben erinnert, kann seiner Ansicht nach am ehesten durch die Konkurrenz um Wasser entstehen. Diese Einschätzung haben er und seine Co-Autoren Hezi Yizhaq und Ehud Meron von der Ben-Gurion-Universität des Negev in Israel auch mit Computer-Simulationen bestätigt. "Lange hatten Ökologen die Selbstorganisation von Pflanzen in Trockengebieten nicht so recht wahrgenommen, da die theoretischen Grundlagen für diese Prozesse ursprünglich in der Physik zu finden sind", sagt Stephan Getzin und verweist auf die langwierigen Vorarbeiten seiner beiden israelischen Kollegen. "Inzwischen aber wird immer klarer, wie wichtig dieser Prozess ist."

Trotzdem sind etliche Kollegen skeptisch geblieben. Wenn ein solcher Mechanismus dahinterstecke, müsse es ähnliche Strukturen auch in anderen Trockengebieten der Erde geben, laute ein gängiger Einwand. Schließlich sei das Grasland Namibias keineswegs die einzige Region, in der Pflanzen um Wasser konkurrieren. Und tatsächlich ist bekannt, dass Trockenheit auch anderenorts interessante Vegetationsmuster schafft. Nirgends aber schienen sich kahle Flecken in einer so regelmäßigen Sechseck-Struktur anzuordnen wie in Namibia.

Umso elektrisierter war Stephan Getzin von dem Luftbild, das er 2014 aus Australien geschickt bekam. Um das Phänomen genauer zu untersuchen, reiste Getzin gemeinsam mit seinem israelischen Kollegen Hezi Yizhaq nach Australien. In vier Gebieten der kaum besiedelten Region haben die Wissenschaftler die kahlen Kreise vermessen, ihre Oberflächen-Temperaturen mit denen von bewachsenen Bereichen verglichen und die Spuren von Ameisen und Termiten kartiert. Sie haben beobachtet, wie an diesen Stellen das Wasser versickert und Bodenproben genommen, um sie später im Labor zu analysieren. Das alles haben sie mit Luftbild-Auswertungen, statistischen Analysen der Landschaftsmuster und Computersimulationen ergänzt. Seitdem sind sie sicher, dass es sich tatsächlich um echte Feenkreise handelt, die das gleiche Muster bilden wie ihre 10.000 Kilometer entfernten Pendants in Namibia.

Auch für ihre Theorie zur Entstehung der kahlen Flecken haben die Forscher neue Bestätigung gefunden. Wo in Namibia in oder an den Feenkreisen meist zwei bis drei Termiten- oder Ameisenarten herumkrabbeln und Raum für Spekulation eröffnen, ist die Situation in Australien eindeutiger. "Dort haben wir in den Kreisen überwiegend keine Nester von ihnen gefunden und verborgene Sandtermiten wie in Namibia gibt es nicht in Australien", berichtet Stephan Getzin. "Und die vorhandenen Nester haben ein komplett anderes Verteilungsmuster als die Feenkreise." Für ihn sei das ein deutlicher Hinweis darauf, dass die kahlen Flecken nicht durch tierische Aktivitäten, sondern durch die Selbstorganisation der Pflanzen entstehen. Dafür spreche auch, dass die in der Region dominierenden Gräser der Gattung Triodia in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Feenkreisen auch noch andere typische Trockenheitsmuster wie Streifen, Labyrinthe oder von kahlem Boden umgebene Einzelpflanzen bilden. Insbesondere die Streifen- und Labyrinthmuster bilden sich bevorzugt auf harten Bodenoberflächen mit oberirdischem Wasserabfluss und sind vor allem bekannt von Gehölzen an Berghängen.

Nach ihren Untersuchungen vor Ort haben die Forscher auch eine Vorstellung davon, wie das Wechselspiel zwischen Boden und Vegetation in dieser Region funktioniert. Wo keine Vegetation den australischen Lehmboden schützt, wird seine Oberfläche nicht nur extrem heiß. Sie verbackt auch zu einer harten Kruste, in der kaum Wasser versickern kann. Das Wasser der wenigen Regenfälle fließt dort oberirdisch ab. Das aber sind extrem schlechte Bedingungen für keimende Pflanzen - die unbewachsenen Bereiche bleiben weiter kahl. Anders ist die Lage an Stellen, auf denen bereits erste Gräser gedeihen. Die Pflanzen sorgen dort für eine kühlere Oberfläche und einen lockereren Boden, in dem die Niederschläge besser versickern. Daher können sich lokal weitere Pflanzen ansiedeln und die Bedingungen wieder ein wenig verbessern - ein selbstverstärkender, kleinskaliger Prozess, der auf großer Landschaftsskala zu dem beobachteten Grasteppich mit Lückenmuster führt.

"In Namibia ist der sandige Boden der Feenkreise dagegen viel durchlässiger, so dass die Niederschläge problemlos versickern können", sagt Stephan Getzin. Daher bilden sich dort unter den kahlen Flecken Wasserreservoirs, die das umliegende Gras über Diffusionsprozesse im Boden mit Feuchtigkeit versorgen. "Das ist im Detail zwar ein anderer Mechanismus als in Australien", erläutert er. "Er führt aber zum gleichen Vegetationsmuster, da beide Lückensysteme von der gleichen Instabilität ausgelöst werden".

Der UFZ-Mitarbeiter will dem Phänomen nun weiter nachgehen. Er hält es durchaus für wahrscheinlich, dass es auch noch in anderen trockenen und dünn besiedelten Regionen der Erde bisher unbekannte Feenkreise gibt. Die Zeit für Entdeckungen ist wohl noch nicht vorbei.

Publikation:
Stephan Getzin, Hezi Yizhaq, Bronwyn Bell, Todd E. Erickson, Anthony C. Postle, Itzhak Katra, Omer Tzuk, Yuval R. Zelnik, Kerstin Wiegand, Thorsten Wiegand, Ehud Meron: Discovery of fairy circles in Australia supports self-organization theory. PNAS
http://dx.doi.org/10.1073/pnas.1522130113

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Quelle:
UFZ-Pressemitteilung, 15.03.2016
Herausgeber:
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Tilo Arnhold
Permoserstraße 15, 04318 Leipzig
Telefon: (0341) 235-2278, Telefax: (0341) 235-2649
E-Mail: presse@ufz.de
Internet: www.ufz.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. März 2016

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